Röslers Rede bei FDP-Parteitag:Der neue scharfe Hund der Liberalen

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Er hielt die erste Rede beim FDP-Parteitag in Nürnberg: Wirtschaftsminister Philipp Rösler. (Foto: dpa)

Von wegen nett und harmlos: FDP-Chef Philipp Rösler streift alte Klischees ab. Und ätzt mit Wucht gegen die Opposition. Für den 40-jährigen Wirtschaftsminister ist es der Versuch, das eigene politische Überleben zu sichern.

Von Thorsten Denkler, Nürnberg

Rösler holt den ersten Ton für dieses Wort aus der Tiefe seines Körpers. Es klingt für den Bruchteil einer Sekunde wie ein Grollen, als ob sich in der Ferne eine Steinlawine gelöst hätte. Er will das Wort, das dann die Messehalle Nürnberg erfüllt, in die Köpfe der Delegierten hämmern: "Niemals!"

Es geht um Fronten, um Abgrenzung, um Kontraste. Hier die Guten, die Liberalen von der FDP. Dort das Böse: SPD, Grüne, Linke. Philipp Rösler, Bundesvorsitzender der FDP, muss seiner Partei etwas beweisen: Dass er auch Kampf kann. Dass er hart sein kann.

Er hatte lange damit zu kämpfen, dass er als zu nett galt. Auf dem Parteitag der FDP in Nürnberg will er damit wohl endgültig aufräumen. Keine seiner üblichen Scherze, keine Witzeleien, mit denen er sonst gerne versuchte zu erheitern. Am heutigen Samstag steht Angriff auf dem Schlachtplan.

"Das Wir entscheidet", finden die Sozialdemokraten. Das ist ihr Wahlslogan. "Ich sage Ihnen, das klingt harmlos", warnt Rösler. Für ihn ist das ein "Frontalangriff auf die Freiheit des Einzelnen". Er werde "dafür kämpfen, dass die..." und da ist das wichtige Wort "niemals!" in Deutschland "etwas zu entscheiden bekommen".

Niemals. Ein großes Wort ist das. Für einen Demokraten allemal. Aber es ist Wahlkampf.

Rösler arbeitet sich vor allem an den Grünen ab. Das wundert nicht. Die Grünen sind wesentlich stärker als die FDP. Bei gut 15 Prozent liegen sie in Umfragen. Die FDP kommt nur auf etwa vier Prozent. Die Grünen haben seit einigen Wochen auch mehr Mitglieder. Das dürfte fast noch mehr schmerzen.

Die neuen Bürgerlichen, so werden die Grünen gerne beschrieben. Das ist gefährlich für die freien Demokraten. Begreifen sie sich doch als den wahren Hort der Bürgerlichkeit. Das ist "nicht die neue Bürgerlichkeit", schimpft Rösler auf die Öko-Partei. "Das ist wenn überhaupt die neue Spießbürgerlichkeit!" Für die Grünen dürfte selbst das kein Problem sein. Unter führenden Grünen ist es inzwischen en vogue, sich selbst als Spießer zu bezichtigen.

Rösler will die Grünen an einer anderen Stelle packen. Die würden alles verbieten wollen, was Liberale gut finden. Sie seien gegen moderne Landwirtschaft (er meint grüne Gentechnik). Gegen Genuss (er meint Rauchverbote). Gegen Minijobs und Aushilfsjobs (die vor allem für Arbeitgeber gut sind). Gegen Netzausbau. Gegen Kohlekraftwerke. Gegen Biogas. Gegen eigentlich alles seien die Grünen. Rösler will sie als Partei der Verbote hinstellen. "Das ist der grüne Dreiklang: verboten, verboten, verboten!"

Natürlich geißelt Rösler die Steuererhöhungspläne von SPD und Grünen für Spitzenverdiener. Die sind in seinen Augen natürlich keine Spitzenverdiener, sondern Teil der ganz normalen Mittelschicht. Als einen "Raubzug durch die Mittelschicht", bezeichnet er die Pläne. Über Steuersenkungen allerdings spricht er nicht, auch wenn die "Grenze der Belastbarkeit" längst erreicht sei. Den Spielraum gibt es dann wohl doch nicht mehr. Rösler setzt darauf, dass die Wähler FDP wählen, um Steuerhöhungen zu verhindern.

Dafür schreckt er auch nicht davor zurück, den Glauben an Monster zu wecken. "Ja, es gibt das Monster von Loch Ness", sagt er. Er meint: "Nessie lebt!" Interessant. Er hat da aber eine ganz eigene Theorie: "Es ist kein Mädchen, es ist ein Junge, 66 Jahre alt. Sein Name: Peer Steinbrück". Steinbrück - das Steuererhöhungsmonster. So will Rösler den SPD-Spitzenkandidaten platziert sehen.

Parteichef Philipp Rösler (l.) bildet mit Rainer Brüderle das FDP-Spitzenduo im Bundestagswahlkampf. Im Hintergrund stehen die Bayern Martin Zeil und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. (Foto: dpa)

Was ein bisschen fehlt, sind Antworten auf die Frage, was die FDP eigentlich will. Etwa beim vieldiskutierten Thema Frauenquote. Rösler ist dagegen. Er will Gleichstellung. Irgendwie. Da seien die Unternehmen in der Verantwortung. Er findet gar, "die vehementesten Vorkämpfer von Gleichstellung müssen Liberale sein!" Während vor ihm in etwa 80 Prozent Männer sitzen, die brav applaudieren.

Oder Mindestlohn. Rösler ist dagegen. Die FDP wird sich zwar auf diesem Parteitag womöglich für tarifliche Lohnuntergrenzen einsetzen. Der FDP-Mindestlohn aber ist kaum mehr als die Festschreibung des Status quo, eine Art Placebo-Mindestlohn um nicht mehr ganz so kalt zu wirken, wie die Opposition ihnen gerne vorhält.

Auch wenn es gegen die Union geht, bleibt Rösler auf Angriffskurs. Deren Versprechen, es werde keine Steuererhöhungen geben, traut er nicht über den Weg. Da musste sich eine saarländische CDU-Ministerpräsidentin sogar von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles zurückpfeifen lassen, weil diese die geforderten 53 Prozent Spitzensteuer dann doch zu hoch findet, klagt der Niedersachse.

Rösler hat sich mit dieser Rede gewandelt. Vom netten, aber als harmlos unterschätzen Jungspund zum angriffslustigen Wadenbeißer. Die Delegierten belohnen es mit viel Applaus. Sie haben ihn nach einem harten Machtkampf vor wenigen Wochen erst wiedergewählt - manche mit Bauchschmerzen. Er musste jetzt endlich irgendwas liefern - wenn auch keine Steuersenkungen.

Er liefert eine bisher so noch nicht gesehene Bissigkeit. Es ist auch der Versuch, das eigene politische Überleben für die Zeit nach der Wahl zu sichern. Wenn das schief geht, wenn also die Regierungsbeteiligung verpasst wird, dann werden die Personaldebatten neu ausbrechen. Rösler will mit 45 aufhören. Er hätte noch ein paar Jahre - ist ja gerade erst 40 geworden.

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