Rheinland-Pfalz:Aufstand im Reich von König Kurt

Es ist ein Ventil für alle, die genug haben von 17 Jahren Beck: Der Ärger über eine Justizreform spinnt sich in Rheinland-Pfalz zur erhitzten Revolte gegen den Ministerpräsidenten aus - der reagiert emotional.

Marc Widmann

In Cochem an der Mosel verbringt Kurt Beck derzeit seinen Sommerurlaub, so ist es Tradition bei ihm. Er will sich erholen vom Stress des Wahlkampfs und der Regierungsbildung mit den Grünen, doch ob ihm das gelingt, ist zweifelhaft. Selbst in sein Urlaubsdomizil verfolgt ihn der Protest, der seit Wochen durch das einst so betuliche Rheinland-Pfalz schwappt. Empörte Juristen und Bürger haben auch an der Mosel, unweit seiner Unterkunft, ihre Plakate aufgestellt: Er solle gefälligst die Finger lassen von der Justiz.

Landtag Rheinland-Pfalz

Kurt Beck im vergangenen Jahr im Landtag: Wegen der Justizreform gibt es derzeit viel Ärger im eigentlich so beschaulichen Rheinland-Pfalz. 

(Foto: dapd)

Der Protest gegen Becks Justizreform hat Dimensionen angenommen, wie es sie noch nie gab in seinen 17 Jahren als Ministerpräsident. Etwa 39.000 wütende Bürger unterschrieben bislang gegen die geplante Fusion des Oberlandesgerichts (OLG) in Koblenz mit dem in Zweibrücken, Chefs von Supermärkten legen die Listen in ihren Märkten aus. Tausende formierten sich in Koblenz unlängst zum Protestmarsch, auch ein Volksbegehren haben die Zornigen in Aussicht gestellt. Im Reich von "König Kurt", wie ihn seine Gegner nennen, schwelt ein Aufstand, sogar Parteifreunde reihen sich ein.

Auf dem Landesparteitag legte ihm kürzlich der stellvertretende SPD-Chef von Koblenz ganz unverhohlen den Abgang nahe. So etwas gab es noch nie. Auch Peter Itzel, der Vorsitzende des Richterrats am bedrohten Koblenzer OLG, gehört zur SPD. Er stichelt: "Es scheint die Gefahr in der Politik zu sein, dass man sich ab einer bestimmten Zeit nur noch mit Leuten umgibt, die sagen, was man hören möchte." Er meint Beck.

Diese Sozialdemokraten erzürnt nicht nur, dass das Koblenzer Gericht dem kleineren in Zweibrücken zugeschlagen werden soll. Sie erbost auch, wie unsensibel Becks Leute den Sparplan durchsetzen. Auf einmal stand die Fusion im Koalitionsvertrag - die Betroffenen wussten von nichts. Niemand konnte ihnen erklären, was die Idee tatsächlich spart, niemand hatte es durchgerechnet. Während sich die Richter zu empören begannen, blieb die Regierung sprachlos. Wochenlang fühlte sich kein Minister oder Staatssekretär zuständig, die Wut zu dämpfen. Wer sparen will, kann an dem Beispiel lernen, wie man es besser nicht macht.

Die Neutralität abgestreift

Seine ganze Wucht erhält der Konflikt aber erst dadurch, dass er zum Ventil geworden ist für alle, die genug haben von 17 Jahren Beck. Es geht längst nicht mehr um ein OLG. Es geht darum, ob Beck wie ein abgehobener Alleinherrscher regiert, der die dritte Gewalt unterjochen will, weil sie ihm lästig geworden ist. So sehen es viele in Koblenz, und sie erzählen es jedem, der ihren Weg kreuzt. Ihre Neutralität haben manche Richter in diesem Konflikt abgestreift wie eine Robe und sie stürzen sich mit Eifer in den politischen Kampf. Hier hält man den Sparbeschluss für eine Racheaktion an aufmüpfigen Juristen, die gegen Stellenbesetzungen prozessieren und Beck peinliche Niederlagen bereiten.

Kurt Beck hat den Konflikt wohl nicht kommen sehen, nicht in dieser Wucht. Jedenfalls hat er ihn nicht entschärft, im Gegenteil. In Erklärungen halten ihm die Richter vor, er gieße "jede Woche neues Öl ins Feuer". Gleich am Anfang, als noch etwas zu retten war, sprach Beck davon, dass er sich nicht von "nachgeordneten Behörden" vorschreiben lasse, wo er spart. Diese Worte stachelten die Richter erst richtig an. "Er hat die dritte Gewalt behandelt wie eine Forstverwaltung", zürnt SPD-Mitglied Itzel. Dann verkündete Beck, er wolle die Reform wegen der Proteste schneller als geplant umsetzen. Was die Richter sogleich als "völlig unakzeptablen" Hauruckstil geißelten.

Ein dünnhäutiger Regierungschef

Wer Beck auf das Thema anspricht, erlebt bisweilen einen dünnhäutigen Regierungschef. Einen, der emotional reagiert und auch mal lauter wird, wenn er das Wort Revolte hört. "Wo sind wir denn", poltert Beck dann, "in Lateinamerika, oder wo?" Tatsächlich liegt Koblenz im Rheinland, aber auch dort gibt es Revolten. Dort brechen nun alte Rivalitäten mit der Pfalz wieder auf, die ihr Gericht im Städtchen Zweibrücken behalten soll. In der Rhein-Zeitung schimpfen Koblenzer darüber, dass Beck, dieser Pfälzer, ihr "Sahnestückchen auf schnellstem Weg in die Pfalz abtransportieren darf". Auch das sind Töne, die eigentlich längst überwunden zu sein schienen. Rheinland gegen Pfalz, es ist ein Rückfall in düstere Zeiten. Alles kommt wieder hoch in einem Konflikt, der sich bestens aufladen lässt mit Grundsätzlichem.

Auch vor Gericht zanken sich Richter und Regierung. Die Keimzelle allen Ärgers ist ein Streit um den Chefposten des Koblenzer Oberlandesgerichts, das nun aufgelöst werden soll. Hans-Josef Graefen will diesen Posten unbedingt. Er ist CDU-Mitglied und Chef des dortigen Landgerichts, er klagt seit Jahren durch alle Instanzen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht hat er erstritten, dass das Land die schon besetzte Stelle erneut ausschreiben musste.

Vergangene Woche erhielt Graefen wieder einmal recht: Die offene Stelle müsse jetzt umgehend besetzt werden, entschied das Koblenzer Verwaltungsgericht - und drohte dem Land ein Zwangsgeld an. Der Streit nähert sich somit seinem Finale: Wäre der streitbare Richter erst einmal ernannt und der Posten besetzt, brächte eine Fusion kaum noch Einsparpotential; schließlich will das Land vor allem an der Spitze der beiden Oberlandesgerichte sparen.

Die Regierung will nun Beschwerde einlegen. Der Konflikt geht in seine letzte Runde. Und Kurt Beck wird seine Erholung aus dem Urlaub noch gut gebrauchen können. Falls er sich denn erholt.

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