Rheinland-Pfalz:Schnell, unkompliziert, rechtswidrig

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Seit 2011 ist die Grüne Ulrike Höfken Umweltministerin von Rheinland-Pfalz. Nun fordert die CDU ihren Rücktritt. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Im grün geführten Mainzer Umweltministerium wurden Beamte wohl über ein Jahrzehnt hinweg ohne Ausschreibungen und Leistungsbewertungen befördert. Die SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer schweigt bislang zu der Affäre, für ihren CDU-Herausforderer Christian Baldauf scheint das ein Wahlkampf-Geschenk zu sein. Doch auch für ihn bleibt die Lage kompliziert.

Von Matthias Drobinski, Frankfurt

Fast drei Monate hatte es gedauert, bis Ulrike Höfken sich erklärte. Ja, die Beförderungspraxis in ihrem Ministerium sei falsch gewesen, sagte die Umweltministerin der Grünen am 11. November im rheinland-pfälzischen Landtag in Mainz. Sie wolle ihr "persönliches Bedauern über die begangenen Fehler" ausdrücken. Man habe die Praxis nun geändert. Vor allem aber, so betonte die Ministerin, seien "Beamtinnen und Beamte im Umweltministerium stets nach ihrer Leistung befördert worden."

Das rheinland-pfälzische Oberverwaltungsgericht hatte das Ende August anders gesehen. Es gab einer Beamtin aus Höfkens Ministerium recht, die gegen ihre Nichtbeförderung geklagt hatte. Die Richter sprachen von einem "von Willkür geprägten System", das "Gutsherrenart und Günstlingswirtschaft" ermögliche. Beförderungen seien ohne Ausschreibungen und Leistungsbewertungen erfolgt. Dies unterlaufe das Gebot der Bestenauslese, so die Richter.

Es wurde noch schlimmer für Höfken. Auf Anfrage des SWR hin musste das seit 2011 von ihr geführte Ministerium eingestehen, dass in dieser Zeit bei 160 bei 248 Beförderungen auf eine Beurteilung verzichtet worden sei, seit 2017 sogar in 85 von 95 Fällen - und das, obwohl schon 2014 ein Gericht diese Praxis gerügt hatte. Für die Oppositionsparteien CDU, Linke und AfD ist seitdem klar: Das war nicht Bequemlichkeit - das war grüner Filz.

Am Wochenende forderte Christian Baldauf, der CDU-Fraktionsvorsitzende, den Rücktritt von Höfken und ihrem Staatssekretär Thomas Griese (Grüne). Für Baldauf ist die Affäre ein Geschenk: Am 14. März 2021 ist Landtagswahl, der wenig bekannte CDU-Spitzenkandidat tritt gegen die SPD-Ministerpräsidentin und Corona-Krisenmanagerin Malu Dreyer an, deren Beliebtheitswerte übermächtig wären - wären da nicht ihre Partei, die SPD, und die Koalition mit Grünen und FDP, an der der beginnende Wahlkampf nagt.

Dreyer hat noch nichts zu den Rücktrittsforderungen an Höfken gesagt. Lediglich ihre Sprecherin erklärte, die Ministerpräsidentin sei nicht die Dienstvorgesetzte der Ministerin. Das steht so in der Landesverfassung; dort steht aber auch, dass die Ministerpräsidentin die Minister "ernennt und entlässt".

Es spricht trotzdem einiges dafür, dass Höfken bleibt. SPD, FDP und Grüne haben nur eine Stimme Mehrheit; Ärger mit den Grünen könnte das Bündnis vorzeitig sprengen. Nun muss die Umweltpartei entscheiden, ob sie ihre Ministerin noch ein bisschen stützt - sie und ihr Staatssekretär werden wohl nicht weitermachen. Ein Wechsel im Amt so kurz vor der Wahl wäre jedenfalls auch keine gute Option für die Partei, die um ihren Höhenflug in den Umfragen fürchten muss.

Doch auch für die CDU bleibt es kompliziert. Sie will mit einer großen Anfrage herausfinden, ob es auch in anderen Ministerien bedenkliche Beförderungen gab. Damit könnte Baldauf Dreyer direkt unter Druck setzen. Mit den Grünen ging der Oppositionschef dagegen überraschend vorsichtig um: Es seien ja auch dort viele unzufrieden mit der Umweltministerin.

Kann sein, dass er die Grünen bald braucht - als Koalitionspartner.

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