Syrien-Resolution:Wichtiger Schritt in unbekannte Richtung

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Blick in eine ungewisse Zukunft: Ein Mann schaut in Ghouta, unweit von Damaskus, über die Dächer (Foto: REUTERS)

Die Blockade ist durchbrochen: Der UN-Sicherheitsrat einigt sich endlich auf eine Syrien-Resolution. Für den Deal über die geplante Vernichtung der syrischen Chemiewaffen kommt Amerika den Russen jedoch sehr weit entgegen. Die Strategie könnte dennoch aufgehen.

Von Matthias Kolb

Samantha Power, Amerikas UN-Botschafterin, ist zufrieden mit dem Ergebnis. Nach wochenlangen Verhandlungen und unter aktiver Mitwirkung von US-Außenminister John Kerry und dessen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow ist ein Resolutionsentwurf zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen entstanden, dem alle Vetomächte zustimmen können. Wenn alles glatt läuft, dann könnte schon an diesem Freitagabend im Sicherheitsrat abgestimmt werden.

Botschafterin Power verschickte zu später Stunde einen Tweet, in dem sie die für die USA wichtigsten Punkte bilanzierte: Der Sicherheitsrat sei nun endlich bereit, im Falle eines syrischen Verstoßes gegen die Resolution Maßnahmen gemäß Kapitel VII der UN-Charta zu beschließen. Diese sehen neben Wirtschaftssanktionen auch den Einsatz von militärischer Gewalt vor. Mit dem Hashtag #VerifyThenTrust ("erst überprüfen, dann vertrauen") bilanzierte Power den Ansatz der Amerikaner.

Dahinter steckt die Botschaft an die Welt: Die USA führen die internationale Gemeinschaft an, die genau aufpasst, dass sich Syriens Diktator Baschar al-Assad nicht herausmogelt. Doch mit der Realität hat dieser Spin nicht viel zu tun, denn die Amerikaner sind den Russen sehr weit entgegengekommen, damit diese ihre "Njet"-Position und die Dauerblockade im Sicherheitsrat aufgeben.

  • Der Resolutionsentwurf enthält keinen Automatismus, dass im Falle einer syrischen Nichtkooperation wirklich Sanktionen gemäß Kapitel VII beschlossen werden. Hierfür wäre eine weitere Resolution nötig, die Russland (oder die Moskau in der Syrien-Frage unterstützenden Chinesen) mit einem Veto blockieren könnte.
  • Das Regime von Baschar al-Assad wird nicht direkt für seinen Giftgaseinsatz, an dem kaum mehr Zweifel bestehen, verurteilt. Der Textentwurf ist so formuliert, dass es sowohl der Regierung als auch jeder anderen "Konfliktpartei" verboten wird, Chemiewaffen "zu verwenden, zu entwickeln, zu produzieren", diese zu lagern oder sie weiterzugeben.
  • Die gerade von den Europäern geforderte Einbindung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag fehlt - es ist lediglich von der "starken Überzeugung" die Rede, dass die Verantwortlichen des Giftgaseinsatzes zur Rechenschaft gezogen werden sollten.
  • Zudem wird in dem Resolutionsentwurf kein konkreter Weg zu einer Waffenruhe in Syrien aufgezeigt - es heißt nur, die internationalen Verhandlungen in Genf sollten bald fortgesetzt werden. Chemiewaffen-Experten wie der Deutsche Oliver Meier oder die Britin Patricia Lewis halten dies für eine "unabdingbare Voraussetzung", damit die Kontrolleure der OPCW ihren Auftrag erfüllen können.

Zugleich steckt in dem fünfseitigen, in vollendeter Diplomatensprache verfassten Resolutionsentwurf aber auch viel Positives: Allein die Tatsache, dass die mehr als zweieinhalbjährige Blockade des höchsten UN-Gremiums in Sachen Syrien durchbrochen wurde, ist ein großer Fortschritt. Amerikanische Kommentatoren betonen zudem, dass mit dieser Resolution ein wichtiger Präzedenzfall geschaffen würde: Wenn Chemiewaffen eingesetzt werden, dann ist der Sicherheitsrat in der Pflicht.

Russland übernimmt erstmals Verantwortung für Lösungsweg

Volker Perthes, Direktor der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, sagte dem Deutschlandfunk: "Es ist gut, dass Russland hier erstmals ganz offiziell und aktiv Mitverantwortung für einen Prozess übernimmt, der auf eine Lösung in Syrien orientiert ist."

Es komme nun darauf an, dass sich die diversen internationalen Akteure dafür einsetzen, dass die Bürgerkriegsparteien eine Verhandlungslösung akzeptieren. Seit Monaten verfestigt sich laut Perthes der Eindruck auf beiden Seiten, dass ein militärischer Sieg über den Gegner nicht mehr möglich sei. Hier müssten sowohl Amerikaner, Europäer als auch Russland, Iran und die Golfstaaten aktiv werden, um eine endlose Fortsetzung des Bürgerkriegs und einen Zerfall Syriens zu vermeiden.

Der Politikwissenschaftler Perthes, dessen Institut etwa die Bundesregierung und den Bundestag berät, betont noch einen anderen Punkt. Es liege an der Androhung eines amerikanischen Militärschlags sowie der politischen Bemühungen Russland, dass sich das Assad-Regime plötzlich kompromissbereit zeigt und etwa der Chemiewaffenkonvention beigetreten ist. Perthes' Fazit: "Druck hilft doch."

Und US-Außenminister John Kerry machte nach der Einigung im Interview mit CBS deutlich, dass Washington diesen Druck aufrechterhalten will. Die Amerikaner behielten sich die Option eines Militärschlags weiterhin offen. Womöglich ist dies die wirksamste Ergänzung zur Resolution, um zumindest die Chemiewaffen Syriens so zügig und umfassend wie möglich zu vernichten.

Glaubt man einem Bericht der Washington Post, so könnte dies womöglich schneller geschehen als bisher gedacht. Der Zeitung zufolge gehen die USA und Russland davon aus, dass die syrischen Chemiewaffen innerhalb von neun Monaten zerstört werden können. Der Grund: Die große Mehrheit der Kampfstoffe bestehe aus flüssigen Vorläuferstoffen, die nicht als Waffen eingesetzt werden könnten. So werde die Gefahr verringert, dass Terroristen die giftigen Stoffe entwenden oder dass das Regime diese verstecken würden, schreibt die Zeitung.

Linktipp: Der in englischer Sprache verfasste Textentwurf der Resolution ist auf der Website der New York Times nachzulesen.

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