Richter kritisiert Internationalen Strafgerichtshof:"Wie ein argentinischer Großgrundbesitzer"

Klartext von Hans-Peter Kaul: Der deutsche Richter am Internationalen Strafgerichtshof kritisiert zum zehnjährigen Jubiläum des Gerichts den bisherigen Chefankläger - auch UN-Sicherheitsrat und Bundesregierung bekommen ihr Fett ab.

Attacke unter Juristen: Hans-Peter Kaul, der deutsche Richter am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, rechnet mit Luis Moreno Ocampo ab. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung sagte Kaul, der langjährige Haager Chefankläger habe sein Büro geführt "wie ein argentinischer Großgrundbesitzer".

Der Chefankläger, dessen Amtszeit im Juni ausgelaufen ist, habe es an Professionalität fehlen lassen. "Wir Richter haben oft feststellen müssen, dass er uns problematische Zeugen präsentierte, die nichts beitragen konnten, die nichts wussten", sagte Kaul. Auch die juristische Argumentation des Anklägers sei "oft dürftig" gewesen, kritisierte der deutsche Richter.

Kaul, 68, ist seit den Anfangstagen des Weltstrafgerichts im Jahr 2002 im Amt. Als Richter der Vorverfahrenskammer ist er für sämtliche Fälle verantwortlich, die vor den Gerichtshof kommen. Zuletzt hatten die Haager Richter mehrfach Verfahren gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher eingestellt, weil die Beweise nicht überzeugend seien. So war etwa der ruandische Milizenführer Callixte Mbarushimana aus der Haager Haft freigelassen worden. Kaul äußerte nun die Hoffnung, dass die neue Chefanklägerin, die Gambierin Fatou Bensouda, den Apparat "umkrempeln" werde.

Mit Blick auf den UN-Sicherheitsrat kritisierte der deutsche Richter, dass der Fall des syrischen Diktators Baschar al-Assad bislang nicht an das Haager Weltstrafgericht überwiesen wurde - anders als zuvor der Fall des früheren libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi 2011. "Der Sicherheitsrat schaltet das Gericht ein oder nicht ein, je nach Interessenlage, wie es ihm gerade passt."

Abgekühltes Verhältnis zu Berlin

Die politische Rückendeckung durch die Bundesregierung habe zuletzt stark nachgelassen, sagte Kaul, der früher selbst dem deutschen Auswärtigen Amt diente. Während Berlin anfangs fest hinter der Haager Justiz gestanden habe, sei die Haltung inzwischen "kälter, ambivalenter" geworden. Kaul kritisierte die Absicht der Bundesregierung, den Etat des Weltstrafgerichts im kommenden Jahr um zehn Prozent zu verringern - zu einer Zeit, da in Den Haag mehr Fälle bearbeitet würden denn je.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag wurde am 1. Juli 2002 eröffnet. Er ist seither zuständig für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord und führt dazu Ermittlungen in 14 Staaten. 121 Staaten sind dem Statut des Gerichtshofs bislang beigetreten.

Lesen Sie das vollständige Interview mit Hans-Peter Kaul in der Süddeutschen Zeitung vom 28. Juni 2012.

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