Fast 1,6 Milliarden Muslime gibt es auf der Welt, etwa 90 Prozent zählen sich zu den Sunniten, die meisten anderen sind Schiiten. Beide großen Gruppen spalten sich auf in weitere Rechtsschulen. Im Westen nehmen Nicht-Muslime die Unterschiede allerdings - wenn überhaupt - in der Regel nur wahr, wenn es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen innerhalb des Islam oder zu islamistischen Terroranschlägen kommt.
Da die Konflikte und Anschläge jeweils von Gläubigen mit extremen Überzeugungen ausgehen, ist es wichtig zu verstehen, wo diese herrühren. Im Falle der meisten islamistischen Terroristen etwa von al-Qaida oder der Terrormilizen des sogenannten Islamischen Staates orientieren sich die Täter an einer relativ neuen Richtung des sunnitischen Islam, die in Saudi-Arabien gewissermaßen Staatsreligion ist: Dem Wahhabismus beziehungsweise der Wahhabiya. Auch das schwierige Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und dem Iran hängt damit zusammen.
Lehre aus dem 18. Jahrhundert
Die Wahhabiya geht auf den sunnitischen Gelehrten Muhammad Ibn Abd al-Wahhab zurück, der im 18. Jahrhundert von der arabischen Halbinsel aus den Islam reformieren wollte. Al-Wahhab berief sich auf die Lehre des Sunniten Ahmad Ibn Hanbal aus dem neunten Jahrhundert. Dieser Lehre zufolge müssen alle Gesetze möglichst wortgetreu aus dem Koran, der Sunna (das Vorbild des Propheten, das sich aus den Hadithen, das heißt den Berichten über ihn ergibt) und den Überzeugungen der Gefährten und Angehörigen des Propheten Mohammed abgeleitet werden.
Bereits zur Zeit Hanbals waren die Muslime gespalten. Die Schiiten waren nicht mit der Entscheidung über die ersten Nachfolger des Propheten - die Kalifen - einverstanden. Sie betrachteten manche ehemaligen Gefährten Mohammeds sogar als unglaubwürdig und unterstellten, dass Berichte über den Religionsgründer gefälscht waren, um die Position der Sunniten zu stärken. Dafür verehrten sie ihre eigenen Imame als allwissend.
Aus der Sicht der Hanbaliten und Wahhabiten, für die der Koran und die Sunna die einzig wahren Quellen der Religion sind, stellen sich die Schiiten mit ihrer Ablehnung der ersten Kalifen als Abkehrer (Rafiditen), Häretiker oder sogar als Ungläubige ins Abseits. Für manche haben sie sogar den Tod verdient, da sie sich als Muslime bezeichnen und so die Religion angeblich von innen zerstören.
Aufgrund ihres Monopolanspruchs sind für Wahhabiten allerdings auch jene Sunniten eigentlich keine richtigen Muslime, die es wagen, die Religionslehre mit der Zeit veränderten Umständen anzupassen.