Bangladesch:Killerkommando im Flüchtlingscamp

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Bislang sind die Mörder von Mohib Ullah nicht bekannt. Der Tod des Aktivisten kommt unter anderem dem Militär in Myanmar gelegen. (Foto: Mohammad Ponir Hossain/REUTERS)

Mohib Ullah, der Gerechtigkeit für die verfolgten Rohingya einforderte und Gewaltfreiheit predigte, wurde ermordet. Über einen mutigen Aktivisten.

Von Arne Perras, München

Die Täter sind flüchtig, die Hintergründe des Mordes an Mohib Ullah liegen im Dunkeln. Human Rights Watch und Amnesty International fordern eine umfassende Aufklärung, doch schon jetzt lässt sich sagen: Das geschundene Volk der Rohingya hat durch dieses Verbrechen einen Mann verloren, der für die Dokumentation und Aufklärung mutmaßlicher Kriegsverbrechen an der in Myanmar verfolgten muslimischen Minderheit extrem wichtig war.

Mohib Ullah leitete die Organisation Arakan Rohingya Society for Peace and Human Rights, die im weltgrößten Flüchtlingslager Kutupalong angesiedelt ist, im Südosten von Bangladesch, nahe der Grenze zu Myanmar. Dort starb der Rohingyaführer am Mittwochabend, als er vor dem Büro mit anderen Gemeindeführern sprach. Eine Gruppe unbekannter Angreifer habe ihn erschossen, berichtete die Dhaka Tribune unter Berufung auf die Polizei.

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Der Tod des Rohingyaführers gilt als immenser Verlust für die zivilgesellschaftlichen Kräfte, die seit der Vertreibung der muslimischen Minderheit aus Myanmar gegen das Vergessen ankämpfen; die versuchen, ein friedliches Miteinander in den überfüllten Camps zu organisieren und die auch wesentlich zur Dokumentation von Gräueltaten während der Vertreibung beigetragen haben. Diese ist für eine spätere juristische Aufarbeitung bedeutsam. Yanghee Lee, die frühere UN-Sonderberichterstatterin über Menschenrechte in Myanmar, sagte, Mohib Ullah sei im Kampf um Gerechtigkeit "unersetzlich".

Mohib Ullah, Ende 40, galt als eine der wenigen Rohingya-Stimmen, die sich international Gehör verschafften, etwa, als er 2019 vor dem Menschrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf sprach. Auch gehört er zu einer Gruppe, die als Vertreter verfolgter Minderheiten von Donald Trump im Weißen Haus empfangen wurde. Als Mohib Ullah damals den US-Präsidenten höflich fragte, was er plane, um ihnen bei der Heimkehr zu helfen, gab Trump keine Antwort, sondern fragte nur zurück: "Wo ist das genau?" Falls Mohib Ullah dies Begegnung verstörte, ließ er es sich nicht anmerken. Er kämpfte weiter, gegen das Vergessen, für die Rechte der Rohingya.

In seiner Rede in Genf sagte er: "Stellen Sie sich vor, sie haben keine Identität, keine ethnische Zugehörigkeit, kein Land. Niemand will sie. Wie würden sie sich fühlen? So fühlen wir Rohingya uns heute." Als ethnische Gruppe werden die Rohingya in Myanmar nicht anerkannt. Ihre Wurzeln liegen weiter westlich, in der Kolonialzeit war es zu größeren, von Großbritannien teils gesteuerten Wanderbewegungen von Arbeitern gekommen, sodass sich die Nachfahren dieser Menschen heute in verschiedenen Staaten wiederfinden. Eine große Zahl Rohingya lebte seit Generationen in Myanmar, bevor sie vom Militär 2017 brutal vertrieben wurden.

Mohib Ullah hatte Feinde außerhalb und innerhalb der Gruppe

"Sie nennen uns illegale Einwanderer", klagte Mohib Ullah und beharrte darauf: "Wir sind Bürger von Myanmar." Deshalb wollten sie alle nach Hause. "Mit unseren Rechten, mit unserer Staatsbürgerschaft und internationalem Schutz vor Ort."

Zu einer Intervention von außen ist es, trotz Belegen für ethnische Säuberungen und mutmaßlichen Völkermord, nie gekommen, die Weltgemeinschaft begnügt sich damit, Bangladesch bei der Versorgung von etwa einer Million Flüchtlinge zu unterstützen. 2019 eröffnete der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Untersuchungen über mutmaßliche Verbrechen in Myanmar.

Mohib Ullah spielte eine wichtige Rolle, als es darum ging, Belege für eine mögliche juristische Aufarbeitung der Verbrechen während der Vertreibungen zu sammeln. Zugleich war er ein mutiger Gegner militanter Strömungen unter den Rohingya, die versuchen, ihren Einfluss in den Lagern zu stärken. Sie schüren Spannungen, vor allem in Kutupalong, wo sich mehr als 600 000 Menschen zusammendrängen. Mohib Ullah bekam anonyme Drohungen, die ihn als "Virus" im Camp verunglimpften.

Nun machte schnell der unbestätigte Verdacht die Runde, Angehörige der Rebellengruppe Arsa könnten für die Tat verantwortlich sein. Die Gruppe kämpft gegen das myanmarische Militär. Unklar ist, wie weit die Behörden in Bangladesch ihre Spurensuche ausweiten werden und können. Denn auch das Militär in Myanmar hätte ein denkbares Motiv. Den Generälen dürfte es gelegen kommen, dass Mohib Ullah seine Arbeit nicht fortsetzen kann. Das Militär hat viel dafür getan, Spuren mutmaßlicher Verbrechen zu vertuschen, eine unabhängige Beweiserhebung zu behindern und unabhängigen Beobachtern den Zugang in den Westen Myanmars zu verwehren.

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