Landtagswahl in Rheinland-Pfalz:Lebhafte Elefantenrunde

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Das Moderatoren-Duo Sascha Becker und Daniela Schick (hinten) mit den sieben Kandidatinnen und Kanidaten der Elefantenrunde. (Foto: Kristina Schäfer/dpa)

Eine ganze Herde an Kandidatinnen und Kandidaten versammelt sich vor der Landtagswahl zum Interview in Mainz. Ministerpräsidentin Dreyer gibt sich staatstragend, Herausforderer Baldauf kämpferisch.

Von Matthias Drobinski, Frankfurt

Elefantenrunde heißt die Veranstaltung im Fernsehjargon. Am Donnerstagabend vor der Wahl reden die Wichtigen, die Schwergewichte, die Frauen und Männer an der Spitze ihrer Parteien: Wählt uns und nicht die anderen! Im Mainzer Lokschuppen treten an diesem Abend an: drei Frauen aus der bisherigen Regierung - Anne Spiegel von den Grünen, Daniela Schmitt von der FDP, Malu Dreyer von der SPD. Zwei Männer von der Opposition: Christian Baldauf, CDU; Michael Frisch, AfD. Ein Mann und eine Frau, die gerne im Landtag wären: Melanie Wery-Sims von den Linken und Joachim Streit, Freie Wähler.

Eine ganze Elefantenherde, da wird es eng an der Tränke, wo das Wasser der Redezeit und Aufmerksamkeit fließt. Viel Arbeit für Daniela Schick und Sascha Becker, die 90 Minuten so zu moderieren, dass jeder seinen Schluck bekommt und alle Themen abgearbeitet werden. Bildung, Klimawandel, die Brücke übers Mittelrheintal, der Skandal um Beförderungen im Umwelt- und im Wirtschaftsministerium, kommunale Finanzen. Und: Corona. Corona. Corona. Viel Tiefe geht da nicht.

Und trotzdem wird es lebhaft an diesem Abend, manchmal geradezu emotional, mit wechselnden Bündnissen, und am Ende hat sich schon gezeigt, wo welche Partei steht. Gleich zu Beginn attackiert der AfD-Mann Michael Frisch Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Sie sei verantwortlich für die Corona-Toten in den Altenheimen. Bevor Dreyer antworten kann, hat sich ihr Herausforderer Christian Baldauf das Mikrofon geschnappt und fährt Frisch an: Er, Baldauf, habe seinen Vater an Covid-19 verloren, aber er käme nie auf die Idee, dafür die Politik verantwortlich zu machen. Niemand habe eine Blaupause gehabt in der Pandemie.

Was Baldauf natürlich nicht hindert, die Ministerpräsidentin zu attackieren, heftiger sogar als sechs Tage zuvor beim direkten Duell. Die Masken-Affäre? Ja, da gebe es Menschen, "die keinen Anstand haben und Verwerfliches tun". Aber ist nicht auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Marcus Held wegen Korruption angeklagt? Und was ist mit den Beförderungen im Umwelt- und im Wirtschaftsministerium? "Sie verantworten da einen ganz großen Skandal!", geht er Dreyer an.

Muss er ja auch - die Umfragen sehen auch wenige Tage vor der Wahl seine CDU hinter der SPD, es sieht aus, als reiche es erneut für die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen. Baldauf plädiert für einen Unternehmerlohn für coronageschädigte Kleinunternehmer und verspricht den Kommunen mehr Geld, eine bessere Bildungspolitik einen Klimaschutz durch technische Innovation, jedoch ohne Windräder im Pfälzerwald. Nach dem Duell mit Dreyer am vergangen Freitag hatte es geheißen, Baldauf habe beim Thema Klima geschwächelt, das möchte er erkennbar gutmachen.

Die Ministerpräsidentin dagegen möchte Windräder im Pfälzerwald nicht ausschließen, natürlich nicht dort, wo es am schönsten ist, sondern wo Autobahntrassen oder Kahlflächen die Gelegenheit bieten. Das Thema wird dem neuen Landtag erhalten bleiben. Ansonsten gibt Malu Dreyer sich staatstragend und weniger dünnhäutig als im Duell mit Baldauf. Corona? Sind wir beim Impfen vorn in Rheinland-Pfalz, ansonsten öffnen wir mit Augenmaß. Notleidende Unternehmer? Fördern wir doch längst. Beförderungsskandal? Haben die Ministerien die nötigen Schritte getan, und Personalsachen dort sind nicht Angelegenheiten der Ministerpräsidentin. Den kommunalen Finanzausgleich? Regeln wir gerade neu.

Von ihren möglichen Koalitionspartnerinnen muss sie an diesem Abend wenig fürchten. Daniela Schmitt (FDP) verteidigt sie gegen den Vorwurf Baldaufs, das Land unterstütze den Tourismus zu wenig; gerade habe man im Nachtragshaushalt 300 Millionen Euro in die Hand genommen. Und Anne Spiegel betont, sie stehe zum Kompromiss zur Brücke übers Mittelrheintal, dem die Grünen nur unter großen Schmerzen zugestimmt haben, außer den Linken sind damit alle für die Brücke, gegen deren Bau Natur- und Denkmalschützer protestieren. Zwischen FDP und Grünen bleiben die Kontroversen übersichtlich: Daniela Schmitt möchte die Ladenöffnungszeiten in den Innenstädten aufheben, Anne Spiegel ebenjene Innenstädte möglichst autofrei machen.

Es gibt noch ein bisschen Frauensolidarität, als Christian Baldauf die Linken-Kandidatin ein bisschen von oben herab anredet, es gibt noch den Freie-Wähler-Kandidaten Joachim Streit, den erfahrenen Landrat aus der Eifel, der für mutigere Öffnungen trotz Pandemie eintritt und der durchaus in den Landtag einziehen könnte.

Und es gibt Michael Frisch von der AfD, der ein dreigliedriges Schulsystem vorschlägt und sich zu einem Fraktionsreferenten befragen lassen muss, der möglicherweise eine Neonazi-Vergangenheit hat. Er sei dafür, jedem Menschen eine zweie Chance zu geben, sagt Frisch. Da platzt Malu Dreyer der Kragen: "Sie repräsentieren eine Partei, die in weiten Teilen extremistisch ist - und Sie tun immer so, als hätten Sie damit nichts zu tun", fährt sie Frisch an. Sie höre ja von der neben der AfD-Fraktion gelegenen Regierungsbank, was da geredet werde, das sei "rassistisch, diskriminierend und ausgrenzend".

Dann ist auch das gesagt. Bis zum Sonntag, verabschiedet sich das Moderatorenteam. Zur Wahlsendung.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir die FDP-Spitzenkandidatin Daniela Schmitt fälschlicherweise bei den Sozialdemokraten verortet.

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