Rettung aus Seenot:Mit Bella Ciao an Land

Nach Wochen beendet ein italienischer Staatsanwalt die Irrfahrt der Migranten auf der "Open Arms". Für den rechtspopulistischen Innenminister Matteo Salvini könnte die Blockade des Rettungsschiffes nun sogar juristische Folgen haben.

Von Andrea Bachstein

Das beschlagnahmte spanische Rettungss chiff Open Arms war am Mittwoch unterwegs in den Hafen des sizilianischen Porto Empedocle. Am Vorabend waren auf der Insel Lampedusa die Migranten von Bord gegangen, die fast drei Wochen lang auf See verbringen mussten. Italiens Innenminister Matteo Salvini hatte der Open Arms untersagt, einen italienische Hafen anzulaufen. Die Migranten werden voraussichtlich in den nächsten Tagen zunächst nach Spanien gebracht und dann auf mehrere Länder verteilt.

Die Wende kam, nachdem am Dienstag der Leitende Staatsanwalt von Agrigent mit Ärzten auf die Open Arms gekommen war, um sich ein Bild von den Zuständen dort zu machen. Der Kommandant des Rettungsschiffes hatte schon seit Tagen gewarnt, dass die hygienischen Verhältnissen auf dem Schiff nicht mehr haltbar seien. Zudem waren viele der 83 Migranten psychisch am Ende, etwa ein Dutzend war von Bord gesprungen, um nach Lampedusa zu schwimmen.

Nach seiner Inspektion entschied Staatsanwalt Luigi Patronaggio in Absprache mit dem Hafenkapitän von Lampedusa, die Open Arms umgehend evakuieren zu lassen und zu beschlagnahmen. Als die Migranten in Lampedusa landeten, stimmten sie "Bella Ciao" an, Freiwillige empfingen sie mit Applaus. Ebenfalls am Dienstag hatte die spanische Regierung entschieden, ein Marineschiff zu schicken, das die Migranten nach Mallorca bringen soll. Der Kommandant der Open Arms hatte zuvor gesagt, die weite Fahrt in die von Madrid zunächst angebotenen spanischen Häfen sei nicht mehr verantwortbar angesichts der Verhältnisse auf dem Schiff.

Wie die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel mitteilte, werden Deutschland, Spanien, Frankreich, Portugal und Luxemburg die Migranten der Open Arms aufnehmen. Die Verteilung der überwiegend aus Afrika stammenden Flüchtlinge solle in wenigen Tagen abgeschlossen sein.

Die Blockade der Open Arms hat juristische Folgen. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits ein Ermittlungsverfahren eröffnet wegen Verdachts auf Freiheitsberaubung zum Schaden der Migranten an Bord. Wie die Agentur Ansa am Mittwoch berichtete, ist in Agrigent ein weiteres Verfahren eingeleitet worden - wegen Unterlassung und Verweigerung von Amtshandlungen, die Folgen für die öffentliche Gesundheit und Ordnung haben können. Man ermittelt nun gegen unbekannt, am Ende der hierarchischen Kette könnte Innenminister Salvini selbst stehen. Er erklärte, es würde ihn nicht wundern, sollte er als Beschuldigter enden, aber er werde weiter "die Grenzen des Landes verteidigen".

Der nächste Fall kündigt sich bereits an: Das unter norwegischer Flagge fahrende Rettungsschiff Ocean Viking von Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediterranée wartet bereits seit fast zwei Wochen mit 356 Flüchtlingen auf See auf eine Landeerlaubnis.

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