Rösler und die FDP-Klausur in Mainz:Warten auf den Untergang

Rösler kann es nicht. Das ist inzwischen Konsens in der FDP. Zum Aufstand wird es bei der Klausur in Mainz dennoch nicht kommen, zu groß ist die Furcht, selbst zum Opfer einer neuen Personalrochade zu werden. Die Abgeordneten haben genug damit zu tun, ihre eigene Haut zu retten.

Thorsten Denkler, Berlin

Der Existenzkampf hat für die meisten Abgeordneten der FDP längst begonnen. Es geht um den richtigen Listenplatz. Einen, der diesmal wohl sehr weit vorne liegen muss, damit es noch mal klappt mit einem Sitz im Bundestag. Da wird gepokert und geschachert. Nicht wenige, die sich schon mal langsam umschauen nach Alternativen zum Job des Berufspolitikers.

FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (r) mit dem FDP-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Rainer Brüderle.

Rivalen und Parteifreunde: FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (rechts im Bild) mit dem FDP-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Rainer Brüderle.

(Foto: dpa)

Der FDP-Fraktion im Bundestag gehören 93 Abgeordnete an. Mindestens die Hälfte davon wird dem nächsten Bundestag nicht angehören, wenn das Ergebnis so ausfällt, wie es die Umfragen seit einer gefühlten Ewigkeit prognostizieren. Um fünf Prozent oder sogar darunter. Schafft die FDP die Fünf-Prozent-Hürde nicht, ist ohnehin alles verloren.

Offen will es keiner sagen, aber der derzeit Hauptschuldige daran, dass die FDP einfach nicht aus dem Tief herauskommt, ist in der Partei seit langem ausgemacht. Seine Name: Philipp Rösler, seit etwas über einem Jahr Bundeswirtschaftsminister und Parteichef der Liberalen.

Von diesem Mittwoch an treffen sich die 93 Abgeordneten zur Fraktionsklausur in Mainz. Es soll um die Euro-Rettung gehen, um die Energiepolitik, um das Programm für das vorerst letzte Jahr der schwarz-gelben Regierung. Ja, das letzte Jahr. Dass es nach der Wahl 2013 mit Schwarz-Gelb weiter gehen könnte, das glauben nur die ganz harten Berufsoptimisten.

Ein Aufstand gegen Rösler ist dennoch nicht zu erwarten. Auch offene Kritik nicht. Jedes böse Wort über Rösler würde ungefiltert in den Medien landen und umgehend eine heftige Personaldebatte auslösen. Dafür ist die Lage zu ernst. Ein Personalstreit würde die FDP derzeit nur noch mehr schwächen, sagen selbst die, die von Rösler enttäuscht sind.

Außerdem hat Rösler sich nicht ins Amt gedrängt. Christian Lindner, damals Generalsekretär, galt schon als natürlicher Kandidat. Aber er wollte nicht. Er und Parteivize Daniel Bahr haben Rösler mit einigem Nachdruck gebeten, den Job von Guido Westerwelle zu übernehmen. Wohl wissend, dass es sich dabei um ein Himmelfahrtskommando handeln könnte.

"Wer zuerst schießt, ist als zweiter tot"

Doch lange wird sich der Deckel nicht mehr auf dem Topf halten können. Drinnen brodelt es gewaltig. Wenn sich schon alte FDP-Größen wie Hans-Dietrich Genscher einschalten, dann wird es ernst. Die graue Eminenz der Liberalen sei unterwegs, um gegen Rösler Stimmung zu machen, berichtet der Spiegel. Genscher passe Röslers unklare Haltung zum Euro, zu Griechenland, zu Europa nicht. So einer könne die FDP nicht führen.

Rösler kann es nicht. Diese Aussage ist Konsens an Spitze und Basis der Partei. Nett sei er ja, freundlich im Umgang. Ein Harmoniemensch. Nur eine Partei führen, das sei eben nicht sein Ding.

Jetzt aber steht im Januar erstmal die Landtagswahl in Niedersachen an. Das Heimatland von Rösler und seinem alten Freund und Generalsekretär Patrick Döring. Hier sind sie politisch groß geworden. Rösler gilt als beliebt in Niedersachsen. Manche hoffen insgeheim, dass sich das geändert hat. Eine Niederlage in seiner Heimat dürfte das Ende von Rösler als Parteichef sein. Dann sind es noch gut acht Monate bis zur Bundestagswahl. Knapp aber machbar, mit Fraktionschef Rainer Brüderle das letzte Aufgebot zu bestellen.

Der ist schon kräftig dabei, das ohnehin ramponierte Image des Parteichefs weiter zu beschädigen. Als Wirtschaftsminister der Herzen macht Brüderle ein ums andere Mal Röslers Job, legt Konzeptpapiere zur Energiewende vor und fordert das Ende der Ökostromsubventionen. Selbst Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger macht da gerne mit. Über ihren Gesetzentwurf zum Verbot des Ankaufs von Steuer-CDs hat sie Rösler gar nicht erst informiert. Der hat davon nach eigenem Bekunden aus den Medien erfahren. Deutlicher lässt sich die eigene Bedeutungslosigkeit gar nicht darstellen.

Die Abgeordneten werden während der Klausur trotzdem stillhalten. Es gilt die alte Soldaten-Regel: "Wer zuerst schießt, ist als zweiter tot". Und den politischen will noch keiner riskieren. Völlig offen ist auch, ob mit Brüderle die Wende gelingen würde. Der ist jetzt schon auf allen Kanälen präsent. Seit einem Jahr propagiert er seine Brot-und-Butter-Themen Wachstum und Arbeit, weil nur mit denen alleine die FDP aus ihrem Tief herauskommen könne. Geholfen hat das bisher nicht.

Ein anderer Retter ist vorerst nicht in Sicht. Christian Lindner, der jetzt mächtige Partei- und Fraktions-Chef der NRW-Liberalen wartet noch ab. Wenn selbst der Notnagel Brüderle nicht hält, dann kann er sich immer noch in den Parteivorsitz rufen lassen - und die FDP von Grund auf neu ausrichten.

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