Süddeutsche Zeitung

Robert Gates in China:Rüsten gegen Amerika

China entwickelt hochmoderne Waffen, die Washingtons Vorherrschaft im Pazifik gefährden könnten - das Pentagon ist beunruhigt. Experten blicken pessimistisch auf die Zukunft der chinesisch-amerikanischen Beziehungen.

Henrik Bork, Peking

US-Verteidigungsminister Robert Gates ist besorgt über das Tempo, mit dem China sein Militär modernisiert. Gates, der sich am Montag zu einem seltenen Besuch in Peking aufhielt, räumte vor mitreisenden Journalisten ein, die USA hätten bestimmte Teile des chinesischen Modernisierungsprogramms unterschätzt.

Nur wenige Tage vor dem China-Besuch von Gates waren Berichte über Chinas Anstrengungen zum Bau eines Tarnkappen-Kampfjets im Internet aufgetaucht. Sogar Fotos des J-20 genannten Flugzeugs durften ungestraft verbreitet werden, begleitet von Berichten chinesischer Blogger über Fahrtests des Hightech-Flugzeugs auf einem Rollfeld des Instituts für Flugzeug-Design in Chengdu.

Weil solche Berichte von der chinesischen Internetzensur gewöhnlich schnell gestrichen werden, diesmal jedoch tagelang online zu besichtigen waren, spekulierten Beobachter, China habe absichtlich eine Botschaft über seine militärische Aufholjagd an Washington schicken wollen.

Der US-Verteidigungsminister zeigte sich auch durch andere chinesische Aufrüstungsprojekte beunruhigt, insbesondere den Prototyp einer neuen Anti-Schiffsrakete. Er sei über die Entwicklung dieser Rakete schon besorgt, seit er "2007 diesen Job angenommen" habe, sagte Gates während seiner China-Reise. Es handelt sich um eine auf Land stationierte ballistische Mittelstreckenrakete vom Typ Ostwind 21 D, die von Satelliten aus gesteuert amerikanische Flugzeugträger und andere Marineverbände auf hoher See angreifen könnte.

Zielt Peking auf die Amerikaner?

Amerikanische Militärbeobachter glauben, dass mehrere der sehr teueren Projekte der chinesischen Volksbefreiungsarmee auf ein erkennbares Ziel orientiert sind - die Kapazität zu erlangen, eines Tages die Bewegungsfreiheit der amerikanischen Marine im Pazifik und den Meeren in Chinas unmittelbarer Umgebung einzuschränken. Sowohl der Tarnkappenjäger, als auch die neuen Anti-Schiffswaffen der Chinesen hätten offen erkennbar die Amerikaner im Visier, verlautete aus Kreisen der Delegation von Gates.

"Wir wussten, dass sie an einem Tarnkappenjet arbeiten", zitierten amerikanische Medien den US-Verteidigungsminister aus einem Gespräch mit Journalisten, "ich glaube, wir haben gesehen, dass sie in gewisser Weise weiter vorangekommen sind, als unsere Aufklärung zuvor vorhergesagt hatte", sagte Gates.

Der US-Verteidigungsminister nutzte die chinesischen Rüstungsanstrengungen, um eine ganze Reihe eigener Rüstungsprojekte zu rechtfertigen, darunter ein neues Langstrecken-Kampfflugzeug, neue unbemannte Drohnen für die US-Marine und andere moderne Waffen. All dies könnte helfen, die Ziele der Chinesen wieder zu neutralisieren, sagten amerikanische Beamte.

Es ist erst der zweite Besuch von Gates in China - und der erste seit 2007, als er noch als Verteidigungsminister unter George W. Bush diente. Ein anderer geplanter Chinabesuch von Gates war im Juni 2010 von Peking abgesagt worden, nachdem Washington Waffenlieferungen in Höhe von 5,5 Milliarden Dollar an Taiwan angekündigt hatte.

Die kommunistische Führung Chinas hatte diese Lieferung zum Anlass genommen, den militärischen Dialog mit Washington erneut auf Eis zu legen. Erst seit kurzem, und insbesondere nun vor dem geplanten USA-Besuch des chinesischen Staats- und Parteichefs Hu Jintao am 18.Januar, sucht die chinesische Seite wieder demonstrativ das Gespräch mit den amerikanischen Streitkräften.

Es ist seit langem bekannt, dass die Volksrepublik China massiv an der Modernisierung ihrer Volksbefreiungsarmee arbeitet. Vor wenigen Wochen hatten japanische Journalisten über den angeblichen Bau des ersten chinesischen Flugzeugträgers in einer Werft bei Shanghai berichtet. Eine offizielle Bestätigung dieses Programms gibt es bislang zwar noch nicht.

Gleichzeitig wird jedoch allgemein angenommen, dass Staats- und Parteichef Hu Jintao anders als seine Vorgänger der Entwicklung einer chinesischen Flugzeugträgergruppe positiv gegenübersteht.

Pessimismus und Sorge

Auch hatte China bereits im Januar 2007 überraschend demonstriert, dass es die Fähigkeit besitzt, einen Satelliten aus dem All zu schießen. Diese Technik hatten bis dahin ebenfalls nur die USA und Russland beherrscht, eine Folge des Rüstungswettlaufs im Kalten Krieg.

Im Falle eines künftigen Konflikts, da sind sich die Militärexperten aller Länder einig, wäre die Fähigkeit zur Störung der Satelliten-Kommunikation der Gegenseite kriegsentscheidend. Parallel zu seinem ehrgeizigen Programm zur bemannten Raumfahrt versucht China auch hier, so schnell wie möglich aufzuholen.

Zusammengenommen haben all diese militärischen Trends in der Volksrepublik in Washington allmählich ein Umdenken eingeleitet, glauben gut informierte Beobachter. "Selbst Leute, die früher recht optimistisch über die amerikanisch-chinesischen Beziehungen waren, sind pessimistischer und besorgter geworden", zitierte der Sender Voice of America den amerikanischen China-Experten Andrew Erickson. China werde zunehmend als militärischer Rivale wahrgenommen.

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SZ vom 11.01.2011/mob
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