Richtungsstreit bei den britischen Konservativen:Sind die Tories noch rechts genug?

Es läuft derzeit gut für David Cameron: Die britischen Konservativen glänzen mit guten Umfragewerten, während die anderen Parteien mit sich selbst beschäftigt sind. Doch auf dem bevorstehenden Parteitag droht den Tories ein Richtungsstreit - viele Mitglieder würden die Partei gerne weiter rechts sehen.

Christian Zaschke, London

Es waren zwei gute Wochen für den britischen Premierminister David Cameron. In großer Gelassenheit konnte er die Parteitage von Liberaldemokraten und Labour-Partei verfolgen. Beide hatten so sehr mit sich selbst zu tun, dass sie keine nennenswerten Angriffe auf die Regierung starten konnten. Die LibDems fragten sich, ob ihre Werte in der Koalitionsregierung mit Camerons Konservativen nicht verwässern, Labour war damit beschäftigt, sich für Fehler der Regierungen unter Tony Blair und Gordon Brown zu entschuldigen und eher grundsätzlich darzulegen, wofür man derzeit eigentlich stehe.

Richtungsstreit bei den britischen Konservativen: David Cameron beim Besuch eines Fussballspiels mit seinem Sohn Arthur: Der britische Premierminister wirkt entspannt dieser Tage angesichts guter Umfragewerte.

David Cameron beim Besuch eines Fussballspiels mit seinem Sohn Arthur: Der britische Premierminister wirkt entspannt dieser Tage angesichts guter Umfragewerte.

(Foto: AP)

Cameron hingegen nahm erfreut zur Kenntnis, dass seine Partei laut Umfragen stärkste politische Kraft im Land ist - und das, obwohl zu befürchten war, die Haushaltskürzungen würden im Nachwahljahr viele Sympathien kosten. Es ist Cameron sogar gelungen, während des Labour-Parteitags den Oppositionsführer Ed Miliband in den Zeitungen kurz in den Schatten zu stellen. Fast alle Blätter druckten ein Foto, das einen lächelnden, entspannten Cameron mit seinem Sohn beim Besuch eines Fußballspiels zeigte.

Es läuft also im Wesentlichen bestens für ihn, und am Wochenende beginnt auch noch der Parteitag der Konservativen in Manchester: eine Gelegenheit, dem Land zu zeigen, dass die Konservativen eben nicht mit sich selbst, sondern mit dem Regieren beschäftigt sind. Einerseits. Andererseits könnte der Parteitag zeigen, dass die Konservativen sehr wohl mit sich selbst beschäftigt sind. Denn viele Tories treibt die Frage um: Sind wir noch rechts genug?

In diesen Tagen ist ein programmatisches Buch mit dem Titel "After the coalition" erschienen, "Nach der Koalition". Darin machen sich fünf konservative Parlamentarier Gedanken über eine künftige Tory-Regierung ohne die LibDems. Das ist zum einen bemerkenswert, weil die Koalition noch bis zur Wahl im Jahr 2015 halten soll, und zum anderen, weil darin ein Kurs deutlicher rechts von der Mitte angepeilt wird.

Co-Autorin Elizabeth Truss fordert, dass die Konservativen im 21. Jahrhundert für eine "Wiederherstellung von persönlicher Verantwortung und Initiative" stehen müssten. Gordon Browns massive Ausgaben hätten dazu geführt, dass der Sozialstaat als selbstverständlich hingenommen werde, und sie untergrüben den Unternehmergeist. Diese Diskussion passt David Cameron gerade überhaupt nicht in den Kram.

Cameron muss aufpassen

Zufrieden wird Cameron registriert haben, dass LibDem-Chef Nick Clegg in seiner Parteitagsrede den Regierungskurs unterstützte - sich also gegen Stimmen in seiner Partei wandte, denen die Tories zu dominant sind. An dieser Front hat Cameron Ruhe.

Umfragen zeigen zudem, dass die Tories dank der Koalition mit den eher linken LibDems nicht mehr flächendeckend als "nasty party" gelten, als die fiese Partei. Es gibt also derzeit keinen Grund für Cameron, die Partei noch weiter nach rechts zu rücken - aber es könnte sein, dass er sich der Diskussion darüber trotzdem nicht entziehen kann.

Sie wird ja bereits geführt. Im eher konservativen Daily Telegraph hat der Abgeordnete Nick Boles Position bezogen. Er steht Cameron nahe. Die fünf Kollegen, die hinter dem Buch stehen, nennt er "fünf der talentiertesten neuen Abgeordneten", unter ihnen sei vielleicht gar der Premierminister der Zukunft. Ihr Buch sei "reich an prinzipiellen Argumenten" und voller "mutiger Ideen" - doch leider denke es so gar nicht an die Wähler. Das ist sanft und freundlich formuliert, aber natürlich eine fundamentale Beleidigung. Wenn Cameron nicht aufpasst, hat er bald einen Richtungsstreit im Haus, der hässlich werden könnte.

Boles führt aus, dass Wahlen bekanntlich in der Mitte gewonnen würden, und er merkt genüsslich an, dass der vormalige Labour-Premier Tony Blair deshalb so erfolgreich war, weil er als leicht rechts von der Mitte wahrgenommen wurde. Genau dort würde Boles die Konservativen unter Cameron gerne sehen: "Nur wenn wir zeigen, dass wir auf der Seite der einfachen Leute sind, werden wir wieder eine wahrhaft nationale Partei."

Laut einer der vielen Umfragen, die in Großbritannien fortwährend veröffentlicht werden, glauben allerdings nur 27 Prozent der Briten, dass die Tories "auf der Seite der einfachen Leute" stehen. Darüber dürfte David Cameron in Manchester viel lieber sprechen wollen als über einen Ruck nach rechts.

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