Roland Koch:Lasst uns froh und munter und konservativ sein

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Der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch gibt in seinem neuen Buch Praxishilfen für gebeutelte Konservative. Das alles lässt die Laudatorin Angela Merkel lächeln.

Thorsten Denkler

Nein, nein, sagt Angela Merkel, das habe nicht sie gesagt - sondern der "konservative Reformer" neben ihr. Eine Frau im Publikum hat der Bundeskanzlerin gerade unterstellt, sie sei es gewesen, die einen intellektuellen Überbau bei den Konservativen vermisse und die Konservativen für planlos halte.

Aus Überzeugung konservativ: Koch und Merkel (Foto: Getty Images)

Der "konservative Reformer" an Merkels Seite ist Roland Koch - der im Sommer von seinem Amt als hessischer Ministerpräsident zurückgetretene CDU-Politiker. Im politischen Betrieb gilt der Mann aus Eschborn gemeinhin als letzter wahrer Konservativer der CDU. Nach seinem Rücktritt stellten sich in seiner Partei viele die Frage, ob die Lücke, die er hinterlässt, zu füllen sei.

Nun schaut ihm Angela Merkel in die Augen und sagt: "Sie sind nicht heimatlos, aber etwas planlos." Wer nicht weiß, dass die beiden seit langem per du sind, der könnte auf die Idee kommen, dass sie Roland Koch gemeint habe. Wieder ein Missverständnis. Merkel hat den hessischen Politiker nur zitiert.

Der frühere Ministerpräsident hat ein Buch geschrieben, das ihn an diesem Montag mit der Kanzlerin zusammenführt. Konservativ heißt das Werk, einfach nur Konservativ, und der Untertitel weist auf Programmatisches: "Ohne Werte und Prinzipien ist kein Staat zu machen." Merkel stellt das Druckwerk in Berlin vor, mit dem Koch auf 220 Seiten nach Antworten auf die Frage sucht, was konservativ eigentlich ist - und warum es nicht schwerfallen sollte, das konservative Gedanken- und Gefühlsgut mit "fröhlichem Gesicht" nach außen zu tragen.

Lasst uns froh und munter sein: Kochs Weisheiten gehen in etwa so: "Konservative Politik verändert die Welt, beachtet aber eine gesellschaftliche Statik von Werten und Tradition." Merkel erklärt in ihrer Laudatio, was Koch meint: Die Linken strebten nach dem Vollkommenen, der Konservative dagegen orientiere sich am Maßstab des Geleisteten und wolle es verbessern. Für die Linken sei der Konservative deshalb "immer der Bewahrer des Unvollkommenen". Was die Linke aber nicht wahrhaben wolle: "Der Mensch wird nie vollkommen sein."

Wem das zu schwammig ist, der findet bei Koch eine Fülle von Anregungen für den täglichen Bedarf.

An einer Stelle in seinem Buch erinnert er an die Empörung, die er mit der Antwort auf die Frage eines Journalisten ausgelöst hatte, ob Kinder in der Schule die Nationalhymne auswendig lernen müssten. "Sie müssen nicht, aber besser wäre es schon", hat er damals gesagt. "Heute weiß ich, dass die Formulierung zu schwach war", schreibt Koch. Die Antwort müsse wie in anderen Ländern lauten: "Ja, sie müssen."

Oder Stuttgart 21. Das Bahnhofsprojekt selbst sei nicht konservativ. Das hat er am Wochenende auch schon einer Frankfurter Sonntagszeitung offenbart. Aber: "Ein Widerstandsrecht gegen demokratische und von höchsten Gerichten legitimierte Entscheidungen gibt es nicht", sagt Koch. Das hat vor wenigen Tagen Bahn-Chef Rüdiger Grube genauso gesagt und damit die Stimmung unter den Demonstranten in Stuttgart noch weiter angeheizt.

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Alle gegen einen: Roland Koch kennt diese Situation sehr gut. Höchst umstrittene Aussagen ziehen sich bei ihm durch die politische Laufbahn. Ein Überblick über die Verbalattacken des Hessen.

Koch ätzt weiter: Wenn mit Demonstrationen solche demokratisch legitimierten Entscheidungen in Frage gestellt werden könnten, "dann reiße ich Leitplanken ein". In dieser Frage sei er "aus voller Überzeugung konservativ". Und rät der Bevölkerung, hier auf "die Konservativen zu hören". Für den prominentesten Vertreter einer Bewegung ohne intellektuellen Überbau und ohne Plan dürfte das eine ganz schön selbstbewusste Lageeinschätzung sein.

Aber: Konservativ sein, das sei in diesem Land ja auch "besonders schwer", führt Koch aus. Schon geschichtlich bedingt. Kaum einer, der sich offen dazu bekennen will. Selbst er bezeichnet sich ja als "konservativen Reformer" und manche würden ihm sagen, dass er sich damit ein kleines Hintertürchen offenhalte. "Wahrscheinlich ist das auch so", sagt Koch. Die Konservativen dürften sich nicht darüber aufregen, wenn andere über sie herfielen. "Aber sie dürfen sich nicht beschweren, wenn sie selbst den Begriff nicht mit Freude verwenden."

Einer fragt, ob er denn konservativ genug sei, den erkrankten Finanzminister Wolfgang Schäuble notfalls zu ersetzten. Koch hat dafür zwei Antworten parat: Solche Fragen halte er angesichts der Lebensleistung von Wolfgang Schäuble für "unangemessen", sagt er. "Das müssen sie einem konservativen Rentner zugestehen." Zum anderen habe er sich entschieden, er werde nicht mehr in die Politik zurückkehren.

Angela Merkel wirkt an dieser Stelle recht zufrieden mit der Antwort. Vor allem mit der zweiten. Dann fällt ihr auf, dass es angebracht sein könnte, auch etwas zu Schäuble zu sagen und erwähnt, dass sie Koch da voll zustimme.

Ein Herzensanliegen wird ihr der Konservatismus dennoch nicht werden. Ostdeutsche hätten die Erfahrung des Zusammenbruchs eines Systems gemacht. Entsprechend gering sei die Ehrfurcht vor allem Bestehenden, zitiert Merkel die Zeit. Das sei natürlich eine "schwere Provokation" für einen Konservativen, fügt Merkel an.

Aber ihr Lächeln an dieser Stelle verrät, dass sie so gesehen auch ganz gerne mal provoziert.

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