Süddeutsche Zeitung

Rösler und Gesundheitspolitik:Der smarte Verteidiger

Ausgleich zwischen Arm und Reich? Gern, aber nicht im Gesundheitswesen. Der Auftritt von Gesundheitsminister Rösler bringt das Blut der Oppositionspolitiker in Wallung.

Gökalp Babayigit

Philipp Rösler ist bestens vorbereitet. Er kommt mit leeren Händen ans Rednerpult.

In freier Rede, das Kreuz durchgedrückt und ruhig gestikulierend stellt sich der Gesundheitsminister dem Plenum des Bundestags. Der 36-Jährige weiß, er muss heute die Pläne seiner Regierung verteidigen. Und es scheint ihm auch nichts auszumachen, dass die Opposition so gar keinen Gefallen findet an dem, was er sagt.

Die Gesundheitspolitik der schwarz-gelben Regierung, die im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist und für die der junge Minister steht, dient der Opposition als riesengroße Zielscheibe, als untrüglicher Beweis: Seht her, diese Regierung will den sozialen Kahlschlag, will neoliberale Politik machen, die Gesellschaft entsolidarisieren und die unteren Einkommensschichten zugunsten der höheren noch mehr belasten.

Da hilft es wenig, dass Rösler seine freie Rede mit einem klaren Bekenntnis beginnt: Seine Koalition stehe dafür, dass jeder, unabhängig von Einkommen, Alter, sozialer Herkunft und gesundheitlichem Risiko, Zugang haben soll zum Gesundheitssystem. Dass der Gesundheitsminister einen radikalen Umbau eben jenes Systems plant, ist der Grund für die Empörung der Opposition, die er in Form von permanenten Zwischenrufen erfährt. Überhaupt: Die permanenten Vorwürfe und Einwürfe, Aufstöhner und Abkanzelungen der Opposition sind das Hintergrundrauschen der Antrittsrede.

Doch Rösler wirkt unerschütterlich. Er scheint seine Worte, den Oberkörper leicht in Richtung Unions- und FDP-Fraktionen gedreht, ohnehin an seine eigenen Leute zu richten. Immer, wenn er sich dann doch mal der Opposition zuwendet, wirkt dies wie ein verächtlicher Blick über die Schulter.

Rösler wirbt also für ein Ende der paritätischen Gesundheitsfinanzierung, für eine Kopfprämie und für mehr Wettbewerb und Eigenverantwortung der Versicherten. "Wir brauchen ein System, das ordnet, das sich aber nicht anmaßt, alles lenken zu wollen", sagt er. Ja, ein freier Wettbewerb sei auch in der Krankenversicherung der bessere Weg. Nein, Solidarität und Eigenverantwortung seien keine Gegensätze. Ja, er wolle den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Krankenversicherung festschreiben, was kein "Gefallen für die Arbeitgeber" sei, sondern Arbeitslosigkeit verhindern solle. Nein, der Arbeitnehmerbeitrag soll nicht mehr vom Einkommen abhängig sein.

"Risiko für unseren Sozialstaat"

Und der Ausgleich zwischen Arm und Reich? "Es wird in jeder Gesellschaft einen Ausgleich geben müssen zwischen Arm und Reich", sagt der studierte Mediziner - und fügt hinzu: "aber eben nicht im Gesundheitssystem."

Die SPD lässt es anschließend nicht an Kritik am Vorhaben von Schwarz-Gelb mangeln. Die Regierung wolle eine Dreiklassenmedizin installieren, sagt SPD-Fraktionsvize Elke Ferner: "Sie machen eine Gesundheitspolitik gegen mehr als 70 Millionen Menschen. Sie sind ein Risiko für unseren Sozialstaat."

An die SPD in der Rolle der empörten Opposition wird man sich gewöhnen müssen. Beinahe während der gesamten Rede war Rösler nicht auf ihre Zwischenrufe eingegangen, ehe er sich ihr am Ende doch noch smart zuwendete: Die Gesundheitsreform gehöre sicher nicht zu den einfachsten Vorhaben in dieser Legislaturperiode, räumt er ein. "Aber wenn es einfach wäre, dann hätten Sie auch regieren können."

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