Rentenerhöhung:Das Sieben-Billionen-Euro-Loch

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Jung gegen Alt: Weniger Menschen müssen künftig mehr leisten. Die geplante Rentenerhöhung wird einen "demographischen Orkan" auslösen.

Guido Bohsem

Als Marc Szydlik seinen Vortrag beendet, nickt Horst Köhler zustimmend. Der Wissenschaftler der Uni Zürich hatte dem Bundespräsidenten und seinen Gästen soeben ein Referat über das Verhältnis von Alt und Jung in Deutschland gehalten. Das Ergebnis: Einen Generationenkonflikt gibt es nicht. "Empirische Daten zeugen vielmehr innerhalb von einem Miteinander von Alt und Jung", lautet Szydliks Resümee.

Geplante Rentenerhöhung: des einen Freud, des anderen Leid (Foto: Foto: AP)

Fragt man den US-Ökonomen Laurence Kotlikoff, ist das kuschelige Szenario eine Illusion. Seiner Meinung nach ist der Konflikt der Generationen bereits in vollem Gange. Er rechnet mit einem "demographischen Orkan", der in den nächsten 40 Jahren über viele Länder hinwegfegen wird. Das gilt für die USA, das gilt auch für Deutschland. Kotlikoff ist wohl der rabiateste Warner vor den Folgen des demographischen Wandels.

Die beiden Wissenschaftler sind exemplarisch für eine Debatte, die durch die außerplanmäßige Renten-Erhöhung um 1,1 Prozent wieder laut geführt wird. Die Konfliktlinie verläuft nach dem Schema Alt gegen Jung, Erwerbstätige gegen Rentner. Im Kern geht es um die Frage, wer die hohen Kosten trägt, die im Renten- und Gesundheitssystem entstehen werden, weil Deutschland künftig von deutlich mehr Menschen bewohnt wird, die älter sind und nicht mehr arbeiten. Nach Kotlikoffs Berechnungen zahlt die derzeit aktive Generation sieben Billionen Euro in ihrem Leben weniger an Steuern, Abgaben und Gebühren, als sie insgesamt an Leistungen erhält.

Wenn die Baby-Boomer in Rente gehen

Das deutsche Gesicht im Jahr 2050 ist das eines 50-Jährigen. So hoch wird nämlich dann das durchschnittliche Alter der Bundesbürger sein, schätzt das Statistische Bundesamt. Heute liegt es bei 42 Jahren. Der Anteil der über 64-Jährigen steigt von 19 Prozent auf dann 29 Prozent. Sind derzeit noch 61 Prozent der Deutschen zwischen 20 und 65 Jahre alt, sind es 2050 nur noch knapp mehr als 50 Prozent.

Versorgen heute 100 Erwerbstätige rund 32 Senioren, werden sie im Jahr 2050 für 62 aufkommen müssen - weil die Baby-Boomer-Generation in Rente sein wird und die Lebenserwartung der Menschen immer weiter steigt. Gleichzeitig schrumpft die Bevölkerungszahl. In der Bundesrepublik werden in 40 Jahren noch knapp 69 Millionen Menschen leben, etwa 13 Millionen weniger als heute.

Beides - die höhere Zahl der Ruheständler und die sinkende Zahl der Einwohner - wirkt negativ auf die Wirtschaftskraft des Landes. Sprich, weniger Menschen müssen deutlich mehr leisten, um den Wohlstand zu halten und gleichzeitig die Alten zu versorgen. Das wird nach Einschätzung der meisten Ökonomen auch durch steigende Produktivitätsraten nicht ausgeglichen. Die Jungen erkennen das. Nach einer Umfrage im Auftrag des Bundesfamilienministeriums rechnen 57 Prozent der Deutschen zwischen 15 und 25 Jahren damit, dass der demographische Wandel negative Wirkungen auf ihre persönliche Lage haben wird. Sie erwarten sinkende Renten und höhere Krankenkassenbeiträge.

Doch es wird nicht nur die Jungen treffen. Auch die Altersarmut nimmt zu. Gelten derzeit knapp 400.000 Rentner als arm, wird diese Zahl nach Einschätzung des Wirtschaftsexperten Bert Rürup in 15 Jahren höher sein. Wie hoch, sei noch nicht absehbar, die Entwicklung aber sei im Gange. Das liege vor allem daran, dass viele Beitragszahler längere Zeit arbeitslos sind und so nicht genügend in die Rentenkasse einzahlen. Auch nehme die Zahl der "Solo-Selbständigen" zu. Das sind Menschen, die auf eigene Rechnung und für wenig Geld für ein Unternehmen arbeiten - und auch ihre Renten alleine finanzieren müssen.

© SZ vom 12.04.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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