Süddeutsche Zeitung

Berlin-Friedrichshain:Gericht erlaubt umstrittene Brandschutzprüfung am besetzten Haus "Rigaer 94"

Zuvor eskaliert die Lage in Friedrichshain. Sympathisanten der Hausbesetzung reagieren mit Steinwürfen und brennenden Barrikaden auf eine Sperrzone der Polizei. Es gibt Verletzte.

Das Oberveraltungsgericht Berlin-Brandenburg hat eine umstrittene Brandschutzprüfung in dem besetzten Haus "Rigaer Straße 94" genehmigt - allerdings mit einigen Einschränkungen. Bewohner des Hauses hatten versucht, die Begehung durch eine Brandschutzfirma mit einem Eilantrag zu verhindern. Am Dienstag hatte bereits das Verwaltungsgericht entschieden, die Brandschutzprüfung sei zulässig und nicht zu beanstanden. Die Bewohner werfen dem Eigentümer und der Polizei vor, das Haus stürmen und die Einrichtung zerstören zu wollen, um es dann für "unbewohnbar" zu erklären und räumen zu lassen.

Der seit langem schwelende Konflikt ist am Mittwoch eskaliert, Unterstützer der Bewohner des besetzten Hauses in Berlin-Friedrichshain haben Barrikaden errichtet und angezündet, bevor die Polizei eine Sperrzone einrichtete. Diese rückte daraufhin mit einem Räumpanzer und einem Wasserwerfer vor. Auch ein Hubschrauber war im Einsatz.

Polizei und Feuerwehr seien an der Arbeit behindert, "angegriffen" und "mit Steinen beworfen" worden, schrieb die Polizei auf Twitter. Sie schätzt, dass etwa 200 Vermummte von Dächern und der Straße aus die Einsatzkräfte angriffen. Ihnen gegenüber hätten am Mittwochnachmittag etwa 200 Polizisten gestanden. Unter ihnen gebe es laut Polizei 60 Verletzte.

Im Internet schrieben die Sympathisanten der linksextremen Hausbesetzung: "Die Verteidigung der Rigaer94 hat begonnen." Und weiter: "In dieser Minute wird die Straße verbarrikadiert und eine autonome Zone eingerichtet, um die Rote Zone des Senats zu verhindern. Kommt schnell vorbei."

Die teilweise brennenden Barrikaden, vor allem an der Kreuzung mit der Liebigstraße sowie an der Einmündung der Zellestraße, bestanden aus Müll, Fahrrädern, Absperrgittern und Stacheldraht. Zudem flogen Böller durch die Luft und explodierten in der Rigaer Straße, die vor dem verbarrikadierten Haus zeitweise in Rauchschwaden gehüllt war. Am Nachmittag kontrollierte die Polizei die umliegenden Dächer, um sicherzugehen, dass von dort keine gelagerten Steine herabfallen.

Hintergrund ist eine umstrittene Brandschutzprüfung

Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat angesichts der Auseinandersetzungen seine Teilnahme an der Innenministerkonferenz am Mittwoch abgesagt. "Wer Autoreifen anzündet, kämpft nicht für linke Freiräume, sondern drangsaliert den eigenen Kiez", zitiert ihn seine Verwaltung bei Twitter. Eine "Lex Rigaer Straße" gebe es grundsätzlich nicht. Straftaten würden konsequent verfolgt und Gerichtsentscheidungen durchgesetzt.

Die linksextremen Bewohner und ihre Unterstützer hatten seit Längerem heftigen Widerstand gegen eine Brandschutzprüfung durch Eigentümervertreter am Donnerstag angekündigt. Die Polizei hatte sich auf einen großen Einsatz vorbereitet und beschloss von Mittwochnachmittag bis Freitagabend eine Sperrzone samt Demonstrationsverbot. Zugang zum abgesperrten Bereich haben nur Anwohner.

Die anstehende, umstrittene Brandschutzprüfung im besetzten Haus soll am Donnerstagmorgen ab etwa 8 Uhr beginnen. Die Uhrzeit ließ der Hauseigentümer am Mittwoch durch einen Anwalt verlauten. Erwartet würden ein offizieller Brandschutzprüfer, Anwälte sowie ein weiterer vom Eigentümer beauftragter Brandschutz-Sachverständiger. Auch Rechtsanwälte der Hausbewohner sollten vor Ort sein - dies allerdings untersagte das Oberverwaltungsgericht nun und hob damit die Entscheidung des Verwaltungsgericht in Teilen auf. Zutritt müssen dem Gericht zufolge aber die amtlichen Kontrolleure erhalten.

Das Haus soll zahlreiche Brandschutzmängel haben

Innensenator Geisel hatte wiederholt betont, es gehe nicht um eine Räumung. Das Verwaltungsgericht urteilte, dass es Brandgefahren gebe und die Prüfung im Interesse der öffentlichen Sicherheit liege, was höher zu bewerten sei als der Wunsch der Bewohner, von der Brandschutzbegehung verschont zu bleiben.

In dem Gebäudekomplex aus Vorderhaus, Seitenflügel und Hinterhaus wurden vor Jahren zahlreiche Mängel beim Brandschutz dokumentiert: fehlende Fluchtwege, Wanddurchbrüche, falsch verlegte Stromleitungen und Sperren in Treppenhäusern. Die "Rigaer 94" gilt als eines der letzten Symbole der linksextremen Szene in Berlin. In das Gebäude ziehen sich auch Gewalttäter nach Angriffen auf Polizisten auf der Straße immer wieder zurück. Für die meisten Wohnungen gibt es zwar Mietverträge. Unklar ist aber, wer dort wohnt. Dem Hausbesitzer, der Polizei und den zuständigen Behörden wird der Zutritt verweigert.

Am Montagnachmittag wurden bereits sieben Autos in Berlin-Marzahn angezündet. Ein Zeuge sah "etwa sieben bis acht" vermummte Menschen, die auf Fahrrädern flohen. Ein Teil der Autos gehörte zu einer Firma, die sich mit Brandschutz beschäftigt. Ein Experte dieser Firma wird bei der Begehung am Donnerstag begleitend dabei sein. Vor einer Woche bewarfen unbekannte Täter Feuerwehrleute und Polizisten nachts mit Steinen. Verletzt wurde niemand. Fahrzeuge von Polizei und Feuerwehr wurden beschädigt. Nach dem Einsatz fand die Polizei mehr als 50 Pflastersteine auf der Straße.

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