Süddeutsche Zeitung

US-Wahlen:Die Außenseiter von New York

Lesezeit: 4 min

Donald Trump will in der Heimat siegen. Doch die wenigen Republikaner tun sich schwer mit einem Kandidaten, der um die Abgehängten wirbt - und nicht um die Gewinner.

Von Pia Ratzesberger, New York

Noah Jaffe saugt die Luft ein, der Brustkorb hebt sich, er drückt mit zwei Fingern gegen seine Nasenflügel. Nur so würde er ihn wählen können, nichts riechen, nichts schmecken. Nur das Kreuz machen. Nur so würde er für diesen wahnsinnigen Mann stimmen können, der gerade in diesen Tagen wieder um sich beißt wie ein in die Ecke gedrängtes Tier. Jaffe, 26 Jahre, lehnt am Tresen, was ist nur mit seiner Partei passiert, seiner geliebten Grand Old Party. Er schüttelt den Kopf, er klopft seinem Kollegen auf die Schulter, weißt du noch damals, bei den Primaries, als ich dir sagte, sobald Donald Trump erst einmal raus ist, wird alles gut? Sie lachen.

New York, Manhattan, 3rd Avenue, eine Bar wie viele in diesem Block. Pale Ale für acht Dollar, Gespräche über die letzte Geschäftsreise nach London, das neue Restaurant in der Upper East Side. Die Republikaner Manhattans geben eine Fundraising Party, wobei Party eigentlich schon zu viel gesagt ist für diese Handvoll Leute, ganz hinten in der Ecke. Nur fünf Tische sind an die Wand geschoben, die gesamte Bar zu mieten hätte sich nicht gelohnt. Republikaner, das sind in dieser Stadt die Außenseiter. In dieser Stadt, die der Freiheit ein mehr als 90 Meter hohes Denkmal errichtet hat, die ihre Bewohner aus der ganzen Welt umarmt und ihnen zuflüstert: Komm schon, du entscheidest, wähle dir eines aus tausend verschiedenen Leben.

Drei Jahrzehnte hat kein republikanischer Präsidentschaftskandidat mehr die New Yorker überzeugt, der letzte war Ronald Reagan. Manche Roten schweigen in der größten Stadt der USA lieber über ihre politische Gesinnung, fürchten die Häme der Masse, gerade in Zeiten von Donald Trump. Doch der will in seiner Heimatstadt unbedingt siegen, erst vor wenigen Wochen sagte er wieder: "We are going to play New York so hard. It's going to shock people." Sie werden New York so hart angehen, die Leute werden schockiert sein.

Noah Jaffe ist geschockt, allerdings nicht so, wie Trump sich das vorgestellt hat. Der Anwalt, schwarze Haare, stets lächelnd, trägt rahmengenähte Schuhe, die linke Hand in der Anzugtasche versenkt, in der rechten ein Bier. Er zieht die Augenbrauen hoch, ein Seufzen, seine Partei werde an Trump schon nicht zugrunde gehen, den amerikanischen Bürgerkrieg habe sie auch überstanden. Sein Kollege lächelt nur, der Blick trüb vom Alkohol. Er wird irgendetwas in die Lücke auf dem Wahlzettel schreiben, Hillary Clinton ist keine Option, vielleicht Paul Ryan, er zuckt mit den Schultern, auch schon egal.

Eine blonde Frau, High Heels, Burberry-Schal, die Stirn in Falten, erhebt ihr Glas, ruft zur Anti-Trump-Bewegung auf, weg mit dem Kerl. Eine andere wispert: "Ich habe es wirklich versucht, mich mit ihm anzufreunden, ehrlich." Auch sie trägt die Insignien der Konservativen, eine Ralph-Lauren-Bluse, eine Louis-Vuitton-Tasche. Die Augen groß, als säße sie im Beichtstuhl, als bäte sie um Vergebung, sagt sie: "Aber es ging einfach nicht, ich bin doch eine Frau." Sie verzieht entschuldigend die Lippen. Donald Trump will die New Yorker, aber sie wollen ihn nicht. Dabei sehnen sie sich so nach einem Kandidaten, der für sie steht.

Er verkörpert nichts von dem, worauf sie hier stolz sind: Freiheit, Vielfalt, Freigeist

Fragt man die Unternehmerinnen und Banker, die Vermögensverwalter und Anwältinnen, warum sie Mitglied bei der Grand Old Party sind, diesem fast schon geheimen Club in Manhattan, antworten die meisten: niedrigere Firmensteuern, überhaupt weniger Regierung und mehr Markt. Das Recht auf Waffenbesitz, wie im zweiten Zusatzartikel der Verfassung festgeschrieben. Ein stärkeres Amerika, eines, das führt in der Welt und nicht zaudert.

Alles Themen, mit denen Trump die jungen Republikaner hätte gewinnen können, er will die Unternehmensteuern auf 15 Prozent senken, den Zusatzartikel nicht anrühren, er will Truppen aussenden, um den IS zu zerstören. Doch Trump ist eben auch der Kandidat, der an der Grenze zu Mexico eine Mauer hochziehen will. Der davon spricht, keinen Muslim einreisen zu lassen. Der damit prahlt, Frauen gegen ihren Willen zu küssen. Trump verkörpert nichts von alledem, worauf sie hier in seiner Heimat stolz sind: Freiheit, Vielfalt, Freigeist.

Noah Jaffe zieht die Kreditkarte, wahrscheinlich das letzte Getränk an diesem Abend, er muss bald los. Manhattan eben. Er blickt hinüber zu dem Grüppchen vor den vielen Platten mit Burgern und Chips, einen Großteil wird die Kellnerin später unberührt wieder abräumen. Republikaner in New York zu sein, das ist, wie in Oberbayern die Linke zu wählen: ein Tabu. Eine Studentin an der Columbia University erzählt an einem anderen Tag, dass eine Kommilitonin ein Glas Wasser ablehnte, weil der Becher mit dem Schriftzug der Partei bedruckt war. Ein Anwalt aus einem Büro südlich des Time Square berichtet amüsiert von Rendezvous, die in dem Moment vorbei waren, als er sich als Roter bekannte. Noah Jaffe hat sich vor allem aus einem Grund beim Manhattan Club gemeldet, als er für den Job nach New York zog: um endlich Leute zu treffen, die sind wie er.

Im Büro zum Beispiel, da erwähne man Trump derzeit lieber erst gar nicht, Jaffe schüttelt den Kopf, hebt abwehrend die Hände. Was sollten die Klienten bloß von ihm denken. Der Anwalt ist erst Mitte zwanzig, doch seinen Lebenslauf zieren Staatsabteilungen und Führungsprogramme. Ein anderer Gast, ebenfalls im Anzug, scrollt gerade durch die letzten Nachrichten auf seinem Telefon, alles Lobeshymnen von Kunden, deren Geld er mal wieder vermehrt hat: "Great Job", "I love you!!!" Er blickt auf, grinst, so soll das sein.

Eine seiner Mitarbeiterinnen ist momentan in Indien unterwegs, wirbt reiche Klienten an, er selbst besitzt ein Dutzend Appartements in New York. Der Vermögensverwalter reckt den Kopf, "läuft alles". Auch das passt nicht zu Trump: Der 70-Jährige inszeniert sich als Kämpfer für die Verlorenen, für diejenigen, die sich vom amerikanischen Traum verhöhnt fühlen. Diese Menschen hier aber leben ihn.

Eine der Organisatorinnen des Abends, vielleicht noch die loyalste von allen, schwarzes Cocktailkleid und Seitenscheitel, wird Trump trotz allem ihre Stimme geben. Sie nickt, ja, er sei nun einmal der Kandidat, jetzt wähle sie ihn auch. Wenn nicht aus Begeisterung, dann aus Pflicht. Viele Leute redeten Mist, das könne man doch ertragen. Demokraten könnten außerdem auch ziemlich gemein sein. In Downtown habe sie im Wahlkampf jemand angespuckt. Ihr erwartungsvoller Blick will sagen: Siehste mal.

Neben ihr steht der Mann mit dem Dutzend Appartements, auch er wird Donald Trump wohl wählen. Doch er lächelt und hält sich die Nase zu. Nur so.

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SZ vom 02.11.2016
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