Süddeutsche Zeitung

Rezepte gegen den Terror:Im Zweifel lebenslang

Wie die konservativ-grüne Regierung in Wien den Terrorismus bekämpfen will.

Von Leila Al-Serori

Es ist das größte Gesetzespaket gegen den Terrorismus, das Österreich seit Jahren gesehen hat - wenn es denn kommt. Kanzler Sebastian Kurz will die am Mittwoch in Wien vorgestellten Pläne bis Anfang Dezember ausarbeiten und vor allem auf rechtsstaatlich solide Füße stellen.

Das dürfte ein heikles Unterfangen werden, denn die Pläne sind umstritten. So will die Regierung eine vorbeugende elektronische Überwachung von aus der Haft entlassenen Gefährdern durchsetzen, ebenso die zeitlich unbegrenzte Unterbringung im sogenannten "Maßnahmenvollzug", das heißt, auch über das Verbüßen der Strafe hinaus, wenn die terroristischen Täter als weiterhin gefährlich eingestuft werden. Kurz (ÖVP) sagte, sie sollten ähnlich wie geistig abnorme Rechtsbrecher behandelt werden und im Zweifelsfall "ein Leben lang eingesperrt" werden können.

Zu den weiteren Maßnahmen zählen der Entzug des Führerscheins nach einer Verurteilung, aber auch die Möglichkeit für Reisebeschränkungen. Ein Imam-Verzeichnis soll zudem mehr Handhabe gegen extremistische Ideologie bieten.

Aufregung hervorgerufen hat nicht zuletzt die Ankündigung, den "politischen Islam" zum Straftatbestand zu machen, um laut Kurz gegen diejenigen vorzugehen, die keine Terroristen sind, aber den Nährboden dafür schaffen. Was genau er sich darunter vorstellt und wie das mit der Verfassung vereinbar sei, blieb unklar.

Mit dem Antiterrorpaket würde Kanzler Kurz seine schon lange immer wieder auf den Tisch gebrachten Pläne gegen islamistische Gefährder umsetzen. Das Vorhaben war beim grünen Koalitionspartner bisher auf wenig Begeisterung gestoßen. Dieser dürfte nun an Bord sein, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) betonte aber, dass die neuen Gesetze genauso für Terror von rechter Seite, also auch Neonazis, gelten sollen.

Hochrangige Juristen und die Opposition äußerten Bedenken gegen die Pläne. "Alle Terrortäter lebenslang in Haft zu nehmen wird nicht gehen", sagte die Präsidentin der österreichischen Richtervereinigung. Sozialdemokraten und liberale Neos kritisierten, dass die Ermittlungen zum Terroranschlag noch nicht abgeschlossen seien - und erst das mutmaßliche Behördenversagen geklärt gehöre, bevor neue Gesetze auf den Tisch kämen.

Tatsächlich wäre nach derzeitigem Erkenntnisstand der Anschlag in Wien schon auf Grundlage bestehender Gesetze in Österreich zu verhindern gewesen. Der Täter, der wegen einer versuchten Ausreise zur Terrormiliz IS vorbestraft und auf Bewährung frei war, hatte versucht, in der Slowakei Munition zu kaufen. Das teilten die Behörden des Nachbarlands ihren österreichischen Kollegen mit. Auch hatte er Kontakt zu Personen, die im Auftrag des deutschen Verfassungsschutzes von Wiener Behörden überwacht wurden. In beiden Fällen wurden offenbar keine Konsequenzen gezogen. Wäre die Justiz informiert worden, hätte sie den Täter in Untersuchungshaft nehmen können - auch ohne das neue Antiterrorpaket.

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