Vor zwei Wochen fanden in der Republik Moldau Präsidentschaftswahlen und ein EU-Referendum statt, und es gab zwei Überraschungen: Das Referendum ging mit etwas mehr als 50 Prozent Ja-Stimmen denkbar knapp aus, und die amtierende Präsidentin Maia Sandu muss mit 42 Prozent der Stimmen an diesem Sonntag in die Stichwahl.
Dass ihr stärkster Konkurrent, Alexandr Stoianoglo von den russlandfreundlichen Sozialisten, 26 Prozent holen würde, war in Chişinău vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen nicht erwartet worden. Nun wird in proeuropäischen Kreisen in der Republik Moldau befürchtet, dass die Wähler, die zuvor für andere, prorussische Kandidaten gestimmt hatten, Stoianoglo ihre Stimme geben. Es könnte also sehr, sehr knapp werden.
Sandu sprach von einem „beispiellosen Angriff auf Freiheit und Demokratie“
Wenig überraschend war hingegen gewesen, dass Moskau im ersten Wahlgang und bei dem Referendum, mit dem der angestrebte EU-Beitritt in die Verfassung geschrieben werden soll, massiv interveniert hatte. Präsidentin Sandu war noch in der Nacht nach der Wahl am 20. Oktober vor die Presse getreten und hatte von einem „beispiellosen Angriff auf Freiheit und Demokratie“ gesprochen. Es gebe Beweise, dass mehr als 300 000 Stimmen gekauft worden seien.
In den vergangenen zwei Wochen ist die Lage extrem angespannt geblieben; Ermittlungen von Staatsschutz und Polizei brachten weitere Belege für Manipulationen ans Licht. So sollen umgerechnet 36 Millionen Euro an moldauische Bürger von der russischen Staatsbank Promswjasbank transferiert worden sein, die durch Textnachrichten über die Geldanweisungen informiert wurden.
15 Millionen US-Dollar sollen im September, 24 Millionen im Wahlmonat Oktober ins Land geflossen sein. Dahinter, heißt es, stehe der moldauische Oligarch Ilan Șor, der sich auf der Flucht vor einer Haftstrafe erst nach Israel und dann nach Moskau abgesetzt hatte. Seither seien Durchsuchungen im ganzen Land vorgenommen worden, so Polizeichef Viorel Cernăuțeanu. Danach seien 520 Mittelsmänner mit Geldstrafen von 37 000 Leu, etwa 2000 Euro, belegt worden.
Ein „Trojanisches Pferd Moskaus“?
In der Stichwahl treffen nun also die proeuropäische, durchaus populäre 52-jährige Staatschefin und ein ehemaliger Generalstaatsanwalt aufeinander. Besonders pikant ist die Sache, weil der 57-jährige Stoianoglo, der sein Amt 2019 angetreten hatte, bereits 2021 wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet worden war. Stoianoglo wurde suspendiert und 2023 entlassen.
Er zog jedoch vor Gericht und erreichte ein Urteil in eigener Sache vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, das ihm konzedierte, in Moldau kein faires Verfahren bekommen zu haben. Danach sprach ihn auch ein Gericht in Chişinău in einem der Anklagepunkte frei; Kritiker warfen den Korruptionsermittlern in der Hauptstadt vor, keine ausreichenden Beweise für die Vorwürfe gesammelt zu haben. Stoianoglo, der in der prorussischen autonomen Region Gagausien geboren ist, warf Sandu daraufhin vor, Ermittlungsbehörden und Justiz gegen ihn instrumentalisiert zu haben.
Im aktuellen Wahlkampf bestritt er, auf der Seite Russlands zu stehen; er wolle aber den Weg in die EU langsamer gehen. Der Nachrichtenagentur Reuters sagte er in einem Interview, sollte er gewinnen, werde er versuchen, die Spannungen mit der russisch dominierten Separatistenregion Transnistrien zu vermindern. Er sei auch jederzeit bereit, den russischen Präsidenten zu treffen. Sandu wirft dem Sozialisten vor, ein „Trojanisches Pferd Moskaus“ zu sein. Ihr Opponent bestreitet jedoch regelmäßige Kontakte nach Moskau. Das Referendum, mit dem der Beschluss zum EU-Beitritt festgeschrieben wird, hatte Stoianoglo allerdings boykottiert.