Renten-Diskussion:Eine Zeit der Unwägbarkeiten

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Lebensläufe sehen heute völlig anders aus als zu der Zeit, in der die Eltern heutiger Berufseinsteiger begonnen haben. Im Durchschnitt fangen die Deutschen erst mit 25 Jahren zu arbeiten an, oft unter großen Schwierigkeiten. Sie heißen Befristungen, überlange Probezeiten, Praktika, Unterbezahlung, Armut an Perspektiven. Das gilt für Schulabbrecher genauso wie für Uni-Absolventen.

Aber selbst jene, die es auf eine feste Stelle geschafft haben, arbeiten in dem Wissen, jederzeit mit Unterbrechungen ihres Erwerbslebens rechnen zu müssen. Sie verdienen ihr erstes Geld in einer Zeit der Unwägbarkeiten. Wie soll Vertrauen in die Märkte als Basis ihrer individuellen Altersvorsorge wachsen, wenn eine Krise die nächste jagt? Wie soll Vertrauen in sozialpolitische Prinzipien wachsen, wenn diese Jahr um Jahr zusammengestrichen werden?

Unter diesen Bedingungen kann Vertrauen nicht wachsen. Kein Wunder also, dass zu wenige in der Generation der Berufsanfänger tatsächlich Geld für die private Altersvorsorge sparen. Und diejenigen, die es tun, setzen zu kleine Beträge ein. Es nutzt nichts, diesen Umstand zu beklagen. Es nutzt auch nichts, immer wieder zu erklären, was geschähe, wenn man in Zukunft zu einer rein staatlichen Daseinsfürsorge zurückkehrte. Die jungen Menschen kennen die vielen Wenns ihrer Zukunft. Sie wissen, dass sie selbst vorsorgen müssen. Aber offensichtlich ist: Viele überfordert das.

Es ist überfällig, auf diese Überforderung einzugehen. Die Debatte über Altersarmut künftiger Generationen, die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen angestoßen hat, tut das. Sicher, die Ministerin hat sich in der Ausgestaltung verrannt: Ihre Zuschussrente ist an zu viele Wenns geknüpft, sie basiert auf einer riskanten Verflechtung grundsätzlicher Prinzipien des Sozialstaats, des Versicherungs- und des Fürsorgeprinzips. Sie ist ungerecht, weil sie die Verantwortung für arme Rentner allein den rentenversicherten Bürgern aufbürden will - und nicht allen. Aber bei all diesen Schwächen: Endlich wird in Berlin über Altersarmut diskutiert. Das ist wichtig.

Denn jeder sollte sich fragen, ob er wirklich in einem Staat leben will, in dem junge Menschen dem Versprechen misstrauen müssen, in Würde altern zu können. Es ist eines der wichtigsten Versprechen des Sozialstaats, in das der Glauben verloren geht. Aber wer an den Sozialstaat nicht mehr glaubt, der pflegt ihn auch in Zukunft nicht.

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