Süddeutsche Zeitung

Rennen um das Weiße Haus:Clintons Wahlprogramm - was die Demokratin plant

  • Vor der US-Wahl: Was Hillary Clinton plant, falls sie die Wahl gewinnen sollte.
  • Das Justizsystem soll weniger streng, Reiche höher besteuert werden.
  • In der Außenpolitik gilt sie als interventionistischer als Obama, in der Einwanderungsfrage schlägt sie eine Komplett-Reform vor.
  • Erstmals könnten zwölf Wochen bezahlter Elternzeit in den USA Realität werden.

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Wie würden die Vereinigten Staaten aussehen, wenn Hillary Clinton Präsidentin wird? Ihr Wahlprogramm gibt dafür einige Anhaltspunkte. Der Überblick in den wichtigsten Politikfeldern.

Wirtschaft und Steuern: Sondersteuer für Reiche

Die Zahl der Jobs in den USA wächst, gleichzeitig verabschieden sich immer mehr arbeitsfähige Amerikaner aus dem Arbeitsmarkt. In den ersten 100 Tagen will Clinton deshalb ein Konjunkturprogramm starten, um die veraltete Infrastruktur zu modernisieren - Straßen, Brücken und Flughäfen sind oft in einem erbärmlichen Zustand. Zudem soll der Staat zehn Milliarden Dollar investieren, um mit Gewerkschaften und Arbeitgebern Fertigungsjobs zurück in die USA zu bringen. Weitere Milliarden fließen in Beschäftigungsprogramme junger Menschen, die ähnlich des deutschen dualen Ausbildungssystems funktionieren sollen ("Earn while you learn") und die Unterstützung von Firmengründungen in wirtschaftlich schwachen Gegenden. Finanziert werden sollen solche Programme über die Abschaffung von Steuerprivilegien für all jene Firmen, die Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. Kleinere Firmen sollen einfachere Regeln für die Steuerabrechnung von Mitarbeitern bekommen. Banken sollen für hohe Schulden eine Risikogebühr zahlen müssen.

In der Steuerpolitik will die Demokratin die Reichen stärker zur Kasse bitten: Ein Mindeststeuersatz von 30 Prozent für Einkommen von mehr als zwei Millionen Dollar, dazu eine "Zuschlag" genannte Reichensteuer von vier Prozent auf Einkommen von mehr als fünf Millionen Dollar. Steuersenkungen sind nicht geplant. Einzig der Steuerfreibetrag, den Familien pro Kind erhalten, soll auf 2000 Dollar verdoppelt werden.

Innere Sicherheit: Polizei und Justiz in der Bringschuld

Die ehemalige First Lady wünscht sich Reformen bei der Behandlung von Afroamerikanern durch Polizei und Justizsystem, sie unterstützt viele Anliegen der linken, schwarzen Bürgerrechtsbewegung "Black Lives Matter". Die Demokratin ist gegen verpflichtende Mindeststrafen und langjährige Haftstrafen wegen Drogenbesitzes (sofern keine Gewalttat ausgeübt wurde). Diese treffen vor allem schwarze oder hispanische Amerikaner überdurchschnittlich. Sie unterstützt Gesetze gegen die Praxis von Polizeikontrollen nach Hautfarbe (racial profiling) und will Cops besser schulen, damit diese eigene Vorurteile gegenüber Angehörige von Minderheiten erkennen und abbauen.

Anders als ihr Gegenüber Donald Trump sieht Clinton eine strengere Kontrolle des Waffenverkaufs als Beitrag zur inneren Sicherheit, um Terroranschläge in den USA zu erschweren. Sie setzt sich für stärkere Hintergrund-Überprüfungen bei Waffen-Messen sowie für ein Verkaufsverbot von Sturmgewehren ein.

Außenpolitik: Offensiver als Obama

Hillary Clinton gilt seit ihrer Zeit als Außenministerin als Falke, also eher zu Militär-Interventionen bereit. In Syrien will sie theoretisch weiter als Obama gehen, allerdings ist es fraglich, ob sich Vorschläge wie eine Flugverbotszone überhaupt realistisch umsetzen lassen. Bodentruppen schließt sie dort aus, nicht aber dezidiert US-Sondereinheiten. Der "Islamische Staat" soll durch Luftschläge und Unterstützung lokaler arabischer und kurdischer Gruppen geschlagen werden und durch den Stopp von Waffen- und Geldflüssen, aber auch der Propaganda im Netz erreicht werden.

Im Verhältnis mit Russland ist sie deutlich stärker als ihr Konkurrent darauf aus, als Teil der Nato ein Gegengewicht zum Russland Wladimir Putins zu bilden. Das transpazifische Freihandelsabkommen TPP lehnt Clinton inzwischen ab, obwohl sie als Außenministerin dafür warb. Dies dürfte der handelskritischen Stimmung in den USA geschuldet sein und auch Folgen für die TTIP-Verhandlungen mit der EU haben. Anders als ihr Konkurrent erkennt sie die Klimaverträge von Paris an und will CO₂-Emissionen deutlich reduzieren.

Einwanderungspolitik: Clintons Reformversprechen

Hillary Clintons will dem Kongress in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit einen Vorschlag für eine Einwanderungsreform vorlegen. Im Zentrum soll dabei ein Weg zur Staatsbürgerschaft für langjährige illegale Einwanderer stehen. Abschiebungen sollen sich vor allem auf undokumentierte Personen beschränken, die polizeiauffällig wurden. Familien dagegen sollen nicht mehr damit rechnen müssen, dass Mitglieder ausgewiesen werden. In der Praxis dürfte sie den Republikanern im Kongress für die Legalisierung mehr Geld für die Grenzsicherheit anbieten. Ob sich hier aber wirklich etwas bewegt, ist angesichts des Rechtsrucks der Konservativen aber noch nicht abzusehen.

Frauen- und Familienpolitik: Elternzeit und gleiche Bezahlung

Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit ist eine der zentralen Forderungen der Kandidatin. Auch weil im Mindestlohn-Sektor zwei Drittel der Mitarbeiter Frauen sind, will Clinton den gesetzlichen Mindestlohn erhöhen, hat aber wegen der Rechte der Bundesstaaten nur bedingt Einfluss. Sie unterstützt Gesetze, die größere Firmen dazu verpflichten, der Regierung Daten über die Bezahlung ihrer männlichen und weiblichen Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen.

Die Demokratin stellt eine zwölfwöchige bezahlte Elternzeit (zwei Drittel des Einkommens) in Aussicht. Deren Kosten von 30 Milliarden Dollar pro Jahr sollen durch oben angesprochene "Steuern auf die Wohlhabenden" finanziert werden - ob hier der Kongress zustimmt, ist noch nicht gesagt. Alle Kinder ab vier Jahren sollen mittelfristig Zugang zu einem Vorschulplatz bekommen, die Kosten für die Kinderbetreuung sollen durch nicht näher benannte Zuschüsse sinken. In der stets akuten Kulturkampf-Frage der USA steht sie dort, wo alle Demokraten stehen: hinter dem Recht von Frauen auf Abtreibung.

Geld in der Politik: Mehr kleine Spenden, ein bisschen Transparenz

Die Demokratin hat angekündigt, per Erlass börsennotierte Unternehmen dazu zu zwingen, detaillierter offenzulegen, welche Politiker sie finanziell unterstützen. Kleinstspenden will sie durch einen Ausbau des öffentlichen Zuschusssystems größeres Gewicht verleihen. Zudem ist ein Kriterium für die Auswahl der Obersten Richter, ob sie die Flut an Millionen-Spenden kritisch sehen.

Ihr Vorschlag einer Verfassungsänderung, um das Großspender-Urteil "Citizens United" zu verwerfen (es erlaubt Firmen, unbegrenzt Geld in Wahlkampf-Unterstützergruppen zu pumpen), ist symbolisch: Eine Mehrheit im Kongress für eine größere Reform ist unwahrscheinlich. Clinton hat im Wahlkampf von den "Super Pacs" genannten Interessensgruppen finanziell profitiert und mehr als eine Milliarde Dollar eingenommen.

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