Deutschland und der Freihandel:"Kooperation ist die Antwort, nicht Rückzug"

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Robert Habeck auf dem Flug nach Singapur im Gespräch mit Journalisten. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Die Bundesregierung steigt aus einem viel geschmähten Investitionsschutzabkommen aus und macht den Weg für neue Handelsverträge frei. Wirtschaftsminister Robert Habeck sieht Deutschland am Beginn einer Zeitenwende.

Von Claus Hulverscheidt, Singapur

Robert Habeck war nach zwölfeinhalb Stunden Nachtflug gerade erst einigermaßen müde in Singapur aus dem Luftwaffen-Airbus gestiegen, für einen kurzen Moment der Hochstimmung aber reichte die Kondition des Bundeswirtschaftsministers noch. Die jüngsten Beschlüsse der Ampelkoalition zum Ausstieg aus der viel kritisierten internationalen Energiecharta und zur Vollendung der geplanten Handelsabkommen mit Kanada, Mexiko und Chile seien "ein handelspolitischer Meilenstein", schwärmte der Grünen-Politiker am Rande seiner Reise zur Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft.

Soll heißen: Die Bundesregierung begnügt sich bei der Neuausrichtung der Außenwirtschaftspolitik nicht einfach damit, chinesischen Firmen die Übernahme deutscher Konkurrenten zu verbieten. Sie macht vielmehr zugleich Tempo bei der Erschließung neuer Märkte und Geschäftsbeziehungen.

Eine Grundsatzdiskussion ist im Gang

Tatsächlich hat Deutschland in den vergangenen Wochen und Monaten in der Handelspolitik mehr Weichenstellungen vorgenommen als in den zehn Jahren zuvor. Auslöser waren unter anderem die Versuche chinesischer Firmen, Anteile am Hamburger Hafen sowie an IT-Firmen Elmos in Dortmund und Bayern zu übernehmen. Während das Bundeskabinett das Geschäft in Hamburg nach langem regierungsinternen Streit schließlich unter Auflagen genehmigte, wurden die beiden anderen Verkäufe verboten.

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Zugleich kam eine Grundsatzdiskussion in Gang, wie die kritische Infrastruktur im Land geschützt, der Abfluss von Technologie-Knowhow verhindert und die Außenwirtschaftsförderung reformiert werden kann. Zudem will die Regierung Anreize dafür schaffen, dass deutsche Firmen ihre Rohstoff- und Exportmärkte diversifizieren, statt vor allem auf China zu setzen.

"Um die Handelsbeziehungen zu stärken, wollen wir zügig mit Chile und Mexiko Partnerschaften schließen, die freien und fairen Handel ermöglichen", sagte Habeck nun. Darüber hinaus werde man das Handelsabkommen mit Kanada (Ceta) ratifizieren und die Partnerschaft mit den USA vertiefen. "Gerade in der Krise ist Kooperation die Antwort, nicht Rückzug", betonte er. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) begrüßte insbesondere die Ceta-Einigung. "Gerade wenn wir den Handel mit Autokratien drosseln müssen, sollten wir umso mehr Handel mit den Demokratien der Welt betreiben", schrieb er im Kurzmitteilungsdienst Twitter.

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Die Koalition zog zugleich die Konsequenzen daraus, dass es der EU in den vergangenen Monaten nicht gelungen ist, die sogenannte Energiecharta zu reformieren. Das 1998 in Kraft getretene internationale Abkommen soll eigentlich Investitionen in Energieprojekte schützen. Es steht jedoch bei Umweltschutzorganisationen schon lange in der Kritik, weil es Firmen, die beispielsweise in Kohle investiert haben, erlaubt, Staaten wegen eines etwaigen Ausstiegs aus der Kohleverstromung zu verklagen. Auch Frankreich und die Niederlande wollen der Energiecharta den Rücken kehren. Habeck sprach in Singapur von einem "klaren Signal, dass wir Handel und Partnerschaften stärken wollen, basierend auf Fairness und Nachhaltigkeit". Die Bundesregierung richte ihre Handelspolitik zudem konsequent am Klimaschutz aus.

Dass die Koalition das Paket jetzt verabschieden konnte, ist offenbar vor allem Zugeständnissen der Grünen und der FDP zu verdanken. Die Grünen gaben ihren Widerstand gegen die Ceta-Ratifizierung auf, die jetzt Ende November im Bundestag eingeleitet werden soll, die Liberalen bewegten sich bei der Energiecharta.

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