Berlin: Kampf ums Rote Rathaus:"Granate-Renate" will's wissen

Das Arbeiterkind Renate Künast arbeitete sich von ganz unten nach oben. Unter Rot-Grün wurde sie bundesweit bekannt, jetzt will die Grünen-Politikerin Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden. Ihre Karriere in Bildern.

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Politischer Aschermittwoch - Grüne

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So kennt man sie: Kämpferisch, nie um einen flotten Spruch verlegen und am liebsten immer im Mittelpunkt. Seit mehr als einem Jahrzehnt prägt Renate Künast die Politik der Grünen in Deutschland. Als "grüne Allzweckwaffe" bezeichnete sie Parteifreund Jürgen Trittin einmal, der frühere Kanzler Gerhard Schröder (SPD) taufte sie wegen ihres forschen Auftretens "Granate-Renate". Nun stehen ihre Chancen nicht schlecht, einen historischen Erfolg zu erringen.

Renate Künast

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Vor kurzem hat Künast ihre Kandidatur um das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin bekannt gegeben. Sie könnte bei den Wahlen im September 2011 die erste grüne Chefin einer Landesregierung in Deutschland werden.

In Berlin begann auch Künasts politische Karriere. Von 1985 bis 2000 war sie (mit einer Unterbrechung zwischen 1987 und 1989)  Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, hier bei den Wahlen 1999.

LÄNDERRAT DER GRÜNEN KÜNAST

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In der ersten Reihe fühlte sie sich immer wohl: Künast nahm 1989 als Unterhändlerin an Koalitionsverhandlungen für eine rot-grüne Landesregierung teil. In einer Kommission arbeitete Künast danach an der Reform der Landesverfassung mit. Das verschaffte ihr parteiübergreifend Respekt.

Renate Künast, dpa

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Schon 1979 war die Grünen-Politikerin der Berliner Alternativen Liste (AL) beigetreten. Zuvor hatte die in 1955 Recklinghausen geborene Renate Elly Künast zwei Jahre als Sozialarbeiterin in der Männer-JVA Berlin-Tegel gearbeitet.

Die Tochter eines Kfz-Mechanikers und einer Hilfsschwester hatte sich gegen den Widerstand ihrer Eltern durchgesetzt und nach der Realschule die Fachoberschule für Sozialwesen besucht. Später studierte Künast Jura an der TU Berlin. 1985 legte sie ihr zweites Staatsexamen ab.

Renate Künast, AP

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Genauso zielstrebig und durchsetzungsfähig trat die Juristin in der Politik auf. 1998 nahm sie an den Koalitionsverhandlungen zur ersten rot-grünen Bundesregierung Deutschlands teil. Gemeinsam mit Joschka Fischer, Kerstin Müller und Gunda Röstel (von links) stand sie jubelnd auf der Bühne, nachdem die Grünen-Delegierten den Koalitionsvertrag mit der SPD gebilligt hatten.

Zunächst galt Künast als Anwärterin für das Justizministerium. Im Laufe der Verhandlungen bekamen die Grünen jedoch nur drei Ministerposten - der des Justizministers war nicht dabei.

Renate Künast, dpa

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Die aufstrebende Grüne blieb in Berlin, hier bei einer Demonstration für Frauenrechte. Sie wurde Spitzenkandidatin für die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus 1999.

Der Abwärtstrend der Grünen in der Hauptstadt hielt jedoch an. Sie erhielten nur 9,9 Prozent der Stimmen - 3,3 Punkte weniger als bei der vorherigen Wahl.

Renate Künast

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Künast wird in ihrer Partei bis heute zugute gehalten, das Programm der Grünen über den Umweltschutz hinaus um gesellschaftliche Themen bereichert zu haben. So gehörte sie zu den Autoren des Positionspapiers "Multikulturelle Demokratie", das die Organisation der Einwanderung nach einem "Drei-Säulen-Modell" vorsieht: ökonomisch, politisch und juristisch.

1999 vollzog die heute 54-Jährige auf einem schwul-lesbischen Straßenfest eine symbolische Trauung. Die Aktion stand im Zusammenhang mit der Forderung nach rechtlicher Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen in der Hauptstadt.

GRÜNE RENATE KÜNAST

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Im Jahr 2000 wurde Künast bundesweit noch bekannter. Im Frühjahr gab sie ihre Kandidatur für den Bundesvorsitz ihrer Partei bekannt. Ihre Karriere kam nun richtig in Fahrt, jedoch nicht ohne harte Auseinandersetzungen.

Joschka Fischer, Fritz Kuhn, Renate Künast, dpa

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Der Parteitag, der sie im Sommer 2000 gemeinsam mit Fritz Kuhn an die Parteispitze wählte, war derselbe, auf dem die Grünen sich einen hitzigen Streit über den Atomausstieg lieferten. Die Pragmatiker setzten sich schließlich gegen die Befürworter eines sofortigen Ausstiegs durch, der Weg für den Atomkonsens war frei.

Künast und Kuhn waren die Wunschkandidaten von Außenminister Joschka Fischer, mit dem sie sich nach ihrer Wahl berieten.

Ihr Begehren, den Posten als Berliner Fraktionsvorsitzende zu behalten, wurde der frisch gewählten Bundesvorsitzenden jedoch verwehrt. Damals galt bei den Grünen noch das Gebot der Trennung von Amt und Mandat.

Edda Müller, Matthias Berninger, Renate Künast, dpa

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Dann ging alles ganz schnell. Im Januar 2001 beherrschte die BSE-Krise das Geschehen. Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) und Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) mussten zurücktreten.

Die Ministerien wurden umstrukturiert, Künast alleinige Ressortchefin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Den Bundesvorsitz der Grünen gab sie dafür auf.

Gemeinsam mit Staatssekretär Matthias Berninger begrüßte die neue Ministerin Anfang 2001 die Vorsitzende des gerade gegründeten Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Edda Müller.

Renate Künast mit Bullen "Tarzan", 2001

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In ihrer ersten Regierungserklärung gab Künast bekannt, dass die Agrarpolitik sich ab sofort nach der Maxime "Klasse statt Masse" richten sollte. Sie leitete die sogenannte Agrarwende ein. Als Kernpunkte ihrer Politik nannte die Grünen-Politikerin den Verbraucherschutz, die Stärkung des ökologischen Landbaus, die Änderung der Agrar-Zuschüsse sowie eine umwelt- und artgerechte Tierhaltung.

Damit machte sie sich unter den Landwirten nicht nur Freunde. Im Dezember 2001 brachten protestierende Bauern den Bullen "Tarzan" nach Berlin. Schließlich gelang es der forschen Ministerin aber sogar...

Gerd Sonnleitner, dpa

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... es trotz der weitreichenden Veränderungen in der Landwirtschaftspolitik zu keinem größeren Streit mit dem Deutschen Bauernverband (DBV) kommen zu lassen.

Im Bild: Bauernpräsident Gerd Sonnleitner, der der Grünen mit großer Skepsis begegnet war, mit einem Zeitungsausschnitt über Künast. Hinter verschlossenen Türen hatte zuvor die inhaltliche Auseinandersetzung des DBV-Präsisiums mit der geplanten Agrarwende der Ministerin stattgefunden.

SCHAUKOCHEN MIT KÜNAST

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Zu einem weiteren Kernthema ihrer Politik machte Künast die gesunde Ernährung, die sie immer wieder öffentlichkeitswirksam propagierte.

Auch wenn ihre Erfolge als Ministerin vielen Grünen-Anhängern nicht weit genug gingen: Die Umgestaltung des Ministeriums und die Agrarwende gelten unter vielen Politikern als Husarenstück - und als Empfehlung für weitere Aufgaben. Seit 2002 sitzt Künast für den Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg im Bundestag.

Renate Künast, Margaret Beckett, AP

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In der EU gelang es der grünen Verbraucherschutzministerin nicht immer sich durchzusetzen. So blitzte Künast 2003 mit ihrem Vorschlag zu einem radikalen Fangstopp des Kabeljaus ab.

Drei Tage lang hatte die Deutsche mit den EU-Agrarministern wie der Britin Margaret Beckett verhandelt. Den Verhandlungssaal verließ sie mit Tränen in den Augen.

Fritz Kuhn, Renate Künast, dpa

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Die Ankündigung von Kanzler Gerhard Schröder, im Herbst 2005 Neuwahlen abzuhalten, überraschte sogar seine Minister. Der Schock lähmte Künast jedoch nicht lange. Nach den verlorenen Wahlen im September wurde sie - wieder gemeinsam mit Fritz Kuhn - zur Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag gewählt.

Cem Özdemir, Renate Künast, Jürgen Trittin, Claudia Roth, AP

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In der Opposition hält sich Künast seither an der Spitze der Grünen-Fraktion. Im November 2008 wurde sie auf dem Bundesdelegiertenkongress gemeinsam mit Jürgen Trittin zur Spitzenkandidatin der Grünen bei der Bundestagswahl gewählt. Wenn es auch zu einer Regierungsbeteiligung im Bund nicht reichte: Die Umfrageergebnisse der Grünen wurden bis heute immer besser.

Renate Künast, dpa

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Vor allem Themen wie das Bahnprojekt Stuttgart 21 und die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke bescheren den Grünen inzwischen eine ungeahnte Popularität: In Umfragen liegen die Berliner Grünen klar vor der regierenden SPD von Bürgermeister Klaus Wowereit. Für Künast bedeutet das nicht nur eine große Chance, sondern auch ein Risiko: Sollte sie bei der Wahl im September 2011 doch noch unterliegen, wäre ihre ganze politische Karriere in Gefahr.

© sueddeutsche.de/Malte Conradi/plin
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