Jede Katastrophe hat ihre Bilder. Bei den Bränden in Kalifornien sind es etwa die Verwüstungen von Pacific Palisades oder Altadena, verkohlte Kamine, die als letzte Stümpfe die Orte markieren, wo einst Häuser standen – und Flugzeuge, die gewaltige Mengen einer rosaroten Substanz abwerfen. „Los Angeles wird pink“, titelten Medien. Bäume und Sträucher, Straßen, Fahrzeuge, Häuser bekamen einen grellroten Farbüberzug, der die Piloten gut erkennen lässt, wo das Retardant schon vorhanden ist. Die Bilder waren so präsent in den sozialen Medien, dass sich viele fragten: Was ist das eigentlich für ein Zeug, was da vom Himmel kommt? Und: Ist das noch gesund?
Brandbekämpfer nennen es ein Retardant, also ein Mittel, das den Verbrennungsprozess verzögert. Wegen dieser Wirkung wird es vor allem auch dort verteilt, wo die Flammen noch nicht angekommen sind, um die Feuer einzugrenzen. Der Trick: Bei hohen Temperaturen bilden solche Retardants eine Art Schutzschicht, die weniger leicht entzündet werden kann und teils über längere Zeiträume wirkt. In den USA wird vielfach ein Retardant der US-Firma Perimeter Solutions namens Phos-Chek eingesetzt. Selbst wenn darin enthaltene Substanzen wie etwa Ammoniumphosphat auf den ersten Blick eher harmlos erscheinen mögen, weil sie beispielsweise auch in Dünger verwendet werden, schüren Wissenschaftler immer wieder Zweifel an der Umweltverträglichkeit, zumal die eingesetzten Mengen beachtlich sind: Allein zwischen den Jahren 2009 und 2021 sollen in den USA Schätzungen zufolge mehr als anderthalb Milliarden Liter des mit Wasser vermengten Retardants verteilt worden sein. Einer Studie der University of South California zufolge könnten dabei etwa mehrere Hundert Tonnen an Metallen wie etwa Chrom und Cadmium in die Umwelt gelangt sein, die – je nach Dosis – giftig sein können. In der Nähe von Gewässern soll Phos-Chek nicht mehr eingesetzt werden.

Dagegen stehen natürlich die weitaus größeren Schäden durch die Feuer selbst, den Ruß und die enorme Luftverschmutzung durch den Rauch, vor allem wenn wie in Los Angeles nicht nur Vegetation, sondern ganze Stadtteile mit vielen problematischen Stoffen brennen. Brandexperten lassen keinen Zweifel daran, dass Retardants ein wirksames Instrument in der Brandbekämpfung sind, zumal sich in den vergangenen Jahrzehnten die Feuer zunehmend schneller ausbreiteten und mit bloßem Wasser je nach Situation weniger auszurichten ist. Vom Flugzeug abgeworfen verdunstet es in der heißen Luft schnell und wird leicht vom Wind abgetrieben.
Dass mittlerweile auch in Deutschland das Interesse an Retardants wächst, ist nicht zuletzt den schwer zu löschenden Waldbränden in Brandenburg in den vergangenen Jahren geschuldet. Vor wenigen Monaten wurde ein solches Mittel – wohl zum ersten Mal im größeren Stil – bei einem Waldbrand eingesetzt: Das Start-up Hiscotech hatte es in den vergangenen Jahren aus lebensmitteltauglichen Substanzen entwickelt, mit denen ursprünglich einer der vier Gründer seinen Weihnachtsbaum gegen Feuer schützen wollte – so erzählt es Mitgründer Angelo Scordialo. Als es im vergangenen Herbst auf dem Brocken im Harz brannte, bot die Feuerwehr an, das Mittel zu testen. Es wurde mit einem Flugzeug auf nicht brennenden Flächen ausgebracht, um eine Ausbreitung der Flammen zu verhindern. Am nächsten Tag war der Brand unter Kontrolle – womöglich auch dank des Retardants.