Altersvorsorge:Taugt das Rentensystem für die Zukunft?

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Fünf von sechs Deutschen verlassen sich nicht allein auf die gesetzliche Rente, sondern sorgen auch privat vor. (Foto: HalfPoint Images/Imago)

Trotz aller Warnungen sind die meisten Menschen in Deutschland derzeit noch gut vor Armut im Alter geschützt. Doch wenn die nächste Regierung alles weiterlaufen lässt wie bisher, könnte sich die Situation bald deutlich verschlechtern.

Von Roland Preuß, Berlin

So schlecht steht es nicht um die Rente, nicht so schlecht jedenfalls, wie etliche Alarmmeldungen derzeit vermuten lassen. „Altersarmut ist ein Megaproblem unseres Landes“, erklärte Sahra Wagenknecht Mitte Januar. Deutschland habe „eines der leistungsschwächsten Rentensysteme in Europa“, so die BSW-Vorsitzende. Und die AfD-Sozialpolitikerin Gerrit Huy stellte im Dezember mit Verweis auf Millionen kleine Renten die These auf, mittlerweile seien „42,1 Prozent aller Rentner in Deutschland von Armut bedroht“. Solche Zahlen sind irreführend, sie geben nicht das ganze Bild wieder. Eine kleine Rente bedeutet nicht, dass jemand automatisch arm ist oder auch nur von Armut bedroht.

Die meisten Ruheständler haben neben der Rente weitere Einkommensquellen oder Vermögen: etwa ein Haus, in dem sie mietfrei wohnen, eine Betriebsrente oder private Vorsorgeverträge. Mehr als 80 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben mindestens eine zusätzliche Absicherung zur gesetzlichen Rente. Das zeigt ein Bericht für das Bundessozialministerium, der eben erschienen ist. „Man kann nicht pauschal sagen, dass die Menschen in Deutschland für das Alter schlecht abgesichert sind“, sagt Martin Werding. Er berät als einer der sogenannten Wirtschaftsweisen die Bundesregierung. Lediglich etwa jeder oder jede Sechste verlässt sich laut dem Bericht für das Sozialministerium allein auf die gesetzliche Rente.

Auch auf der anderen Seite, bei denen, die die Renten finanzieren, ist die Lage relativ gut. Beschäftigte und Arbeitgeber zahlen zusammen 18,6 Prozent des Bruttoeinkommens in die Rentenkasse ein. Der Anteil ist seit vielen Jahren stabil – und war vor 15 Jahren sogar deutlich höher. Möglich war die Entwicklung durch den unerwarteten Boom am Arbeitsmarkt, etliche Jahre stieg die Zahl der Menschen, die in die Sozialkassen einzahlen – und damit auch die Renten finanzieren. Bisher trägt das System die breite Mehrheit der etwa 21 Millionen Rentner im Land so gut wie ein frisch montierter Treppenlift.

Aktuelle Zahlen zeigen, dass die Gefahr der Altersarmut gestiegen ist

Man muss allerdings hinzufügen: noch. Denn die Probleme der Rente sind in Sichtweite oder bereits spürbar. Da wäre zunächst der zunehmende Anteil der Menschen, denen Altersarmut droht. Rund jeder und jede Sechste im Seniorenalter ist laut dem Altersbericht der Bundesregierung, der im Dezember erschienen ist, betroffen. Ein deutlicher Anstieg im Vergleich zur Lage vor 15 Jahren, erstmals ist die sogenannte Armutsgefährdungsquote der Ruheständler höher als die der Bevölkerung insgesamt.

Betroffen sind vor allem Zugewanderte, Menschen also, die oft später als Einheimische eine sozial versicherte Arbeit aufnehmen und in die Rentenkasse einzahlen. Fast 40 Prozent der ausländischen Senioren im Land sind laut Altersbericht armutsgefährdet. Zudem Menschen, die zu niedrigen Löhnen arbeiten – mit später entsprechend niedrigeren Renten. „Die Hauptrisikogruppen für Armut im Alter sind Menschen, die neben ihrer niedrigen gesetzlichen Rente nicht vorsorgen, Zuwanderer sowie Selbständige, die sich häufig ebenfalls nicht ausreichend absichern“, sagt Werding.

Hinzu kommen die Folgen der Alterung. Eine voraussichtlich bald schrumpfende Zahl von Beschäftigten muss eine wachsende Zahl von Rentnerinnen und Rentnern versorgen. 1990 finanzierten rechnerisch noch knapp drei Beschäftigte einen Ruheständler, inzwischen sind es nur noch rund zwei Beschäftigte. Und die Alterung dürfte sich in den kommenden Jahren mit Wucht bemerkbar machen: Geburtenstarke Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, wechseln die Seiten, vom Arbeitsleben ins Rentnerdasein, und haben damit das Recht auf Versorgung aus der Rentenkasse. Nachrückende Jahrgänge, die ins Berufsleben eintreten, sind deutlich kleiner. Nach der geltenden Gesetzeslage heißt dies: Die Renten steigen langsamer als die Löhne, die Älteren fallen immer mehr zurück hinter die Einkommen der Beschäftigten. Das Rentenniveau sinkt. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollte diese Entwicklung durch sein Rentenpaket stoppen, seine Pläne zerschlugen sich mit dem Ende der Ampelkoalition.

Die Beiträge an die Rentenkasse werden steigen, und damit wird sich auch die Arbeit verteuern

Auch die Beschäftigten und Unternehmen werden die Alterung zu spüren bekommen, und zwar über die Lohnabrechnung. Sie müssen einen immer höheren Anteil des Bruttolohns für die Rentenkasse abführen. Laut einer Vorausberechnung des Bundessozialministeriums steigt der Beitragssatz von derzeit 18,6 Prozent auf 20,4 im Jahr 2030 und 22,1 Prozent im Jahr 2035. Die Beiträge leisten je zur Hälfte Beschäftigte und Arbeitgeber, die Lasten hätten vor allem die Jüngeren zu schultern. Höhere Beiträge machen Arbeit teurer und können dazu führen, dass Beschäftigte schneller durch Software oder Maschinen ersetzt oder gar nicht erst eingestellt werden. Auch der Staat muss die Rentenkasse voraussichtlich mehr unterstützen als bisher. Schon heute schießt er jährlich mehr als 110 Milliarden Euro zu. Geld, das er nicht für Investitionen in Digitalisierung, Schienen oder Verteidigung ausgeben kann.

Der Reformbedarf bei der Rente ist unübersehbar. Zentral wird sein, ob die Politik einen Interessenausgleich findet: Wie garantiert man eine gute Altersvorsorge für die Älteren, ohne die Jüngeren unfair zu belasten? Wie stemmt man die Kosten der Alterung, ohne Arbeit zu teuer zu machen und Jobs zu vernichten? Wie weit sollte der Bund mit Steuergeld helfen, wenn er gleichzeitig Spielräume braucht für Zukunftsinvestitionen? Klar ist: Wenn die nächste Bundesregierung es einfach so weiterlaufen lässt wie bisher, dann werden die Warnmeldungen wohl bald tatsächlich berechtigt sein.

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