Richtungsstreit in der Union:Dong, peng, patsch - Mappus schlägt zu

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Ministerpräsident Mappus kämpft mit Attacken auf Umweltminister Röttgen um sein Profil. Er verschärft so den Atom-Konflikt.

Michael Bauchmüller und Stefan Braun

Diesmal hat Stefan Mappus nicht mehr laut gerufen oder einfach spitz eine Bemerkung Richtung Berlin geschickt. Diesmal hat er 'brutal zugelangt', wie es einer aus der CDU-Spitze am Montag ausdrückt.

Stefan Mappus (Foto: Foto: dpa)

In Baden-Württemberg wissen sie schon länger, dass der 44-jährige Sohn eines Schuhmachers dazu in der Lage ist. In Berlin, so scheint es, müssen sie sich daran nun gewöhnen. Der erste, den es getroffen hat, ist Mappus' Parteifreund Norbert Röttgen. Dem Bundesumweltminister hat er im Streit um die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke am Montag mal eben den Rücktritt nahegelegt.

Und um seinen Äußerungen Nachdruck zu verleihen, hat Mappus der Kanzlerin gleich noch ein kleines Ultimatum gestellt. Er erwarte, so Mappus entschlossen, dass die Kanzlerin Röttgen noch am Montag in die Schranken weise. "Dong, Peng, Patsch" - heißt es in solchen Fällen in der Komiksprache. Mappus hat zugeschlagen.

Dass der neue Ministerpräsident im Südwesten noch immer um Linie und Profil kämpft, ist ein offenes Geheimnis. Dass er dabei so brachial vorgehen würde, kommt in der CDU-Spitze dennoch überraschend. Immerhin verdankt er seinen schnellen Aufstieg der Idee der Kanzlerin, seinen Vorgänger Günther Oettinger als EU-Kommissar nach Brüssel zu schicken. Damit aber mag er sich nicht mehr aufhalten. Mappus sorgt sich um die CDU, und er ist der nächste, der im Frühjahr 2011 als Christdemokrat vor die Wähler treten muss. Da kann man nach dem Debakel der CDU in Nordrhein-Westfalen schon mal nervös und laut werden.

Außerdem hat Mappus ein ganz konkretes Interesse: In seinem Bundesland steht bald die Frage an, ob vier Reaktorblöcke nun peu à peu abgeschaltet werden, einer sogar ziemlich bald. Es sei denn, sie dürfen durch eine Laufzeitverlängerung weiter am Netz bleiben. Kein deutsches Bundesland ist derart stark von der Kernkraft abhängig wie Baden-Württemberg. Deren Betreiber, der Karlsruher Energiekonzern EnBW, gilt als wichtiger Arbeitgeber. In die Landespolitik ist er bestens verdrahtet.

Mappus' Auftritt ist insofern nur in der Tonlage überraschend. Viel erstaunlicher ist es, dass er damit einen anderen Konflikt weiter anheizt, der bis in das innerste Machtzentrum von Angela Merkel reicht. Hinter dem sachlichen Konflikt, ob, und wenn ja, um wie viele Jahre die Laufzeiten verlängert werden, steht nämlich der Konflikt von zwei Männern.

Konkurrenz zwischen Pofalla und Röttgen

Beide stehen Merkel erstens in den allermeisten anderen, vor allem gesellschaftspolitischen Fragen sehr nahe, beide haben für sie zweitens schon einmal einen Bundestagswahlkampf entworfen und beide zählen drittens - jeder auf seine Weise - bis heute zu den engsten Vertrauten: Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und Bundesumweltminister Norbert Röttgen.

Doch so nah sie sich in vielen politischen Fragen sind - als Politiker sind sie seit Monaten, wenn nicht Jahren zu immer größeren Kontrahenten geworden. Die Atomdebatte ist deshalb nicht nur Ursache des Konflikts, sondern auch Katalysator, der sich zur weiteren Anheizung des Duells bestens eignet.

Der jüngsten Zuspitzung vorausgegangen war die Einlassung des Kanzleramtsministers vom Wochenende, dass es für längere Laufzeiten keine Zustimmung des Bundesrats geben müsse, weil es ihrer bei der Verkürzung durch Rot-Grün im Jahr 2002 auch nicht bedurft hätte.

"Wenn er mich vorher gefragt hätte, hätte ich ihm davon abgeraten", sagt Röttgen am Montag. Wobei er nach eigenem Bekunden überhaupt keinen Dissens zu Pofalla entdecken kann. "Eine moderate Laufzeit-Verlängerung ist mit der Auffassung von Pofalla kompatibel." Nur: Anders als Röttgen hat Pofalla keine moderate Verlängerung im Sinn. Das ist Teil des Unterschiedes zwischen beiden.

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In den letzten Wochen sorgte jede neue Äußerung zur Zukunft der Kernkraft für Ärger. Als Röttgen im Februar erstmals andeutete, mehr als acht Jahre Extra-Laufzeit könnten eine 'ganz neue sicherheitstechnische Bewertung' erfordern, schrillten vor allem bei den Wirtschaftspolitikern der Union die Alarmglocken. Als Reaktion beschloss die Fraktion, auch ein Laufzeit-Plus von 28 Jahren prüfen zu lassen.

Wenig später bedrängte Fraktionschef Volker Kauder die Kanzlerin, die neue Obergrenze in Vorbereitung auf das geplante Energiekonzept zumindest durchrechnen zu lassen. Merkel willigte ein, Pofalla auch. Röttgen fügte sich. Der wahre Konflikt, so hieß es damals aus seinem Ministerium, komme ohnehin erst, wenn konkrete Zahlen auf dem Tisch lägen. Das ist frühestens im Sommer der Fall.

So bleibt Zeit für weitere Spiegelfechtereien. Mappus verlangt von seinem Parteifreund Röttgen mehr Teamgeist - und verhält sich selbst wie ein Tennisspieler im Herren-Einzel. Röttgen fordert, die Frage der Bundesrats-Beteiligung nicht zu politisieren - und macht das selber.

Für die Kanzlerin wird die Lage unbequem. Längst verquickt sich das Atomthema mit dem Konflikt zwischen Konservativen und Modernisierern. Die Mappus'sche Rhetorik macht da keine Ausnahme. "Der versucht, sich als Ober-Konservativer zu etablieren", sagt einer in der Unionsführung. Es wird Zeit, dass sich die Parteichefin äußert.

© SZ vom 18.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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