Süddeutsche Zeitung

Rodrigo Duterte:Auf den Philippinen jagen Killerkommandos Drogendealer

  • Seitdem der neue philippinische Präsident Duterte einen Feldzug gegen das Verbrechen führt, befolgen Sicherheitskräfte offenbar seinen Schießbefehl.
  • Bei Schießereien und Razzien starben Polizeiberichten nach seit Anfang Juli mehr als 400 Menschen, die vor allem dem Drogenmilieu zugerechnet werden.
  • Dutertes Weg der Härte ist umstritten, Juristen befürchten ungezügelte Selbstjustiz und Vergeltungsmorde.

Von Arne Perras, Singapur

Nach jeder Nacht, in der die Kugeln pfeifen, wird nun gezählt. Und täglich kommen weitere Tote auf die Liste. Seitdem der neue philippinische Präsident Rodrigo Duterte einen Feldzug gegen das Verbrechen ausgerufen hat, befolgen die Sicherheitskräfte offenbar konsequent seinen gnadenlosen Schießbefehl. Einwände von Rechtsexperten, die vor unkontrollierbaren Gewaltexzessen im asiatischen Inselstaat warnen, beeindrucken den Präsidenten und seine Anhänger nicht. "Tötet sie alle und beendet das Problem", tönte Dutete schon im Wahlkampf. Dieser Spruch hat ihm geholfen zu siegen. Und nun setzt er alles daran, seine Vollstrecker-Fantasien durchziehen.

Dutertes Bilanz nach einem Monat im Präsidentenamt ist blutig, das zeigen Auswertungen der Polizeiberichte durch lokale Medien. Bei Schießereien und Razzien starben demnach seit Anfang Juli mehr als 400 Menschen, die vor allem dem Drogenmilieu zugerechnet werden. Während viele Philippiner darüber jubeln, verharren andere in Schreckstarre. Der Staatschef betont, dass er einen "Krieg" gegen die Drogenmafia führe. Und um ihn zu gewinnen, müsse er deren "Apparat auslöschen." Dass die Philippinen mit wachsenden Suchtproblemen und organisierter Kriminalität zu kämpfen haben, ist unbestritten. Doch die Methoden Dutertes provozieren nicht nur Beifall. Jene Philippiner, die noch auf die Gültigkeit von Gesetzen pochen, sind alarmiert: "Hier werden Menschenrechte brutal verletzt," warnt die prominente Anwältin Josalee Neidla.

Täglich Berichte über Tote mit Verbindungen zum Drogenhandel

Fast täglich sind Meldungen wie diese zu lesen: "Drei Männer wegen offenkundiger Verbindungen zum Drogenhandel getötet", berichtet der Philippine Enquirer Mittwochnacht von der Insel Luzon. Zwei Verdächtige traf es angeblich im Feuergefecht mit der Polizei, der dritte starb, als zwei unbekannte Männer von einem Motorrad aus feuerten. Das Opfer, der Dreirad-Taxi-Fahrer Renato Enricez, habe wohl auf einer Drogenüberwachungsliste gestanden. "Wir erfahren nicht, wer hinter solchen Tötungen steckt", sagt Juristin Neidla im Interview mit der SZ. "So ist es schwer zu sagen, ob die Killer im Auftrag der Polizei töten, ob sie andere Bosse haben oder eigenmächtig handeln, um Rechnungen zu begleichen."

Neidla und andere Menschenrechtler wollen durchsetzen, dass die Gewalt unabhängig untersucht wird. "Es gibt Gesetze, die im Kampf gegen das Verbrechen zu befolgen sind." Die Polizei könne sich schwerlich selbst in dieser heiklen Sache überprüfen. "Der Eindruck drängst sich auf, dass viele der jüngsten Einsätze weniger darauf gerichtet sind, jemanden festzunehmen als ihn gleich vor Ort zu erschießen." Mit rechtsstaatlichen Verfahren habe das nichts zu tun. Und Neidla will wissen: "Wer prüft eigentlich, ob diese Leute tatsächlich schuldig sind"?

Juristin Neidla warnt vor ungezügelter Selbstjustiz

Wenn solche Entwicklungen weitergingen, befürchtet die Juristin das Schlimmste. Sie warnt vor ungezügelter Selbstjustiz und Vergeltungsmorden. "Irgendwann wird das kaum noch zu kontrollieren sein und dann ist der Staat nicht stärker geworden, sondern schwächer". Das Problem der Kriminalität wäre dann nicht beendet, wie Duterte verspricht, sondern würde neue Dimensionen annehmen. "Das Drogenproblem ist mit Kugeln nicht in den Griff zu bekommen". Zwar sei Strafverfolgung wichtig, doch erforderten die Suchtprobleme ein umfassendes politisches Paket, in dem auch Rehabilitationsprogramme für Betroffene aufgebaut werden. "Der philippinische Staat ist dafür nicht gerüstet", sagt Neidla. Das Drogenproblem betrachtet sie als Symptom einer sozialen Malaise, der mit staatlicher Gewalt alleine nicht beizukommen sei - schon gar nicht außerhalb der Gesetze.

Staatschef Duterte setzt auf andere Botschaften. Gerade hat er ausgebreitet, dass eines der gefährlichsten Drogenkartelle Mexikos die Philippinen als Brückenkopf nutzte, um Märkte in den USA zu bedienen. Das schürt Angst, dass sich mexikanische Verhältnisse über den Pazifik hinweg ausbreiten könnten, dass Drogenbosse die Philippinen in einen weiteren Narco-Staat verwandeln, in dem Kartelle nicht mehr in den Griff zu bekommen sind. Solche Szenarien dienen Duterte als Munition für seine Kampagnen. Jetzt, im Angesicht der ausgemachten mexikanischen Bedrohung, setzt er erst recht auf Härte. Doch dieser Weg ist hochumstritten. "Es sieht nicht danach aus, als würden hier die großen Fische ausgeschaltet", klagt Anwältin Neidla. "Meistens trifft es die Kleinen, die ganz unten leben, in den Slums."

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SZ vom 05.08.2016/fie
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