Rösler-Rede auf FDP-Parteitag:Tag der Wahrheiten

FDP Bundesparteitag

FDP-Chef Philipp Rösler in Form: "So sehen Kämpfer aus!"

(Foto: dpa)

Philipp Rösler verhaut brutal die Grünen, gibt der CDU ordentlich einen mit und bricht mit alten Glaubenssätzen seiner Partei. So stark wie heute war der FDP-Chef seit seiner Wahl 2011 noch nie. Trotz eines eher ehrlichen Ergebnisses bei seiner Wiederwahl.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Mit durchgedrücktem Rücken stellt sich Philipp Rösler unter dem Applaus der Delegierten an das blau-gelbe Pult. Die Augenbrauen zusammengezogen, den Kopf nach vorne gereckt. Eine Körperhaltung wie ein Versprechen. Da will einer liefern, so sieht er jetzt aus. Endlich, würden manche sagen.

Es ist vielleicht der Moment seiner größten Stärke, in dem Philipp Rösler an diesem Samstag vor den Parteitag tritt. Er hat die Niedersachsen-Wahl gewonnen, er hat Rainer Brüderle in die Schranken gewiesen. Er hat es allen seinen internen Gegnern gezeigt.

Er kann frei reden. In dem Wissen, dass er den Machtkampf gewonnen hat. Er wird Parteichef bleiben. Etwas, worauf kaum jemand in der FDP vor wenigen Wochen noch einen Pfifferling gewettet hätte. Am späten Nachmittag ist er wieder gewählt worden. Das eher ehrliche Ergebnis von 85,7 Prozent kann ihm und wird ihm ziemlich egal sein. Hauptsache gewählt. Außerdem sind es mindestens 20 Prozent mehr als noch vor ein Wochen, wäre er da gewählt worden.

Kämpfen und nicht umfallen - das hat Rösler für sich zum persönlichen Motto erhoben. Hermann Grupe nennt er in seiner Rede, einen FDP-Mann aus Niedersachen. Der sei mit der Kommunalwahl aus dem Kreistag geflogen ist, habe nicht aufgeben, und sitzt jetzt im Landtag. "So sehen Kämpfer aus!", ruft Rösler. Und meint vor allem sich selbst.

Rösler der Kämpfer. Auf dem Dreikönigstreffen war er noch der angeschlagene Zauderer. Zu zurückhaltend seine Rede, zu harmlos. Im Kopf geblieben ist sie vor allem wegen der quälend langen Stille, wenn er nach einem Wort, einem Halbsatz einer seiner Kunstpause gesetzt hat.

Hier aber, im Hotel-Estrel in Berlin-Neukölln richtet Rösler die Partei neu aus. Er kann das, weil er sich selbst neu aufgerichtet hat.

Harte, erbarmungslose Angriffe auf den politischen Gegner

Die Angriffe gegen die Grünen sind hart und erbarmungslos. Die seien zum "Sinnbild des Obrigkeitsstaates" geworden, wettert Rösler. Und versteigt sich zu einem gewagten historischen Vergleich: "Früher kam der Obrigkeitsstaat mit Pickelmützen. Heute kommt er auf Birkenstocksandalen!" Da johlt der Saal. Die Pickelhaube galt als Symbol des preußischen Militarismus. Für historische korrekte Bezüge aber ist das wohl nicht der richtige Tag.

Es ist der Tag der einfachen Wahrheiten: Schulden? Haben die Farben rot-grün. Solide Finanzen? Haben die Farben schwarz-gelb. SPD? Ist auf eine "Steuerhöhungsorgie" aus. Die planten gar eine Erhöhung der Mineralölsteuer, ereifert sich Rösler. Das fällt wohl unter unlauteres Negativ-Campaigning. Die SPD dürfte jedenfalls am meisten von der Forderung überrascht sein.

Und die CDU? Von der fordert er erwartungsgemäß die sofortige Gleichstellung der Homo-Ehe. Noch schlimmer aber wiegt ein anderer Vorwurf: Die Union sei innerlich schon "umgefallen", weil sie Mehrbelastungen nur "im Moment" noch ausschließe. Umfallerpartei. Das galt eigentlich und bislang als Synonym für FDP.

Den Delegierten ist das alles wurscht. Sie klatschen überall da, wo es geht - und auch da wo es eigentlich auch nicht geht. Aber: Endlich erleben sie mal einen Parteichef Rösler, der ihnen aus dem Herzen spricht. Der die FDP als eigenständige Kraft positioniert. Ohne gleich die Koalition mit CDU und CSU in Frage zu stellen.

Als er 2011 in Rostock gewählt wurde, da fanden alle die Rede schon deshalb gut, weil sie sich nicht mehr von Westerwelle anbrüllen lassen mussten, dass manche Passagen nur mit Ohropax zu ertragen waren. In Stuttgart hat Rösler nur enttäuscht. Sein Glück allein, das Dirk Niebel mit seiner "Es-zerreißt-mir-das-Herz"-Rede Röslers schlechten Auftritt überdeckt hat.

Jetzt aber findet Rösler sogar die Kraft, der FDP einen Kurswechsel abzuverlangen. Er will Lohnuntergrenzen möglich machen. Und zwar dort, wo es keinen Tarifvertrag gebe. Rösler sagt Sätze für die in früheren Zeiten Liberale einen Parteiausschluss riskiert hätten. Es gebe Regionen, das "nützt es nichts, auf die Tarifautonomie hinzuweisen", sagt Rösler etwa. "Weil es dort keine Tarifpartner gibt."

Er gesteht ein, dass die FDP da noch kein Patentrezept habe. Und das Wort Mindestlohn will er auch nicht nutzen. "Aber deswegen auf seinen Positionen zu beharren, fände ich nicht klug." Der Applaus ist verhalten. Aber die Botschaft ist angekommen. Die FDP muss sich den Realitäten stellen.

Es ist ein neuer Rösler, der sich hier präsentiert. Einer der die Partei auf einen neuen Weg führt. Jetzt muss der Antrag zu den Lohnuntergrenzen am Abend nur noch eine Mehrheit bekommen. Wenn nicht, kann Rösler direkt wieder einpacken.

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