Rhetorische Panne im TV-Duell:Romney steckt Frauen in den Aktenordner

Er hat es wieder getan. Mitt Romney will sich als Vorkämpfer für Geschlechtergerechtigkeit präsentieren - und spricht im TV-Duell von "Aktenordnern voller Frauen". Wieder ist es der Republikaner, der ein Internet-Mem schafft und damit "Big Bird" ablöst. Bitter für Romney: Gerade hatten die so umworbenen weiblichen Wähler begonnen, ihn zu mögen.

Michael König

Mitt Romney und der "Aktenordner voller Frauen"

Mitt Romney und der "Aktenordner voller Frauen": Kurz nach dem rhetorischen Patzer des Republikaners kursierten zahlreiche Persiflagen im Netz.

(Foto: bindersfullofwomen.tumblr.com)

Was folgt auf Big Bird, den großen gelben Vogel aus der Sesamstraße? Der war im Netz gefeiert worden, nachdem Mitt Romney im ersten TV-Duell gegen Barack Obama vor zwei Wochen gesagt hatte, er wolle dem Sesamstraßen-Sender PBS die Zuschüsse kürzen.

Am Mittwoch trafen sich der Republikaner und der US-Präsident erneut zum Schlagabtausch vor laufenden Kameras - und wieder lieferte Mitt Romney bei Twitter das Hashtag des Abends: "Binders full of women", ein Aktenordner voller Frauen, war dort einer der meistdiskutierten Begriffe. Das nächste Mem - so werden Internet-Phänomene genannt - war geboren. Binnen Minuten tauchte ein Tumblr-Blog mit mehr oder minder lustigen Fotos von Frauen in Aktenordnern auf, eine entsprechende Facebook-Seite hatte schnell mehr als 150.000 Anhänger.

Der Aktenordner könnte Romney noch eine Weile verfolgen. Er steht sinnbildlich für ein großes Problem des Republikaners: Er droht die Wahl wegen der Frauen zu verlieren. Dabei gab ihm das TV-Duell in Hempstead durchaus die Chance, bei der weiblichen Wählerschaft zu punkten. Anders als bei der Erstauflage durften diesmal ausgewählte Zuschauer den Kandidaten Fragen stellen. So auch Katherine Fenton, die wissen wollte, wie Obama und Romney eine Gleichstellung der Geschlechter in der Wirtschaft herstellen wollen. Schließlich erhielten Frauen lediglich 72 Prozent des männlichen Lohns.

Der Mensch als Büromaterial

"Ein wichtiges Thema und eines, über das ich sehr viel gelernt habe", leitete Romney seine Antwort ein. Als Gouverneur von Massachusetts habe er Frauen in sein Kabinett holen wollen, doch es habe nur männliche Bewerber gegeben. "Also haben wir Anstrengungen unternommen, um geeignete Frauen zu finden. Ich bin zu einigen Frauenrechtsgruppen (women's groups) gegangen und habe sie um Hilfe gebeten, und sie brachten uns ganze Aktenordner voller Frauen."

Damit war das Zitat in der Welt. Und es ließ sich kaum mehr einfangen. Der vom Mem-Thron gestoßene (falsche) Big Bird schrieb bei Twitter in Anspielung auf die ungleiche Bezahlung von Frauen: "Ungerechtigkeit. Aktenordner voller Frauen werden bei Staples (einer Einzelhandelskette für Bürobedarf; Anm. d. Red.) für 77 Cent verkauft. Aktenordner voller Männer für einen Dollar." Schauspieler Zach Braff, bekannt aus der TV-Serie "Scrubs", schrieb: "Ich nehme aus der Debatte hauptsächlich mit, dass ich einen Aktenordner voller Frauen brauche." Und Playboy-Gründer Hugh Hefner wurde in den Mund gelegt: "Aktenordner voller Frauen? Davon habe ich Hunderte."

Mitt Romney "binders full of women"

Aktenordner voller Frauen? Davon hat Playboy-Gründer Hugh Hefner Hunderte! Auch diese Collage schaffte es in den Binder-Tumblr.

(Foto: bindersfullofwomen.tumblr.com)

Die Wucht war auch deshalb so groß, weil sie das Bild bestätigt, das die Demokraten seit Beginn des Wahlkampfes von Romney zeichnen: Der Republikaner als kapitalmaximierende Heuschrecke, als Technokrat, der Menschen wie Büromaterial behandelt.

Hinzu kam das Argument der Obama-Kampagne, ein Wahlsieg Romneys wäre ein Rückschritt für die Frauenrechte. Die Hollywood-Schauspielerinnen Scarlett Johansson und Eva Longoria rufen in einem TV-Spot Frauen dazu auf, Obama ihre Stimme zu geben, weil Romney gegen Abtreibung sei und Vergewaltigungen bagatellisiere.

Moderatorin Crowley entlarvt Romneys Falschaussage

Tatsächlich gibt Romney derzeit an, keine Abtreibungsgesetze vorantreiben zu wollen. Als Gouverneur von Massachusetts hatte er gesagt, er sei persönlich gegen Abtreibung, wolle anderen aber nicht seine Sichtweise aufzwingen. Der erzkonservative Flügel der Republikaner ist gegen Abtreibungen. Ihr Senatskandidat Todd Akin hatte den Wahlkampf gestört, als er die krude Theorie aufstellte, im Falle einer Vergewaltigung würde eine Frau nicht schwanger, weil ein körpereigener Abwehrmechanismus sie davor schütze.

Romney distanzierte sich von Akin und versuchte mit Worten und Bildern, seinen Ruf zu korrigieren: Beim traditionellen Familienurlaub achtete der Kandidat darauf, dass nicht er, sondern seine Frau Ann vorne auf dem Jetski sitzt. Zuletzt rührte Ann Romney medienwirksam für ihren Mann im Kochtopf.

Nach dem ersten TV-Duell sah es tatsächlich so aus, als hätte die Kampagne Erfolg: Zum Entsetzen der Obama-Berater zog Romney in Umfragen bei weiblichen Wählern gleich, die Institute Gallup und Pew sahen beide Kontrahenten gleichauf.

Zum Vergleich: Bei der Wahl 2008 gaben 56 der Frauen an, Obama gewählt zu haben, nur 43 Prozent zogen den republikanischen Kandidaten McCain vor. Es war auch dieser Vorsprung, der für den deutlichen Wahlsieg des Demokraten verantwortlich gemacht wurde.

Falsche Aussage zum Anschlag in Bengasi

Romney muss nun fürchten, die Aufholjagd durch seinen Auftritt vermasselt zu haben. Es war ja nicht nur der Aktenordner. Auch dass sich der Republikaner mehrmals mit der CNN-Moderatorin Candy Crowley anlegte, dürfte bei vielen weiblichen Zuschauern nicht gut angekommen sein.

Crowley fügte Romney auch die größte Schmach des TV-Duells zu, als sie ihn der Falschaussage überführte. Der Republikaner hatte behauptet, Obama habe nach dem Anschlag auf die US-Vertretung im libyschen Bengasi nicht von Terror gesprochen. In Wirklichkeit hatte Obama bereits in seiner ersten Stellungnahme von einem terroristischen Akt gesprochen. Das Publikum spendete Crowley für ihre Aufmerksamkeit Applaus, was im Townhall Meeting eigentlich verboten ist. (Hier das Duell zum Nachlesen im SZ-Liveblog.)

Eine Chance zur Wiedergutmachung hat Romney am kommenden Montag, wenn es in Florida zum dritten und finalen TV-Duell kommt. Der Moderator ist dann wieder ein Mann: Bob Schieffer vom Sender CBS.

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