Republikaner nach Ende des Haushaltsstreits:"Kompromisse? Gibt es für die Tea Party nicht"

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Ted Cruz, Senator aus Texas und Held der Tea-Party-Bewegung, bei einer Protestveranstaltung vor dem Kapitol in Washington. (Foto: AFP)

Obama ist der Sieger, die Republikaner lecken ihre Wunden: So werten viele die Einigung im US-Haushaltsstreit. Darin steckt viel Wahrheit. Dennoch werden die Tea-Party-Abgeordneten und deren Anhänger nicht von ihrer Ideologie abweichen. Denn schließlich fürchten sie den Verfall Amerikas.

Von Matthias Kolb

Unsicherheit? Selbstzweifel? Nichts davon ist von den Tea-Party-Vertretern zu hören, die sich zum Last-Minute-Deal im US-Kongress äußern. "Wir bereuen gar nichts", tönt Matt Kibbe von "Freedom Works" und schimpft über die Kapitulation der Establishment-Republikaner. "Wir brauchen mehr echte Konservative im House", befindet der Abgeordnete Raul Labrador aus Idaho. Dass das Image der Republikaner unter Amerikas Wählern immer schlechter wird, stört die Hardliner nicht: Sie sind von der Mission getrieben, ihre Werte zu verteidigen.

Insofern ist es schwierig, die vor viereinhalb Jahren entstandene Tea-Party-Bewegung nach dem Last-Minute-Deal vom Mittwoch eindeutig in das nicht nur bei Journalisten so beliebte Gewinner-Verlierer-Schema einzuordnen. Für Chris Cillizza, Polit-Blogger der Washington Post, ist klar, dass John Boehner sowie die Marke "Republikaner" enorm gelitten haben. Welche Folgen die turbulenten Wochen für die Tea Party ( und übrigens auch für den vermeintlichen Sieger Barack Obama) haben werden, zeigt sich wohl erst nach den nächsten Kongresswahlen im November 2014. Bislang geben Experten wie Larry Sabato von der University of Virginia den Konservativen sehr gute Chancen, die Mehrheit im Senat zurückzugewinnen. Sollte das doch nicht gelingen, wäre dies nur so zu erklären: Die Radikalität der Tea Party wird immer mehr Wählern suspekt.

Im Februar hatte ich in einem Blog-Beitrag argumentiert, dass die konservativen Puristen nach Obamas Wiederwahl ein wichtiger Akteur in der US-Politik bleiben werden. Nach dem Showdown rund um den "government shutdown" und die Schuldenobergrenze lässt sich das Bild der Tea Party schärfer zeichnen:

  • Die Tea Party bestimmt die Agenda mit. Etwa 50 republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus fühlen sich der Tea Party verbunden und können als geschlossener Block ihrem Anführer John Boehner die eigene Mehrheit verweigern. Also werden sie alles versuchen, um ihre Ziele (Abbau von Schulden, Abschaffung von Obamacare, weniger Einfluss des Staates auf Bürger und Unternehmen) durchzusetzen.

All dies spricht nicht dafür, dass es den Politikern in Washington in naher Zukunft gelingen wird, die drängenden Probleme der USA zu lösen. Vielmehr könnte es zum Jahreswechsel und im Winter 2014 zu einer neuen Eskalation kommen - am 15. Januar sowie am 7. Februar enden die gerade ausgehandelten Übergangslösungen für Staatshaushalt und Schuldenobergrenze.

Entscheidend könnte sein, ob sich Ted Cruz, der neue Held der Tea Party, erneut entschließt, die Abschaffung der Obamacare-Versicherung zu fordern und sich auf Kosten der eigene Partei zu profilieren. Kurzfristig ist der Texaner ein Gewinner des jüngsten Showdowns: Bereits elf Monate nach seiner Wahl in den US-Senat kennt nun fast jeder Amerikaner den ehrgeizigen Cruz, der 21 Stunden lang gegen Obamacare wetterte und nun wegen seiner Kompromisslosigkeit von der Basis verehrt wird.

Allerdings könnte Cruz einen hohen Preis für diese riskante Strategie bezahlen: Wenn er 2016 für die Republikaner als Präsidentschaftskandidat antreten will, wird er wohl oder übel genau jene im Parteiestablishment brauchen, die er nun vorgeführt und gedemütigt hat. Und dass ein Hitzkopf wie Cruz wohl keine Chance hat, die unentschlossenen Wähler in den wichtigen swing states, zu überzeugen, wissen die republikanischen Berater, Funktionäre und Parlamentarier nur zu gut.

Insofern könnte sich gerade wegen der Radikalität der Tea-Party-Basis und ihres neuen Lieblings Cruz wieder ein Demokraten oder eine Demokratin den Platz im Weißen Haus sichern. Oder wie es der Blogger Ezra Klein formuliert: "Wenn es Ted Cruz nicht geben würde, müssten ihn die Demokraten erfinden."

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