Rente:Alleinsein einkalkuliert

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Doppelter Schlag für junge Witwen: Ein großer Altersunterschied schmälert die Hinterbliebenenrente, urteilte das Bundesarbeitsgericht. Das Risiko, lange Zeit verwitwet zu sein, sei in diesen Fällen bei Eheschließung einkalkuliert.

Von Detlef Esslinger, München

Wer einen Menschen heiratet, der elf oder noch mehr Jahre älter ist als man selbst, rechnet von Anfang an damit, später im Leben lange Zeit verwitwet zu sein. Man sollte deshalb lieber nicht auf die volle Hinterbliebenenrente hoffen. So jedenfalls lässt sich ein Urteil übersetzen, das das Bundesarbeitsgericht am Dienstag in Erfurt gefällt hat.

Der für die Altersversorgung zuständige Dritte Senat hatte sich mit dem Fall einer Frau zu befassen, die Jahrgang 1945 ist und mit einem 15 Jahre älteren Mann verheiratet war. Dieser war in der Baubranche beschäftigt und starb 2014. Der Arbeitgeber zahlt ihr zwar eine Hinterbliebenenrente, hat jedoch in seiner Versorgungsordnung festgelegt, dass "die Witwenrente für jedes über zehn Jahre hinausgehende Jahr des Altersunterschieds" eines Ehepaars um fünf Prozent gekürzt werde. Dagegen wehrte sich die Frau - zunächst vergeblich vor dem Arbeitsgericht München, anschließend jedoch erfolgreich vor dem Landesarbeitsgericht München. Die Bundesrichter bestätigten nun die Entscheidung der ersten Instanz und verwarfen die der zweiten.

In der indirekten, abstrakten Sprache der Juristen lautet ihre Begründung laut Pressemitteilung vom Dienstag so: "Bei einem Altersabstand von elf Jahren ist der gemeinsame Lebenszuschnitt der Ehepartner darauf angelegt, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringt." Der Altersabstand übersteige "den üblichen Abstand erheblich", und der Arbeitgeber, der die Witwenrente zahle, habe ein "legitimes Interesse, das hiermit verbundene finanzielle Risiko zu begrenzen". Das Bundesarbeitsgericht stellte in Rechnung, dass der Arbeitgeber der Frau die Witwenrente nicht streichen, sondern lediglich "maßvoll schrittweise" reduzieren wollte. Er verweigere die Zahlung nur in solchen Fällen gänzlich, in denen der Altersabstand zwischen Frau und Mann mehr als 30 Jahre beträgt.

Einen Altersunterschied von mehr als zehn Jahren gibt es bei 1,03 Millionen Ehepaaren

Die Entscheidung war so erwartet worden - spätestens seit im vergangenen Februar derselbe Senat in einem ähnlichen Fall ebenfalls dem Arbeitgeber recht gegeben hatte. Während am Dienstag, wie üblich, zunächst lediglich eine Pressemitteilung herausgegeben wurde, liegt zu dem Fall von Februar bereits das schriftliche Urteil vor. Dort war die Klägerin sogar 18 Jahre jünger als ihr verstorbener Mann; die beiden waren 16 Jahre verheiratet, bis zu dessen Tod 2011. Die Frau wollte monatlich 239,55 Euro erstreiten, der Arbeitgeber wiederum wollte gar nichts zahlen - weil er in seiner Versorgungsordnung für die Rente einen maximalen Altersunterschied von 15 Jahren festgelegt hatte. In beiden Fällen hatten sich die Frauen auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz berufen. Es will unter anderem Benachteiligungen aus Gründen des Alters beseitigen. Daher erklärt es Vereinbarungen, die Menschen deshalb benachteiligen, in Paragraf 7 für unwirksam. Allerdings enthält das Gesetz auch den Paragrafen 10, der eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters für zulässig erklärt, sofern sie "objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist". Bei der betrieblichen Altersvorsorge besteht das legitime Ziel des Gesetzgebers nach Ansicht des Senats darin, die betriebliche Altersvorsorge für die Firmen grundsätzlich attraktiv zu halten - wozu gehöre, "den Belangen einer begrenz- und kalkulierbaren Belastung Rechnung zu tragen".

Nach dem Mikrozensus 2017 des Statistischen Bundesamts beträgt bei insgesamt 736 000 Ehepaaren in Deutschland der Altersunterschied elf bis 16 Jahre. Bei 298 000 Paaren ist er sogar noch größer. Zusammen sind dies 5,9 Prozent aller Ehepaare. Die größte Gruppe bilden indes jene Ehepaare, bei denen der Altersunterschied ein bis vier Jahre beträgt: Dies sind knapp 8,4 Millionen Paare, also 47,7 Prozent. In dem Fall, der nun am Dienstag in Erfurt zu entscheiden war, spiegeln sich offenbar nicht nur traditionelle Vorstellungen über Ehepaare, sondern auch typische Konstellationen in der Baubranche: Die Versorgungsordnung des Arbeitgebers war keineswegs geschlechtsneutral formuliert. Sondern sie erwähnte ausdrücklich nur den Fall, dass "die Ehefrau" mehr als zehn Jahre jünger ist als "der verstorbene Ehemann".

© SZ vom 12.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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