Revolutionswächter in Iran:Schlagkräftige Stütze des Regimes

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Irans Revolutionswächter bilden einen Staat im Staate - mit militärischer, wirtschaftlicher und politischer Macht.

Tomas Avenarius

Sollte Irans Führung sich entscheiden, die Proteste gegen die Präsidentenwahl mit Gewalt zu beenden, wird den Revolutionswächtern eine zentrale Rolle zukommen: Die "Pasdaran" sind eine der Säulen des Regimes der Islamischen Republik. Die "sepah e pasradan enqelab e islami" sind mindestens 130.000 Mann stark, kontrollieren Teile von Politik, Wirtschaft und Streitkräften. Sie sind in Regierung und Parlament stark, sollen auch die Strippenzieher des Atomprogramms sein. Sie gelten als zuverlässiger als Armee und Polizei und genießen daher das Vertrauen des geistlichen Führers Ayatollah Ali Chamenei.

Die iranischen Revolutionsgarden, hier bei einem Appell 2006. Ein Soldat trägt ein Portrait des libanesischen Hisbollah-Führers Scheich Nasrallah vor der Brust. (Foto: Foto: AFP (Archiv))

Die Pasdaran sind eine klassische Parallelarmee: Unterteilt in Heer, Luftwaffe und eine kleine, schlagkräftige Marine. Dazu kommt die Al-Quds-Eliteeinheit. Neuerdings haben die Revolutionswächter einen gemeinsamen Generalstab mit der 325.000 Mann starken Armee: Das spricht für den steigenden Einfluss gegenüber der in Iran innenpolitisch weniger wichtigen Armee.

Der derzeitige Pasdaran-Befehlshaber, Generalmajor Mohammed Ali Jafari Sahroudi, hat eigens ein Institut für strategische Forschung gegründet: Es beschäftigt sich dem Internet-Dienst Globalsecurity.org zufolge vor allem mit Methoden der asymmetrischen Kriegsführung und mit dem "Kampf gegen Feinde Irans und der Revolution", sprich dem Einsatz bei Aufständen und Unruhen. Die Eliteeinheit hingegen ist für den Auslandseinsatz gedacht: Al-Quds-Offiziere mit diplomatischer Deckidentität wurden von den Amerikanern im Irak verhaftet, sind im Libanon bei der Hisbollah aktiv, sollen Hamas-Kämpfer trainieren und im Sudan und ostafrikanischen Staaten eingesetzt sein.

Führungsposten für Pasdaran

Vor allem unterstehen den Revolutionswächtern die Raketenstreitkräfte. Damit haben sie auch eine zentrale Rolle im Nuklearprogramm: Internationale Experten stellen die Entwicklung weit reichender Raketen in Zusammenhang mit einem geheimen Atomwaffenprogramm. Zudem haben unter Präsident Mahmud Ahmadinedschad immer mehr Pasdaran Führungsposten in Instituten und Universitätsfakultäten bekommen, die sich mit Atomforschung befassen. Dies berichten zumindest die oppositionellen Volksmudschaheddin. Diese hatten schon 2003 einen geheimen Teil des Nuklearprogramms öffentlich gemacht, der sowohl der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA als auch ausländischen Diensten unbekannt war.

Außerdem unterstehen den Pasdaran die Bassidschis. Die Mitglieder dieser Volksmiliz sind keine Soldaten, sondern Sittenwächter mit halbmilitärischer Grundausbildung. Sie stellen die Schlägertruppen bei den derzeitigen Demonstrationen. Die Bassidschis sollen etwa 300.000 Männer und Frauen als aktive Mitglieder haben. Hinzu kommen mehrere Millionen Nichtaktiver. Jede Bassidschi-Einheit wird von einem Revolutionswächter geführt.

Die Revolutionswächter sind auch eine Wirtschaftsmacht. Sie kontrollieren nach Meinung von Experten bis zu einem Drittel der Volkswirtschaft. Sie lassen Häfen, Staudämme, U-Bahnen in Teheran bauen, kontrollieren den internationalen Flughafen der Hauptstadt. Schwerpunkte ihrer Aktivitäten sind Transport-, Öl- und Gaswirtschaft. Alireza Ashgari, ein von der Fahne gegangener Wächter-Offizier, bezeichnete die Pasdaran als eine "Mafia-ähnliche Organisation": Durch die Kontrolle von Häfen, Flughäfen und Tarnfirmen sollen sie groß angelegte Schmuggelgeschäfte betreiben. Mit ihren ökonomischen Interessen geraten die Wächter in Konflikt mit dem religiösen Establishment. Der schiitische Klerus gebietet über milliardenschwere religiöse Stiftungen und sichert seine Macht, indem er Geld an Arme, Witwen und Waisen verteilt.

Waffen und Privilegien

So sind die Revolutionswächter ein Staat im Staat. Ayatollah Ruhollah Chomeini hatte die Garde nach seiner Rückkehr aus dem französischen Exil gegründet: Er misstraute der Armee. Die Streitkräfte waren vom gestürzten Schah über Jahrzehnte zur stärksten Armee des Nahen und Mittleren Ostens aufgebaut worden. Sie hatten modernste Waffen, es gab Privilegien für das Offizierskorps. Im iranisch-irakischen Krieg kämpften die Pasdaran an vorderster Front: Gerühmt für ihren Einsatz, berüchtigt für ihre Menschenwellen. Die Revolutionswächter liefen, oft gefolgt von Kindern, todesmutig durch die irakischen Minenfelder.

Heute ist die Garde eine politische Kaderschmiede. Ahmadinedschad soll während des Irak-Kriegs Führungsposten innegehabt haben. Teherans Bürgermeister Mohammed Kalibaf war Kommandeur der Luftwaffe, der einflussreiche Parlamentssprecher und frühere Atomunterhändler Ali Laridschani war Pasdaran-Offizier. Mohsen Resai, der konservative Gegenkandidat Ahmadinedschads bei den Präsidentschaftswahlen, war bis 1997 Oberbefehlshaber der Garde. Auch viele Gouverneure sind Ex-Revolutionswächter. Fünf Ministerien werden von Pasdaran geführt, ein Drittel der Parlamentarier entstammen laut Medienberichten den Garden.

© SZ vom 18.6.2009/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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