Süddeutsche Zeitung

Gesetzentwurf:Bundesregierung will dauerhafte Residenzpflicht für Geflüchtete

  • Die Bundesregierung will eine Regelung entfristen, wonach anerkannte Asylbewerber und Geflüchtete mit internationalem Schutzstatus ihren Wohnsitz in Deutschland nicht frei wählen können.
  • Das sieht ein entsprechender Gesetzentwurf vor, der am Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden soll und der Süddeutschen Zeitung vorliegt.
  • Der Deutsche Juristinnenbund nannte das Vorhaben einen "schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit".

Von Constanze von Bullion, Berlin

Anerkannte Asylbewerber und Geflüchtete mit internationalem Schutzstatus sollen auch künftig ihren Wohnsitz in Deutschland nicht frei wählen können. Eine befristete Regelung aus dem Jahr 2016, wonach Behörden ihnen die Niederlassung an bestimmten Orten verbieten oder einen bestimmten Wohnraum zuweisen können, will die Bundesregierung zur Dauerregelung machen. Vorgesehen ist neben einigen Änderungen an der Residenzpflicht auch eine Entfristung der Regelung für Flüchtlingsbürgschaften. Das sieht der "Entwurf eines Gesetzes zur Entfristung des Integrationsgesetzes" vor, der am Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden sollte. Mehrere Verbände, die binnen kürzester Frist zur Stellungnahme aufgefordert wurden, meldeten Bedenken an.

"Aufgrund des erfolgreichen Einsatzes der Wohnsitzregelung als integrationspolitisches Instrument haben sich die Koalitionsparteien im Koalitionsvertrag auf ihre Entfristung verständigt", heißt es in dem Gesetzentwurf, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Im Kern geht es darin um Wohnsitzregelungen für anerkannte Asylbewerber, Geflüchtete mit internationalem Schutzstatus und Menschen mit subsidiärem Schutz. Unter dem Eindruck hoher Flüchtlingszahlen im Jahr 2016 wollte die Bundesregierung verhindern, dass solche Zuwanderer vor allem in Großstädte ziehen und dort abgeschieden von der Mehrheitsgesellschaft leben und Sprach- oder Integrationsdefizite entwickeln.

Ausnahmen gibt es nur in Härtefällen

In Paragraf 12a des Aufenthaltsgesetzes wurde daher geregelt, dass jedem Asylbewerber aus der genannten Gruppe "zur Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland" ein Wohnsitz zugewiesen werden kann - oder die Niederlassung verboten werden kann, etwa wenn sie die Integration behindert oder der örtliche Arbeitsmarkt ungeeignet ist. Zudem müssen Flüchtlinge drei Jahre in dem Bundesland wohnen, in dem über ihren Asylantrag entschieden wurde. Ausnahmen gibt es nur in Härtefällen oder wenn Asylbewerber anderswo Arbeit finden.

Die Regelung habe sich "als Steuerungsinstrument für die Schaffung von Rahmenbedingungen für erfolgreiche Integration bewährt", heißt es in dem Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium. Allerdings hatte es schon 2016 Einwände gegeben, etwa vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags. Im Hinblick auf völkerrechtliche Freizügigkeitsregelungen und die Genfer Flüchtlingskonvention erscheine das Gesetz "nicht unbedenklich", hieß es in einem Gutachten. Die Regelung wurde damals auf drei Jahre befristet und läuft nun im August 2019 aus. Die Bundesregierung will sie nun entfristen.

Juristinnen sprechen von einem schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit

Der Deutsche Juristinnenbund nannte das Vorhaben einen "schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit". Die Residenzpflicht sei besonders für Frauen in Gewaltsituationen problematisch. Müssten sie schnell umziehen oder ins Frauenhaus, dauere es oft Monate, bis geklärt sei, wer die Kosten trage. Zudem soll künftig auch die Ausländerbehörde am neuen Wohnort zustimmen müssen, bevor ein Umzug möglich wird. "Das Gesetz kann keinesfalls so durchgehen", sagte die Präsidentin des Juristinnenbundes, Maria Wersig. Die SPD-Rechtspolitikerin Eva Högl hält den Einwand für berechtigt. "Das sehen wir uns im parlamentarischen Verfahren noch mal genauer an", sagte sie der SZ. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst nannte den Entwurf eine "schlechte, weil in der Praxis faktisch nicht richtig anwendbare Regelung". Aus der SPD im Bundestag kam zudem der Einwand, die Wirkung des Gesetzes sei nicht evaluiert worden - anders als im Koalitionsvertrag vereinbart.

Das Bundesinnenministerium wies die Kritik zurück. Alle Bundesländer sowie kommunale Spitzenverbände hätten sich im Juli 2018 in einer Bund-Länder-Besprechung zur Wohnsitzregelung geäußert.

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SZ vom 27.02.2019/swi
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