Die Samen der Rizinuspflanze sind im Internet frei erhältlich, und ebenso frei kursieren dort seit geraumer Zeit Anleitungen, wie man daraus mit herkömmlichen Küchengeräten ein Gift herstellen kann, das schon in kleinsten Dosierungen tödlich wirkt - Rizin. Islamistische Gruppen wie die Miliz "Islamischer Staat" verbreiten solche Anleitungen, und offenbar hat sich im nordrhein-westfälischen Castrop-Rauxel nun ein 32-jähriger Iraner hierfür interessiert.
Der Mann wurde in der Nacht zum Sonntag in seiner Wohnung festgenommen. Einsatzkräfte der Polizei rückten in speziellen Schutzanzügen an, sie ließen sich dabei auch von Gift-Experten des Robert-Koch-Instituts begleiten, vorsichtshalber. Die Ermittler gehen davon aus, dass ein Anschlag in Planung war. Auch von einem weiteren Giftstoff war die Rede, Zyanid, einer Blausäureverbindung.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf hat Haftbefehl gegen den 32-Jährigen sowie seinen 25-jährigen Bruder beantragt, wie die Behörde am Sonntag mitteilte. Sofern es tatsächlich einen Terrorplan gegeben hat, war er allerdings jedenfalls bei Weitem noch nicht so weit fortgeschritten wie in ähnlichen Fällen in der Vergangenheit. Im Jahr 2018 war ganz in der Nähe, in Köln-Chorweiler, die Giftwerkstatt eines Tunesiers durchsucht worden, der bereits Rizin hergestellt und in Tierversuchen damit experimentiert hatte. Der Fall damals endete mit einer Verurteilung des Tunesiers Sief Allah H. zu einer hohen Haftstrafe wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat - zehn Jahre Gefängnis.
Die Anschlagspläne seien weit fortgeschritten gewesen
Im Fall des Iraners in Castrop-Rauxel nun wurden keine Giftstoffe gefunden. Lediglich "Speichermedien" nahmen die Ermittler aus dessen Wohnung mit, wie sie erklärten, das heißt etwa Handys und Computer. Bis diese gründlich durchsucht sind, dürfte es einige Wochen dauern.
Anders als in früheren Fällen hatten die Sicherheitsbehörden sich offenbar entschieden, sehr früh zuzugreifen. Ein Tipp soll von der amerikanischen Bundespolizei FBI gekommen sein. Die Anschlagspläne seien schon weit fortgeschritten gewesen, sagte am Sonntag ein Sprecher der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft. "Konkrete" Hinweise seien am Vortag gekommen, und daraufhin hatten die Ermittler offenbar keine Zeit verloren.
Die Unterstützung aus den USA war in der Vergangenheit schon oft unerlässlich, auch im Fall des tunesischen Rizin-Herstellers Sief Allah H. im Jahr 2018 war der Tipp von dort gekommen, angeblich über den Auslandsgeheimdienst CIA. Ebenso war es im Chemnitzer Fall des syrischen Islamisten Dschaber al-Bakr gewesen. Er hatte im Jahr 2016 in seiner Wohnung 500 Gramm des Sprengstoffs TATP angemischt. Ohne die Hilfe aus den USA wäre man ihnen nicht so rasch auf die Schliche gekommen.
Während nun von den Ermittlern geprüft wird, inwiefern sich der Verdacht gegen die iranischen Brüder tatsächlich erhärtet, haben Politikerinnen und Politiker den Fall zum Anlass genommen, an die fortbestehende Gefahr islamistischer Anschläge in Deutschland zu erinnern. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, die Behörden ermittelten "jetzt mit Hochdruck". Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kommentierte: "Seit dem Jahr 2000 haben unsere Sicherheitsbehörden in Deutschland 21 islamistische Anschläge verhindert."