Energiewende:Wer zuerst zuckt, hat verloren

Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck

Dass sie Kompromisse schließen müssen, wissen Finanzminister Christian Lindner (links) und Wirtschaftsminister Robert Habeck.

(Foto: IMAGO/IMAGO/Political-Moments)

Die Ampelkoalition rangelt intern um Habecks Heizungsgesetz. Für die Grünen wird die politische Auseinandersetzung nach der Schlappe bei der Wahl in Bremen noch schwieriger.

Von Claus Hulverscheidt und Henrike Roßbach, Berlin

War es am Ende nun die Bremer "Brötchentaste" oder doch Robert Habecks "Heiz-Hammer", der den Grünen bei der Bürgerschaftswahl im kleinsten Bundesland eine ordentliche Schlappe beschert hat? So ganz genau wird man das vermutlich nie herausfinden, Fakt aber ist: Die Wahlniederlage in Bremen wird die Arbeit der Grünen auch auf Bundesebene weiter deutlich erschweren - und das gleich in doppelter Hinsicht. Denn Habecks Partei wird in den kommenden Monaten eine sehr grundsätzliche und eine sehr konkrete Frage beantworten müssen.

Die grundsätzliche lautet: Wie setzt man den klimagerechten Umbau Deutschlands durch, ohne bei den Menschen ein Gefühl der dauernden Gängelei und Überforderung zu erzeugen? Sinnbildlich dafür steht der Streit um die sogenannte Brötchentaste, jene Ausnahmeregelung, die es den Bremerinnen und Bremern erlaubt, das Auto für wenige Minuten etwa vor der Bäckerei oder dem Fleischerladen abzustellen, ohne dafür zahlen zu müssen. Dass die örtlichen Grünen die Sondererlaubnis durchlöcherten, dürfte sie jede Menge Stimmen gekostet haben.

Die konkrete Frage ist die nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG), mit dem Wirtschaftsminister Habeck und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) den schrittweisen Austausch von Millionen Heizungen in deutschen Wohngebäuden anschieben wollen. Laut Kabinettsbeschluss sollen neue Heizungen von 2024 an prinzipiell zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Habeck setzt dabei vor allem auf die Wärmepumpe, will aber auch die Verwendung von Fernwärme sowie unter bestimmten Bedingungen von Solarthermie, Biomasse, Wasserstoff und klimaneutralem Gas erlauben. Eine sofortige Austauschpflicht in Bestandsgebäuden gibt es nicht, bei kaputten Heizungen soll es Übergangsfristen geben. Zudem will der Staat bis zu 50 Prozent der Umbaukosten übernehmen.

Dennoch überbieten sich Sozialverbände und Industrie, Opposition und auch die Regierungsparteien seit Wochen mit Terminverschiebungs-, Änderungs- und Verbesserungswünschen zum vermeintlichen "Heizungsverbotsgesetz". Auffallend still sind nur die Protagonisten - Habeck und Finanzminister Christian Lindner, der seine Zustimmung zum GEG im Kabinett mit einer Protokollerklärung flankierte, in der er eine "praxistaugliche und finanzierbare" Umsetzung sowie "weitere notwendige Änderungen" im parlamentarischen Verfahren verlangte.

Habeck ist zu längeren Fristen bereit, die FDP will das Gasnetz weiter nutzen

Beiden Ministern ist bewusst, dass sie am Ende Kompromisse werden schließen müssen: Habeck, weil er weiß, dass ein etwas weniger restriktives Gesetz besser ist als gar keines, und Lindner, weil er im Bundestag kaum gegen ein Vorhaben stimmen kann, das er im Kabinett gebilligt hat. Beide Seiten verharren jedoch in ihren Positionen, Motto: Wer zuerst zuckt, hat verloren. Die Grünen lehnen es nach SZ-Informationen ab, den ersten Schritt zu gehen, weil sie zunächst ein eindeutiges Signal der Liberalen wollen, dass diese das GEG grundsätzlich mittragen. Und die FDP wiederum verlangt Zugeständnisse der Grünen, die die Tür für weitere Gespräche über mehr Technologieoffenheit und längere Übergangsfristen öffnen.

Habeck hat bereits angedeutet, wie ein Kompromiss für ihn aussehen könnte. So ist er nach eigenem Bekunden zu längeren Übergangs- und Anpassungsfristen bereit, solange klar ist, dass das Gesetz wie geplant noch diesen Sommer verabschiedet wird. Er kann sich zudem eine Förderung von bis zu 80 Prozent der Umbaukosten vorstellen, bei der die Zuschüsse allerdings besteuert und damit für Besserverdiener abgeschmolzen werden.

Für FDP-Fraktionschef Christian Dürr liegen die Probleme allerdings woanders - nämlich bei Habecks Fokussierung auf die Wärmepumpe. "Die meisten Menschen können sich ihre Heizung nicht aussuchen, weil viele Haushalte bereits ans Gas- oder Fernwärmenetz angeschlossen sind. Gerade in dicht bebauten Städten bieten sich Wärmepumpen nicht an", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Entscheidend für die FDP sei, dass das bestehende, rund 500 000 Kilometer lange Gasnetz in Deutschland mit klimaneutralen Kraftstoffen weiter genutzt werden könne. "Leider hat Herr Habeck viele Fragen noch nicht beantwortet - und die Versorger, die das Ganze umsetzen müssen, haben Bedenken", so Dürr. Angesichts solcher Probleme sei für ihn "die Debatte über den Start des Gesetzes zweitrangig".

Genau das ist sie für Habeck nicht. Seine Sorge: Kommt die Reform etwa erst 2027, wie Teile der SPD das fordern, könnte sie vor dem Inkrafttreten von der nächsten Regierung gekippt werden - einer Regierung womöglich ohne die Grünen.

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