Rheinland-Pfalz:Harmonie auf Zeit

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Die Freude ist groß bei der siegreichen Sozialdemokratin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz. (Foto: Christian Marquardt/Getty)

Die Ampel soll bleiben - da sind sich SPD, Grüne und FDP nach der Wahl einig. Doch die Grünen werden mehr Einfluss fordern.

Von Matthias Drobinski und Gianna Niewel, Mainz

Am späteren Abend dieses aus Pandemiegründen traurig emotionsreduzierten Wahlabends in Mainz gibt es eine kleine Aufregung: Könnte es in Rheinland-Pfalz für eine rot-grüne Regierung unter Ministerpräsidentin Malu Dreyer reichen? Von Hochrechnung zu Hochrechnung steigen die Werte der Grünen, die SPD bleibt stark, zwischenzeitlich fehlt für ein mögliches Zwei-Parteien-Bündnis nur ein Sitz.

Mit zwei Partnern regiert es sich einfacher als mit dreien, SPD und Grüne sind sich programmatisch näher als SPD und FDP. Für zwei Stunden scheint die Ampelkoalition zu wackeln, dann ist klar: Malu Dreyer wird weiterhin die FDP in der Regierung brauchen; die rechnerisch ebenfalls mögliche Koalition mit der abgestraften CDU hat sie als Notlösung bezeichnet und faktisch ausgeschlossen.

Das Erstaunliche aber ist: In der Pressekonferenz der Frontfrauen und -männer spielt an diesem Abend die Option Rot-Grün überhaupt keine Rolle. Nicht bei Anne Spiegel von den Grünen, nicht bei Daniela Schmitt von der FDP und auch nicht bei Malu Dreyer von der SPD. Sie habe immer gesagt, dass sie "auf das Erfolgsmodell Ampel" setze, und dabei bleibe sie auch, sagt Dreyer. Sie würden gerne mit Dreyer weiter regieren, heißt es bei den anderen beiden.

Und auch, wenn Daniela Schmitt von der "liberalen Handschrift" spricht, die sie einbringen wolle, und Anne Spiegel auf den "Zuspruch zum Thema Klimaschutz" verweist - nichts klingt an diesem Wahlabend so, dass es die Neuauflage der Ampel gefährden könnte. Klimaschutz? Wollen doch alle. Und auch an der Frage, ob und an welcher Stelle es Windräder im Pfälzer Wald braucht, sollten die Koalitionsverhandlungen nicht scheitern.

Zur Machtfrage wird der Zuschnitt der Ministerien

Trotzdem dürfte bei diesen Verhandlungen die Harmonie des Wahlabends angekratzt werden. Die Grünen haben als einzige Regierungspartei mit drei Prozentpunkten klar zugelegt und werden mit zehn statt bisher sechs Abgeordneten im Landtag vertreten sein, sie werden mehr Einfluss wollen als bisher, programmatisch, personell. Spitzenkandidatin Anne Spiegel dürfte wohl ein gewichtiges Ministerium für sich beanspruchen, wahrscheinlich das Umweltministerium; es wird dann eine neue grüne Sozialministerin, einen Sozialminister brauchen.

Die FDP wird dagegen versuchen müssen, trotz des Verlustes von 0,7 Punkten den bisherigen Einfluss im Kabinett zu halten - schon allein, um den Unzufriedenen, die diesmal für die Freien Wähler statt für die FDP stimmten, zu zeigen: Wir verhindern hier das rot-grüne Chaos. Daniela Schmitt hat gesagt, dass sie gerne Wirtschaftsministerin wäre und damit Nachfolgerin von Volker Wissing, der als FDP-Generalsekretär nach Berlin gewechselt ist. Er war bisher eine der wichtigen Stützen des Ampel-Bündnisses. Auch das Justizministerium, bislang geleitet von Herbert Mertin, dürfte die FDP wieder für sich reklamieren.

Die Machtfragen zwischen FDP und Grünen werden wohl auch darüber ausgetragen, wie die Ministerien künftig zugeschnitten sein werden: Bekommt das Umweltministerium neue Kompetenzen? Werden Ministerien komplett neu zugeschnitten? Oder bleibt da alles beim Alten? Die SPD wird ein Bündnis mit den tendenziell auseinanderstrebenden Partnern zusammenhalten müssen. Malu Dreyers Vermittlungskunst dürfte gefragt bleiben.

Am Montag nach der Wahl hat die SPD in Mainz vor ihre Wahlkampfzentrale geladen. Innenminister und SPD-Chef Roger Lewentz kommt heraus, es regnet, aber er will keinen Schirm, er will erzählen, wie gut es lief. 28 von 52 Direktmandaten, 39 von 101 Abgeordneten, große Freude.

Die SPD will ihre fünf Ressorts behalten

Und dann die große Frage: Wie geht es weiter?

Mit FDP und Grünen habe man schon einmal einen Koalitionsvertrag ausgehandelt, und zwar detailliert, sagt Lewentz. Er gehe deshalb davon aus, dass es auch dieses Mal routiniert laufen werde. Wobei Lewentz eine Sache herausstellt, damit das bei aller Einigkeit nicht vergessen wird: "Da verhandelt keine Regierung, es verhandeln immer noch drei Parteien."

Ob die Grünen nun mehr Einfluss wollen? Nun, sagt Roger Lewentz, er freue sich, dass die Partei zugelegt habe. Aber erstens habe die SPD auch gut abgeschnitten - ein kleiner Hinweis, dass die Sozialdemokraten keins ihrer fünf Ministerien abgeben mögen. Und zweitens verhandele man immer auf Augenhöhe. Zuerst um Inhalte, dann um den Zuschnitt der Ministerien und die Posten.

Am 18. Mai wird sich der Landtag konstituieren. Lewentz sagt, bis dahin seien die drei Parteien sicher durch.

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