Rheinland-Pfalz:Opposition will Justizminister anklagen

Grobe Fahrlässigkeit und ein Verfassungsverstoß: Das wirft die Opposition in Rheinland-Pfalz dem Justizminister des Landes vor. Jetzt droht ihm der Amtsverlust - zumindest theoretisch.

Marc Widmann

Die beiden Herren sind erbost. "Jetzt ist Schluss", sagt der FDP-Mann. "Das lassen wir dem Minister nicht durchgehen", verkündet der CDU-Mann direkt danach. Gemeinsam kündigten die beiden Fraktionschefs der Opposition am Mittwoch in Mainz einen außergewöhnlichen Schritt an: Sie wollen den rheinland-pfälzischen Justizminister Heinz Georg Bamberger (SPD) anklagen, sie wollen im Landtag eine sogenannte Ministeranklage beantragen, weil er die Verfassung missachtet habe bei der Besetzung eines Richterpostens. "Die Verfassung gilt für alle", sagt FDP-Fraktionschef Herbert Mertin, "auch für eine SPD mit absoluter Mehrheit."

Opposition beantragt Ministerklage gegen Bamberger

Die Opposition will gegen den rheinland-pfaelzischen Justizminister Heinz Georg Bamberger (SPD) eine Ministerklage vor dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz beantragen.

(Foto: dapd)

Es gehört zum Spektakel eines Wahlkampfs, möglichst viel Lärm zu machen. In Rheinland-Pfalz wird am 27. März gewählt, an Lärm mangelt es seit Monaten nicht. Und doch gab es eine Ministeranklage noch nie in der Geschichte des Landes, sie ist "harter Tobak", sagt Mertin. Zwei Drittel des Parlaments müssen dafür stimmen, um sie zu beschließen. Würde der Minister dann vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes für schuldig befunden, muss er entlassen werden. Doch im Mainzer Landtag hat die SPD die absolute Mehrheit, es ist daher praktisch ausgeschlossen, dass es zur Anklage kommt. Die interessantere Frage ist vielmehr, was dahinter steckt.

Es geht um einen "Verfassungsverstoß" des Justizministers. So nennt es das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil, das sich unangenehm liest für Bamberger: "Trotz Warnungen" habe er am 22. Juni 2007 den Chefposten des Koblenzer Oberlandesgerichts besetzt - und dabei einen Fehler begangen: Er ließ dem unterlegenen Bewerber, einem erfahrenen Richter mit CDU-Parteibuch, keine Zeit, gegen die Ernennung vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Obwohl der Unterlegene bereits angekündigt hatte, genau das zu wollen.

Der betroffene Richter klagte und erhielt Recht auf ganzer Linie: Die Vergabe des Postens sei rechtswidrig, befanden die Bundesrichter, man habe ihn in seinen Grundrechten verletzt. Auch die Auswahlkriterien seien "nicht aussagekräftig" gewesen. Nun muss der Justizminister die Stelle erneut ausschreiben. Es ist ein bundesweit einmaliger Fall, die Justiz in Rheinland-Pfalz ist seither in Aufruhr - und die Opposition erregt sich vor allem darüber, dass der Minister keinen Fehler seinerseits erkennen will, zurücktreten schon gar nicht.

"Grob fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich"

"Das grenzt an politischen Autismus", sagt FDP-Mann Mertin, immerhin Bambergers Vorgänger als Justizminister, "er will offensichtlich nicht wahrhaben, was das Gericht schrieb." Dann zitiert er aus dem Urteil. Da heißt es, "dem Justizminister musste zum Zeitpunkt der Ernennung bekannt sein, dass er die Ernennung noch nicht vornehmen durfte". Für den FDP-Spitzenkandidaten lässt diese Formulierung nur einen Schluss zu: "Mindestens grob fahrlässig, wenn nicht gar vorsätzlich" habe der Justizminister gehandelt. Und das solle er zumindest einräumen, verlangen Mertin und sein CDU-Kollege Christian Baldauf, am besten aber sollte er zurücktreten.

Herbert Mertin

Er will, dass Justizminister Georg Bamberger sein angebliches Fehlverhalten zugibt: der rheinland-pfälzische FDP-Fraktionschef Herbert Mertin

(Foto: dpa)

Der so Angegriffene jedoch denkt gar nicht daran. Er ist sich der Rückendeckung von Regierungschef Kurt Beck (SPD) gewiss, der keinesfalls mitten im Wahlkampf einen Minister verlieren will. Auf einem SPD-Parteitag im vergangenen Jahr gab es für Bamberger demonstrativ langen Applaus. Ein Misstrauensvotum im Landtag überstand er, weil die SPD geschlossen für ihren Minister stimmte. Folglich bringt ihn auch die Androhung der Ministeranklage kaum aus der Ruhe. Sie sei "offensichtlich dem bevorstehenden Wahltermin geschuldet", teilte er am Mittwoch mit. Von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit könne keine Rede sein, das erkenne man schon daran, dass zwei Gerichte in Rheinland-Pfalz seine Besetzung bestätigt hätten, ehe er die Ernennungsurkunde übergab.

Auch wenn Bamberger im Landtag wenig zu befürchten hat, bleibt die Affäre doch äußerst unangenehm für seine Partei. Schon seit Monaten müssen sich die Sozialdemokraten gegen Vorwürfe der Opposition verteidigen, der SPD habe die absolute Mehrheit nicht gut getan. Es ist ein harter Wahlkampf im einst beschaulichen Rheinland-Pfalz, der auch in den nächsten Wochen hart bleiben wird. Und der Name Bamberger dürfte dabei immer wieder fallen.

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