MütterrenteRentenversicherung kritisiert Ergebnisse des Koalitionsausschusses

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Stromsteuer runter für alle? Dieser Idee hat der Koalitionsausschuss den Stecker gezogen.
Stromsteuer runter für alle? Dieser Idee hat der Koalitionsausschuss den Stecker gezogen. (Foto: Catherina Hess)

Die Kosten des Bürgergelds sollen sinken – die Ausgaben für die Mütterrente steigen. Worauf sich die Koalitionsparteien geeinigt haben.

Von Bastian Brinkmann und Roland Preuß, Berlin

Dieser Tage konnte man Arbeitgeber bei einer ungewöhnlichen Übung beobachten: Sie freuten sich von Herzen über die deutsche Bürokratie, die ewig braucht. Die Deutsche Rentenversicherung hatte nämlich mitgeteilt, dass es die von Schwarz-Rot gewünschte Ausweitung der Mütterrente so schnell nicht geben könne. Frühestens 2028 würde es losgehen, zu kompliziert sei die Umsetzung in der Praxis, so die Rentenkasse. Solche Wartezeiten frusten Unternehmer eigentlich, doch bei der neuen Mütterrente freuten sie sich ausnahmsweise. Denn sie kostet etwa fünf Milliarden Euro Steuerzuschuss im Jahr. Wenn sie später kommt, spart das Geld. Aber nun soll es doch schon 2027 losgehen mit der Mütterrente für alle. Das hat der Koalitionsausschuss am Mittwochabend beschlossen. Das Beschlusspapier von Schwarz-Rot ist nur drei schlanke Seiten lang. Viel entschieden wurde inhaltlich also nicht, ein paar Dinge aber schon.

Rente

Mit dem Beschluss zur Ausweitung der Mütterrente bereits Anfang 2027 setzt sich die Koalition über Bedenken der Deutschen Rentenversicherung (DRV) hinweg, die um einen Start erst 2028 gebeten hatte. Immerhin haben die Koalitionäre im Ergebnispapier festgehalten: „Sofern eine technische Umsetzung erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist, wird die Mütterrente rückwirkend ausgezahlt.“ Die DRV kritisierte die Entscheidung dennoch scharf. „Die rückwirkende Auszahlung ist nicht schaffbar und sie macht auch wenig Sinn“, sagte Anja Piel, die Vorsitzende des DRV-Bundesvorstandes, der Süddeutschen Zeitung. „Wir setzen nun auf Änderungen im parlamentarischen Verfahren.“ Die geplante höhere Mütterrente für etwa zehn Millionen Rentenbeziehende müsse in vielen Fällen mit Grundrente, Hinterbliebenenrente oder Grundsicherung im Alter verrechnet werden. „Das ist ein hoch komplizierter Vorgang. Man muss den Prozess wegen der Ausweitung der Mütterrente völlig neu aufsetzen.“ Würde die Entscheidung so umgesetzt, würde sie voll auf dem Rücken der Beschäftigten der Deutschen Rentenversicherung ausgeführt, die noch mit der Umsetzung von Gesetzen der letzten Legislaturperiode beschäftigt seien, sagte Piel.

Bürgergeld

Das Bürgergeld soll in zwei Schritten durch eine neue Grundsicherung ersetzt werden. Ein erster Gesetzentwurf soll im Herbst kommen, kündigte Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) im Koalitionsausschuss an. Ende des Jahres soll dann der Entwurf für eine grundlegende Reform folgen. Wie viel dadurch im Haushalt eingespart werden soll, findet sich nicht im Ergebnispapier des Koalitionsausschusses. Zuvor war aus dem Finanzministerium zu erfahren, dass 2026 rund 1,5 Milliarden und 2027 drei Milliarden Euro eingespart werden sollen. Gelingen soll dies durch Maßnahmen wie schärfere Sanktionen, wenn Termine im Jobcenter verpasst werden. Zudem soll schärfer gegen Sozialbetrug vorgegangen werden.

Eine strittige Frage: Wie viel lässt sich beim Bürgergeld sparen?
Eine strittige Frage: Wie viel lässt sich beim Bürgergeld sparen? (Foto: Dominik Asbach)

Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, zeigte sich skeptisch, dass damit eine höhere Summe eingespart werden könnte. Um 1,5 Milliarden weniger für das Bürgergeld auszugeben, müssten 100 000 erwerbsfähige Bezieher komplett aus dem System ausscheiden, sagte Nahles auf einer Tagung in Lauf bei Nürnberg. Das sei möglich, aber schwierig. Zuvor waren noch höhere Zahlen genannt worden. So hatte das Bundesarbeitsministerium im November 2023 auf eine Anfrage der Unionsfraktion mitgeteilt, 100 000 weniger Bürgergeldbezieher würden knapp 700 Millionen Euro im Jahr sparen. Nahles sagte dazu, inzwischen dürften die Kosten insbesondere für die Unterkunft gestiegen sein, zudem handle es sich nicht um dieselbe Gruppe. Nahles rechnet mit erwerbsfähigen Hilfebeziehern, das Bundesministerium hatte auch mit Kindern kalkuliert, die weniger Hilfe erhalten.

Deutlich mehr würde die geplante Änderung bei Ukrainern bringen. Neu ankommende Geflüchtete sollen statt Bürgergeld nur noch Unterstützung wie Asylbewerber erhalten, das wäre weniger Geld. Dies würde den Bundeshaushalt um 900 Millionen Euro im Jahr entlasten, sagte Nahles. Wenn man alles zusammennehme, so seien die 1,5 Milliarden Euro Einsparung kommendes Jahr „machbar“, sagte Nahles. Für die drei Milliarden im Folgejahr aber müsste ein deutlicher Wirtschaftsaufschwung hinzukommen.

Energiekosten

Bei den Energiekosten will der Koalitionsausschuss nichts ändern gegenüber dem, was schon gemeinsam vereinbart worden war.  Die Bundesregierung möchte die Stromsteuer für rund 600 000 Firmen senken, aber nicht für alle Stromkunden. Das steht jedoch als „Sofortmaßnahme“ im Koalitionsvertrag. Seitdem streitet Schwarz-Rot: Sollen die dafür nötigen fünf Milliarden Euro woanders im Haushalt gestrichen werden oder nicht? Der Koalitionsausschuss verabschiedete lediglich eine Absichtserklärung, die Stromsteuer für alle zu senken, „sobald hierfür finanzielle Spielräume bestehen“.

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