Bob Woodward wohnt im Haus mit dem höchsten Türmchen in einer an Erkern und Türmchen reichen Straße in Washingtons Stadtteil Georgetown. Drinnen stellt eine Haushälterin Kaffee auf einen antiken Tisch in einem Salon. Alles steht bereit, wenn Amerikas berühmtester Journalist erscheint. Er steht jeden Morgen um fünf Uhr auf und verliert ungern Zeit. Zunächst vergewissert er sich, dass das Aufnahmegerät funktioniert, dann antwortert er mit sonorer Stimme. Fragen zu Carl Bernstein scheinen ihn zu langweilen.
SZ: Mister Woodward, Sie hatten den größtmöglichen Erfolg mit 29. Was auch immer Sie in Zukunft tun werden, in Ihrem Nachruf wird der erste Satz sein: Bob Woodward war der Mann, der maßgeblich den Watergate-Skandal mit enthüllt hat. Seitdem haben Sie dennoch zahlreiche Bestseller veröffentlicht. Was treibt Sie?
Bob Woodward: Journalismus ist ein großartiger Beruf. Wenn Menschen von einem anderen Planeten kämen, um ein Jahr auf der Erde zu bleiben, und fragen würden: Was ist der beste Beruf? Dann müsste man ihnen sagen: der des Journalisten. Als Journalist tritt man vorübergehend in die Leben von Menschen, wenn sie interessant sind, und dann geht man wieder raus. Von einem Newsroom geht eine eigene Energie aus. Es geht immer darum: Was passiert, was ist überraschend, was ist unbekannt? Niemand bekommt den Auftrag, rauszugehen und etwas Langweiliges zu finden.
SZ: Aber war nach Watergate nicht alles irgendwie langweilig?
Woodward: Nachdem Nixon zurückgetreten war, winkte mich Howard Simons, der damals Nachrichtenchef war, durch ein Glasfenster in sein Büro. Er sagte, ich solle mich setzen und mir die Nachrufseite der New York Times anschauen. Da stand so etwas wie: Roger Smith, der 1947 einen Pulitzer-Preis gewonnen hat, ist mit 87 Jahren gestorben. Simons sagte: Das bist du. Der hat 1947 etwas geleistet, nun haben wir 1974, und man hat seitdem nie wieder etwas von ihm gehört. Er sagte mir, dass es auf den Teil des Tages ankommt, den man von innen heraus motiviert verbringt.
SZ: Wie ist es Ihnen gelungen, sich das zu bewahren?
Woodward: Jede Geschichte, auch die routinierteste, ist jedes Mal wieder ein neues Geheimnis. Es geht immer wieder darum, die Leute und Orte zu finden, die die schnellsten Antworten auf Fragen geben. Nach unserem Gespräch sagte mein Chef, nimm deinen Arsch hier raus und gehe zurück an die Arbeit. Ich denke, das war ein guter Rat. Mach dir keine Sorgen über die Vergangenheit oder deinen Nachruf. Was zählt, ist die Geschichte.
SZ: War es denn möglich, einfach auf die Straße zu gehen? Als jemand, der in einem Blockbuster von Robert Redford gespielt wurde, und als jemand, den jeder kennt? Sie und Bernstein waren die bekanntesten Journalisten der Welt...
Woodward: Sie dürfen das nicht ernst nehmen! Was heißt das schon? Ein bestimmter Prozentsatz der Leute mag das wahrgenommen haben, ein anderer nicht. Das Einzige, worauf es ankam, war: Woran arbeitest du und was hast du? Weißt du, worüber du sprichst? Bist du ernsthaft daran interessiert, etwas zu verstehen? Ich habe vier Bücher über George W. Bush geschrieben, weil ich Leute davon überzeugt habe, dass ich Menschen so ernst nehme wie sie sich selbst. Die wussten: Da kommt jemand, der rausfinden will, was passiert ist, der nicht parteiisch ist, der nichts politisieren will.
SZ: Sie denken nicht, dass Ihr Name Ihnen den Zugang erleichtert hat?
Woodward: Ich denke, die Macht im Journalismus liegt nicht darin, wer man ist oder für welche Institution man arbeitet. Es geht um die Information, die man hat. Wirkliche Macht kommt mit der Information. Verifizierte, wichtige, neue, etwas offenbarende, detaillierte Information. Selbst wenn der unbedeutendste Reporter der Welt im Weißen Haus anruft und sagt: Ich weiß, dass es gestern ein Treffen gegeben hat um 14.30 Uhr, in dem der Präsident eine verdeckte Aktion autorisiert hat für ein bestimmtes Land, dann kann man damit arbeiten.
SZ: Sie haben dennoch einen sehr privilegierten Zugang. Für Ihr Buch über den Supreme Court haben Sie einen Richter 16 Mal getroffen. Die Frau eines Mannes, über den Sie schrieben, sahen Sie über 30 Mal. Selbst Präsident Bush durften Sie mehrmals besuchen...
Woodward: ...bei Bush waren es elf Stunden!
SZ: Wir indes haben ein sehr enges Zeitfenster für dieses Interview. Wenn ich versuchte, Sie 30 Mal zu treffen, würde Ihnen das wahrscheinlich ziemlich auf die Nerven gehen. Wie vermeiden Sie das?
Woodward: Indem ich den Leuten nicht auf die Nerven gehe. Indem ich sie davon überzeuge, dass ich es ernst meine, ernsthaft bin und neue Informationen habe. Sie haben Ihre Hausaufgaben ja auch gemacht und wissen, wie oft ich mit wem gesprochen habe. Wenn ich schon einmal mit jemandem gesprochen habe, dann melde ich mich und sage, ich habe noch Fragen und ich habe noch Informationen. Das Thema ist, dass Sie Leute ernst nehmen müssen.
SZ: Wie haben Sie zum Beispiel Zugang zu Bush bekommen?
Woodward: Ich habe Leute um ihn herum interviewt, in den unteren, mittleren und oberen Ebenen. Sie wussten, dass ich daran arbeite. Dann habe ich beispielsweise bei meinem zweiten Buch "Plan of Attack" ein 21-seitiges Memo geschickt, in dem Dinge standen, von denen ich wusste, dass sie passiert waren.
SZ: Und Bush liest das?
Woodward: Kollegen sagten mir: Bist du wahnsinnig? Der liest so etwas Langes nie!
SZ: Hat er es gelesen?
Woodward: Ich habe es an einem Mittwoch abgeschickt und am Donnerstag rief mich Condoleezza Rice, die Sicherheitsberaterin des Präsidenten, an und sagte, ich solle vorbeikommen. Sie sagte: Sie haben viele Details. Sie können das schreiben, ob Sie nun mit dem Präsidenten sprechen oder nicht. Ich sagte, natürlich kann ich. Dann sagte sie: Wir sehen uns morgen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, über wen Woodward sein nächstes Buch schreiben will.
SZ: Was stand denn in dem Memo?
Woodward: Nur was ich wusste. Über Treffen, den Geheimdienst, Gespräche, Themen, Daten, die er bekommen hat von Cheney, Powell, Rumsfeld und Rice, dem CIA-Direktor Tenet. Das war eine Art Skizze von dem, was passierte.
SZ: Sie sprechen mit Hunderten von Leuten mehrere Male. Ein Kollege von Ihnen sagte mir: Bob ist wie ein Vakuum, er saugt Informationen auf. Wie organisieren Sie die Informationen dann?
Woodward: Ich habe zwei Assistenten. Wir ordnen das nach Chronologie und Leuten.
SZ: Was machen die Assistenten?
Woodward: Wenn ich jemanden treffen möchte, bereiten sie Fragen für mich vor und erstellen Memos.
SZ: Schreiben Sie denn gerne danach?
Woodward: Sicher.
SZ: Ja? Es gibt Kollegen, die sagen: Es ist großartig, ein Buch geschrieben zu haben, aber es ist die Hölle, es schreiben zu müssen.
Woodward: Es ist schon schmerzhaft. Man fängt mit einem leeren Bildschirm an. Aber das ist eines der schönen Dinge am Sachbuchschreiben. Wenn man seine Hausaufgaben gemacht hat und viele Informationen hat, dann ist es ziemlich einfach, den Bildschirm zu füllen.
SZ: Haben Sie denn einmal darüber nachgedacht, einen Roman, etwas Fiktives zu schreiben?
Woodward: Ich schrieb einmal einen Roman im College. Er wurde nicht veröffentlicht und war auch nicht veröffentlichbar. Nicht sehr gut.
SZ: Während Watergate haben Sie mit Carl Bernstein im Team gearbeitet. Während Sie weiter erfolgreich waren, war Carl Bernstein, wie eine Journalistin einmal schrieb, vor allem bekannt dafür, Bernstein zu sein, und füllte die Klatschspalten. Wie konnten so unterschiedliche Charaktere zusammenarbeiten?
Woodward: Wir sind schon unterschiedlich. Das kann man ja in dem Film und im Buch "All the President's Men" nachvollziehen. Aber es gibt auch viele Ähnlichkeiten.
SZ: Ein Leben wie seines wäre nichts für Sie?
Woodward: Er hat die Washington Post verlassen, ging nach New York und hat dort geheiratet. Ich liebe diese Arbeit und ich liebe es, morgens aufzustehen und zu denken... Dort sind überall Dinge versteckt und unbekannt. Ich finde es leichter zu arbeiten, als nicht zu arbeiten. Ich arbeite gerade an einem Buch über Barack Obama. Das ist eine der interessantesten und logischsten Zeiten, um herauszufinden: Was ist die Hintergrundgeschichte? Was passierte wirklich?
SZ: Worum soll es in dem Buch denn gehen?
Woodward: Es geht darum, wie er entscheidet und regiert. Ich weiß noch nicht, was der Fokus sein wird.
SZ: Haben Sie ihn schon getroffen?
Woodward: Ja, ich habe ihn getroffen.
SZ: Wie oft?
Woodward: Hm...
SZ: Sie wollen nicht darüber reden?
Woodward: Wissen Sie...
SZ: Haben Sie ihm denn auch ein Memo geschrieben?
Woodward: Nein, nein, nein, nein. So weit bin ich noch nicht.
SZ: Gibt es denn...
Woodward: Ich habe ihn ein paar Mal getroffen. Aber ich habe ihn noch nicht interviewt. Ich habe noch nicht danach gefragt, ihn zu interviewen im Moment. Gerade sammle ich noch Daten von allerlei Leuten und Dokumente, und dann werde ich mich durch die Informationskette arbeiten.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, ob Woodward Parallelen zwischen Bush und Nixon sieht.
SZ: Gibt es denn einen Unterschied zwischen dem Zeitungsreporter und dem Buchautor Bob Woodward?
Woodward: Ich denke, sie sind sehr miteinander verbunden. Ich habe nun 15 Bücher geschrieben. Die Post hat sie alle bis auf das erste in Auszügen gedruckt. Es geht immer darum herauszufinden, was wir nicht wissen. Und die Frage ist immer, warum etwas passiert ist. Das Buch ist nur die lange Version. Manchmal kann man beides tun. Als ich mit Obamas Sicherheitsberater sprach, konnte ich das auch für die Zeitung verwenden.
SZ: Gibt es für den Buchautor Bob Woodward noch Konkurrenz?
Woodward: Die tägliche Zeitung. Sie covern Obama die ganze Zeit. Dazu auch das Fernsehen. Oft lese ich Sachen in der Zeitung und denke, das hätte ich auch gerne gehabt.
SZ: Einer der wenigen anderen mit Watergate befassten Reporter war Seymour Hersh von der New York Times. Er spielt bis heute als einer der wenigen investigativen Reporter in Ihrer Liga. Im Gegensatz zu Ihnen scheint er Feinde zu brauchen. Ein Offizieller der Bush-Regierung hat ihn als eine Art Terrorist bezeichnet. Kritiker werfen Ihnen oft vor, dass Sie nur berichten, aber keine Haltung oder Meinung hätten. Muss ein guter Reporter das nicht haben?
Woodward: Das ist richtig und nicht richtig. In meinem vierten Buch über Bush sage ich am Ende, was ich denke, nämlich dass der Irak-Krieg ein Leadership-Fehler ist. Ich habe sieben Jahre über Bush gearbeitet. Wenn ich das nicht zusammenfassen könnte, wer könnte es dann?
Hersh ist ein wirklich guter Reporter. Ich denke aber, unsere Ansätze sind unterschiedlich. Er ist der Typ, der aufsteht und ins Maschinengewehrfeuer läuft. Ich versuche zu verstehen, wie Leute funktionieren, ihre eigenen Motive und den Weg, den sie gehen. Und das extensiv zu berichten. Vor kurzem habe ich mit einem Historiker gesprochen, er sagte, du kannst in deine Bücher schauen, und der Stoff ist Geschichte: An jenem Tag war dieses Geheimdiensttreffen und an jenem wiederum hat der Präsident dieses gesagt und so fort. Das versuche ich: etwas zwischen Zeitung und Zeitgeschichtsschreibung.
SZ: Ich hatte den Eindruck, dass in den jüngsten Büchern eine Art Enttäuschung über Bush mitschwang. Fühlten Sie sich ein bisschen von Ihren Quellen betrogen?
Woodward: Das erste Buch handelte von der Entscheidung, nach Afghanistan zu gehen. Selbst John Kerry, der gegen Bush bei der Präsidentschaftswahl antrat, sagte, dass Bush da gute Arbeit gemacht habe. Als ich über den Irak schrieb - das Buch wurde 2002 veröffentlicht - lag die Invasion noch ein paar Monate in der Zukunft. Man kann nicht über etwas schreiben, das noch nicht stattgefunden hat. Ich mache mit meinen Büchern Schnappschüsse. Es hat sicher niemand vorher vier Bücher über eine Präsidentschaft geschrieben. Ich habe mich währenddessen nicht geändert. Bushs Leistung und die Umstände für seine Entscheidungen waren unterschiedlich.
SZ: Ich hatte den Eindruck eines veränderten Tons, besonders beim Lesen der jüngsten Bücher, zum Beispiel, wenn Sie schildern, wie Donald Rumsfeld die Situation im Irak-Krieg mit einer Früchteschüssel verglich. Sie haben während des Vietnamkriegs gedient und wissen, was Krieg für junge Soldaten bedeutet. Spielte das eine Rolle? Ist der Buchtitel "State of Denial" für sich genommen nicht schon eine starke Meinungsäußerung?
Woodward: Ich habe schlicht nur über etwas berichtet, das passierte. Rumsfeld hat mir das nicht für das erste Buch erzählt, sondern für dieses. Wenn man die Bücher über Bush ansieht, haben alle bestanden, es ist das, was passierte. Sie sind eine fast mikroskopische Arbeit dazu, wie Präsidenten leben und entscheiden, und so kann man das dem Leser zeigen.
SZ: Vor einigen Jahren sagten Sie in einem Interview, dass man Bushs Präsidentschaft, besonders die Irak-Politik, erst in einigen Jahren bewerten kann. Was meinen Sie heute?
Woodward: 2003 sah es nach einem sehr schnellen Krieg aus. Später war es ein Desaster. Dann gab es diese Geheimoperationen und anderes, und nun sieht es danach aus, dass die Lage sich stabilisiert hat. Am Ende eines Interviews habe ich ihn gefragt: Was denken Sie, wie die Geschichte Ihren Irak-Krieg bewerten wird? Er sagte: Wir werden die Geschichte nicht kennen, wir werden tot sein. Er hat recht.
SZ: Gibt es denn Parallelen zwischen Nixon und Bush? Die Nixon-Administration log, und auch die Bush-Regierung war nicht immer an der Wahrheit interessiert.
Woodward: Der große Unterschied zwischen Bush und Nixon ist, dass das, was Nixon tat, illegal war. Auch die Republikaner haben ihn verurteilt. Senator Goldwater sagte: Nixon - zu viele Verbrechen, zu viele Lügen. Bush hat zu oft nicht offengelegt, was passierte. Es gibt viele Kontroversen. Aber ich sehe nicht die Kriminalität. Auch wenn es sicher Leute gibt, die die Befragungstechniken als kriminell bezeichnen würden.
SZ: Die Nixon-Leute versuchten, Ihre Glaubwürdigkeit zu beschädigen. Sein Sprecher streute Gerüchte über Sie und Bernstein. Heute haben sich die Public Relations weiter professionalisiert. Wie verändert das den Journalismus?
Woodward: Die Regierungen sind während der Obama- und Bush-Regierungen und besonders auch während Clinton in den Neunzigern sehr gut darin geworden, unser journalistisches Geschäft zu verstehen. Sie versuchen eine Nachricht des Tages zu haben für die Journalisten und so zu beschränken, was berichtet wird und was die Journalisten machen.
SZ: Diese PR-Armeen stehen besonders in den USA derzeit geschwächten Zeitungen gegenüber, die unter der Anzeigenkrise leiden und keine Antworten darauf finden, wie sie mit Online-Journalismus Geld verdienen sollen. Haben Journalisten noch genug Zeit und Ressourcen, um dem Unbekannten und Neuen nachzugehen, wie Sie es sich wünschen?
Woodward: Es wird etwas Zeit brauchen, bis sich das alles ordnet. Ich mache mir schon Sorgen um den Journalismus. Wir erleben im Moment einen Wandel. Das ist schmerzhaft. Viele Leute verlieren ihre Jobs. Es gibt viel Unsicherheit. Aber ich denke, der Journalismus wird als Institution ein Comeback haben, weil die Menschen gute Informationen brauchen, die nicht gefiltert sind und die nicht durch PR-Leute gesteuert werden.
SZ: Ist der schnelle Internet-Journalismus denn der, den Sie machen wollten? An dem Abend, als Sie Ihren 33 Jahre lang geheim gehaltenen Watergate-Informanten "Deep Throat" öffentlich machten, soll die Online-Redaktion der Post Druck gemacht haben, weil ein anderes Medium die Enttarnung gemeldet hatte.
Woodward: Ich habe das entschieden. Ich fühlte mich wohl damit. Aber ich finde es schon gut, Zeit zu haben, um an Dingen zu arbeiten.
SZ: Dennoch hat sich der Nachrichtenzyklus sehr verändert seit Watergate. In den Siebzigern dauerte es 24 Stunden, heute gibt es eine Art Echtzeit-Journalismus durch die Berichterstattung über Internetportale. Was bedeutet das für tiefgreifende Recherchen?
Woodward: Das führt dazu, dass die Leute zu sehr nach aktuellen Entwicklungen gieren und nicht genug Zeit damit verbringen, sich in die Dinge hineinzuwühlen. Sie sagen: Gib mir das Aktuellste! Das Problem mit dem Aktuellsten ist, dass es oft unwahr ist. Und es hat keine Bedeutung. Die Frage ist nicht: Wie verläuft die schrittweise Entwicklung? Die Frage ist: Was ist die Hintergrundgeschichte? Was ist versteckt? Was wissen wir nicht? Wir brauchen eben manchmal Wochen und Monate, um herauszufinden, was wirklich passiert.
SZ: Ist das denn dem Management aller Zeitungsunternehmen bewusst? Das Time Magazine hat zwei investigative Starreporter entlassen mit dem Argument, sie seien zu teuer. Zur selben Zeit kaufte das Unternehmen die Rechte am Baby von Brad Pitt und Angelina Jolie für angeblich vier Millionen Dollar.
Woodward: Das ist gerade eben eine Zeit des Stillstands für die Wirtschaft. Ich bin optimistisch. Die Leute brauchen gute und valide Information. Und ich denke, sie werden sie bekommen. Stecken Sie mich in die Optimisten-Spalte!
SZ: Eine besondere Art des Journalismus in den USA ist ja tatsächlich sehr erfolgreich. Radiomoderatoren und Fernsehsender verdienen mit Meinungs- und teilweise auch Hetzjournalismus Millionen. Obamas Reformversuche werden gar zum Teil mit Nazimethoden verglichen.
Woodward: Ich denke dennoch, dass das Fernsehen, das Internet und Zeitungen weiter gute Informationen bieten werden.
SZ: Wie sollen wir nun vorgehen? In Deutschland ist es üblich, Frage-Antwort-Interviews etwas zu kürzen und zu bearbeiten, weil sie sich dann besser lesen lassen. Deswegen werden sie in der Regel vom Interviewten gegengelesen. Trauen Sie einem Reporter, den Sie nur einmal gesehen haben? Sie können das Interview auch autorisieren. Sollen wir das machen?
Woodward: So sollten wir es machen!
Bob Woodward, 64, ist einer der berühmtesten Journalisten der Welt, seitdem er zusammen mit seinem Kollegen Carl Bernstein als Lokalreporter der Washington Post maßgeblich zum Rücktritt Richard Nixons 1974 beitrug. Mitarbeiter des US-Präsidenten hatten einen Einbruch in die Büros des demokratischen Herausforderers im Hotel Watergate zu verantworten. Die beiden Journalisten, damals 28 und 29 Jahre alt, spürten viele Monate den Hintergründen des Einbruchs nach und machten mit ihren Berichten die Verbindungen zu Nixon sichtbar.
Weltweit berühmt wurden sie durch die Verfilmung ihres Buches über diese Zeit. In "All the President's Men" stellt Robert Redford Bob Woodward dar und Dustin Hoffman Carl Bernstein. Woodward schrieb seitdem mehrere Bestseller, zuletzt erschien "The War Within" über die Regierung George W. Bush. Woodward lebt mit seiner Frau, der Journalistin Elsa Walsh, in Washington, D.C.