Süddeutsche Zeitung

Religion:Katholische Kirche: Geschiedene können künftig Kommunion empfangen

  • Die katholischen Bischöfe in Deutschland haben verkündet, dass geschiedene Gläubige nicht mehr grundsätzlich von der Kommunion ausgeschlossen sind.
  • Das entsprechende Dokument ist ohne Rücksprache mit dem Vatikan veröffentlicht worden und wird noch deutlicher als der Papst.
  • Eine automatische Zulassung zu den Sakramenten können Wiederverheiratete daraus aber nicht ableiten.

Von Rudolf Neumaier

Die katholischen Bischöfe in Deutschland geben einen der strengsten und umstrittensten Grundsätze ihrer Kirche auf. In einem "Wort der Bischöfe" haben sie am Mittwoch verkündet, dass geschiedene Katholiken nicht mehr grundsätzlich von der Kommunion ausgeschlossen sind, wenn sie sich vom Standesamt ein zweites Mal trauen lassen. Das Schreiben mit dem Titel "Die Freude der Liebe, die in den Familien gelebt wird, ist auch die Freude der Kirche" hat unter Gläubigen bereits heftige Debatten ausgelöst.

Für Anhänger traditionalistischer Kirchenkreise ist die "Ehebrecher-Kommunion" nicht akzeptabel. Auch konservative Kleriker betrachten die Unauflöslichkeit der Ehe als nicht verhandelbar und halten eine Zulassung geschiedener Wiederverheirateter zu den Sakramenten für falsch. Anders sehen es die deutschen Bischöfe. Ihr Brief ist als Deutung von Papst Franziskus' Schreiben "Amoris laetitia" vom April des vergangenen Jahres gedacht. Der Pontifex sprach sich darin für "ein offenes Ohr und ein weites Herz" in der Familienpastoral aus. Die Bischöfe gehen nun einen Schritt weiter und sagen noch deutlicher als der Papst, dass Priester Betroffenen unter Umständen "die Möglichkeit des Sakramentenempfangs" einräumen müssen.

Fast zehn Monate lang haben die Bischöfe seit dem Papstwort um die Formulierungen gerungen. Wie groß die Mehrheit in der Vollversammlung für den nun beschlossenen Text letztlich war, darüber gibt die Bischofskonferenz keine Auskunft. Sie teilt aber mit, das Dokument sei ohne Rücksprache mit dem Vatikan verabschiedet worden.

Darin heißt es: "Nicht alle Gläubigen, deren Ehe zerbrochen ist und die zivil geschieden und wiederverheiratet sind, können ohne Unterscheidung die Sakramente empfangen." Das bedeutet, dass wiederverheiratete Katholiken nicht automatisch zu den Sakramenten zugelassen sind. Vielmehr empfehlen ihnen die Bischöfe, zunächst zu prüfen, ob sich die erste Ehe kirchenrechtlich annullieren lässt. Unter Berufung auf Papst Franziskus machen sie die Zulassung zur Kommunion aber letztendlich vom Gewissen der Gläubigen abhängig. Die Bischöfe setzen dabei die intensive Begleitung durch einen Seelsorger voraus, der am Ende über die Zulassung zur Kommunion entscheidet. Indem sie das Gewissen stärker betonen, gewähren die Bischöfe den Gläubigen eine Emanzipation vom Glaubensgrundsatz, wonach Wiederverheiratete in Sünde leben.

Die konservativ ausgerichtete Internet-Plattform kath.net veröffentlichte unmittelbar nach der Bekanntgabe des Schreibens ein Interview von Gerhard Ludwig Müller, dem Chef der Glaubenskongregation. Dieser beharrt auf der herkömmlichen Lehre: Man könne "nicht sagen, dass es Umstände gibt, aufgrund derer ein Ehebruch keine Todsünde bildet. Für die katholische Lehre ist das gleichzeitige Bestehen von Todsünde und rechtfertigender Gnade unmöglich." Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken begrüßte das Schreiben der Bischöfe. Ein Sprecher der Laienorganisation "Wir sind Kirche" lobte diesen "wichtigen Schritt auf dem Kurs der Weiterentwicklung".

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SZ vom 02.02.2017
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