Rheinland-Pfalz:Ohne Pauken

Parteitag CDU Rheinland-Pfalz

Die Favoritin: CDU-Spitzenfrau Julia Klöckner hat gute Chancen, die nächste Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz zu werden.

(Foto: Thomas Frey/dpa)

Julia Klöckner (CDU) startet ihren Wahlkampf - loyal zur Kanzlerin, aber hart zu Flüchtlingen. Diese will sie zur Integration verpflichten.

Von Susanne Höll, Koblenz

Julia Klöckner, man kann es nicht anders sagen, hat enttäuscht. Jedenfalls all jene, die an diesem nasskalten Samstag in Koblenz eine aufpeitschende Rede gegen Sozis und Grüne erwartet hatten. Schließlich wird in Rheinland-Pfalz in dreieinhalb Monaten der Landtag gewählt. Seit 25 Jahren ist die CDU in der Opposition, vornehmlich aus eigener Schuld. Mit Kabalen, Affären und Bruderkämpfen machte sie sich ein Vierteljahrhundert lang politisch unmöglich. Klöckner bereitete dem Elend ein Ende.

Die 42-Jährige hat beste Aussichten, neue Ministerpräsidentin in Mainz zu werden. Da könnte man doch mal auf die große Pauke hauen, die Christdemokraten an Rhein und Mosel dürsten nach Revanche. Dennoch lässt es Klöckner nicht sonderlich krachen. Aus gutem Grund. Sie muss ihre Partei zusammenhalten, im Ringen um die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin. Natürlich hegen auch Unionisten und deren Wähler hierzulande die Sorge, Angela Merkel überfordere mit ihrem Kurs Land und Leute. Das öffentliche Ansehen der Kanzlerin leidet. Klöckner ist eine Mitstreiterin Merkels. Aber sie möchte vermeiden, in einen Abwärtssog gezogen zu werden. Was also tun? Am besten den Eindruck erwecken, sie als Ministerpräsidentin werde die Sache schon irgendwie im Griff haben.

Im schlichten braunen Hosenanzug steht die CDU-Vorsitzende in der Mitte der Koblenzer Halle, um sie herum sitzen die Delegierten, kein Schnickschnack, der einzige Farbtupfer ist ein eigentümliches Blumengesteck in Grün-Orange. Die Zeiten sind ernst. "Die Welt ist aus den Fugen", sagt Klöckner. Und erzählt, in großer Loyalität zu Merkel, warum aus ihrer Sicht nicht die Kanzlerin und die Bundesregierung für die Flüchtlingskrise verantwortlich seien, sondern die rot-grüne Landesregierung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).

Die Regierung schöbe abgelehnte Asylbewerber nicht ab, boykottiere Schritte zur Begrenzung des Zuzugs und habe keinen "Masterplan". Die Leute applaudieren. Klöckner wirbt, wie könnte es anders sein, abermals für ein Burka-Verbot und das von ihr für den CDU-Bundesparteitag ersonnene "Integrationspflichtgesetz", mit dem Zuwanderer auf das Grundgesetz eingeschworen werden sollen. Migranten sollen sich verpflichten, unter anderem die Gleichberechtigung von Mann und Frau und den Vorrang der deutschen Gesetze vor dem islamischen Rechtssystem, der Scharia, anzuerkennen. Was eine solche Regelung bewirken kann, weiß im Saal niemand genau zu sagen. Egal, Hauptsache man ist sich einig. Mit fast 100 Prozent wird Julia Klöckner zur Spitzenkandidatin für die Wahl am 13. März bestimmt.

Mit der Winzertochter an der Spitze dürfte die CDU in gut 100 Tagen stärkste Partei werden, das erscheint fast sicher. Aber eine absolute Mehrheit, von der manche noch im Frühsommer träumten, ist unwahrscheinlich. Mit wem also würde die Union regieren? Gern mit der FDP, die zuletzt aus dem Landtag geflogen ist. Ob sie diesmal die Fünf-Prozent-Hürde überspringt, ist aber fraglich. Man hört wenig von den Liberalen, kein Wunder, sie haben kaum Geld und kaum Leute.

Zieht die AfD in den Landtag von Rheinland-Pfalz ein, wäre Rot-Grün fast ausgeschlossen

Die Grünen, derzeit noch in fester Partnerschaft mit den Sozialdemokraten, lassen ihrerseits kaum ein gutes Haar an Klöckner und ihrer Partei. Umgekehrt ist es nicht sonderlich besser. Genauso war es vor nicht allzu langer Zeit allerdings auch in Hessen. Und nun regieren Grüne und Schwarze in Wiesbaden schon seit knapp zwei Jahren in überraschend großer Eintracht.

Von den Klein-Parteien hat vor allem die AfD gute Aussichten, künftig im Landtag zu sitzen. Zieht sie dort ein, ist aus rechnerischen Gründen eine Neuauflage von Rot-Grün so gut wie ausgeschlossen. Das wäre schmerzlich für die Sozialdemokraten und insbesondere für die nach wie vor sehr beliebte Malu Dreyer, die der zuletzt glücklose und kränkelnde Kurt Beck 2013 zu seiner Nachfolgerin kürte und die so gern selbst eine Wahl gewinnen würde. Realisten in der SPD zweifeln kaum noch daran, dass die Rechtspopulisten nächstes Jahr ins Parlament kommen. Der Kampf gegen die AfD ist deshalb ein erklärtes Wahlziel - es eint die Sozialdemokraten in dieser schwierigen Auseinandersetzung.

Klöckner hingegen würde, wie sie sagt, am liebsten überhaupt nicht über diese selbst ernannte Alternative reden. Das mache diese Partei nur stark. Wahr aber ist, dass der Einzug der AfD ihr das Ministerpräsidentinnen-Amt garantieren könnte. Vernünftigerweise wird sie mit der AfD keinesfalls koalieren. Womöglich aber mit den Sozialdemokraten als Juniorpartner, wenn es rechnerisch nicht anders geht. In der SPD fürchtet man eine solche Lage. Offiziell wird darüber natürlich nicht geredet: Wer keinerlei Zuversicht zeigt, steht einen unangenehmen Winterwahlkampf nicht durch. Aber schon jetzt denken auch führende Sozialdemokraten darüber nach, ob die Partei für eine solche Konstellation überhaupt gewappnet wäre. Ähnliche Fragen gibt es auch in der CDU. Wie, bitte schön, solle man mit Leuten einen Koalitionsvertrag aushandeln, mit denen man die letzten fünf Jahre kaum ein persönliches Wort gesprochen habe, sinnierte unlängst ein Gefolgsmann von Julia Klöckner.

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