Kopten und Muslime:190 Festnahmen nach blutigen Unruhen in Kairo‎

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Die Gewalt in Ägypten ist zurück: In Kairo gehen Kopten und Muslime aufeinander los - zwölf Menschen sterben, mehr als 200 werden verletzt. Nun hat das Militär 190 Menschen festgenommen, sie sollen "exemplarisch bestraft" werden.

Bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Muslimen und koptischen Christen sind in der ägyptischen Hauptstadt zwölf Menschen getötet worden. 230 Menschen wurden verletzt. Das berichtete das staatliche ägyptische Fernsehen. Auslöser der Gewalt am Samstagabend waren offenbar Gerüchte über die Heirat einer koptischen Christin mit einem Muslim.

Männer räumen in der Kirche im Kairoer Armenviertel Imbaba auf, die am Samstag Schauplatz eines blutigen Zusammenstoßes zwischen Kopten und Muslimen war.  (Foto: dpa)

Nach Angaben von Augenzeugen waren hunderte Muslime am späten Samstagabend im Kairoer Armenviertel Imbaba vor eine Kirche gezogen, weil sie vermuteten, dass dort eine erst kürzlich vom Christentum zum Islam konvertierte junge Frau festgehalten werde. Das Gotteshaus wurde von zahlreichen Kopten geschützt. Bei der Auseinandersetzung fielen Schüsse, auch von Hausdächern aus sei geschossen worden. Islamisten warfen Brandbomben auf die Kirche, deren Fassade in Brand geriet.

Die Gewalt griff auch auf umliegende Straßen über, Wohnhäuser in der Nähe der Kirche gerieten laut Augenzeugen ebenfalls in Brand. Die Menge rief Parolen wie "Mit unseren Seelen und unserem Blut verteidigen wir dich, Islam." Nach Angaben der Sicherheitskräfte wurde am Abend auch die ebenfalls in dem Viertel gelegene Kirche der Jungfrau Maria angegriffen und in Brand gesetzt. Feuerwehrleute konnte das Feuer später löschen.

Das ägyptische Fernsehen berichtete, Streitkräfte und Polizei versuchten, die Ausschreitungen zu beenden. Dabei setzten sie Augenzeugen zufolge Tränengas ein und gaben Schüsse in die Luft ab. Der ägyptische Regierungschef Essam Scharaf berief eine Krisensitzung seines Kabinetts ein. Er wolle mit seinen Ministern die "bedauerlichen Ereignisse" in Kairo untersuchen, sagte ein Regierungssprecher. Dem Staatsfernsehen zufolge verschob der Ministerpräsident wegen der tödlichen Zusammenstöße zwei Auslandsreisen.

Der regierende Militärrat gab am Sonntag bekannt, dass 190 Menschen am Schauplatz festgenommen wurden. Sie würden vor ein Militärgericht gestellt und "wegen des Versuchs, das Schicksal der Nation aufs Spiel zu setzen, exemplarisch bestraft", hieß es in einer Erklärung. Der Militärrat regiert das Land seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak am 11. Februar. Unklar blieb zunächst, inwiefern sogenannte Salafisten - besonders fundamentalistische und zur Gewalt neigende Muslime - die Zusammenstöße provoziert haben.

Am Sonntagmorgen boten aus den Fenstern schlagende Flammen und auf dem Gehweg verteilte Möbel noch immer ein Bild der Verwüstung in Kairo. Die Streitkräfte sicherten die Kirchen, deren Brände mittlerweile gelöscht waren und in deren Inneren sich Anwohnern zufolge noch Christen versteckt hielten.

Der ägyptische Mufti Ali Gomaa verurteilte die Zusammenstöße. Sie könnten nicht von "gläubigen Menschen, die ihre Religion verstehen, ob Muslimen oder Christen" verursacht worden sein, sagte der vom Staat ernannte oberste Geistliche des Landes nach Angaben der Nachrichtenagentur Mena. Ein General sagte im Fernsehsender ON-TV, die Armee werde nicht zulassen, dass eine Gruppe ihre Hegemonie in Ägypten durchsetze. Jeder am Ort der Zusammenstöße könne verhaftet werden, warnte er.

Kurz nach dem Zwischenfall in Imbaba zogen koptische Christen vor die US-Botschaft in Kairo. Sie kündigten an, solange dort ausharren zu wollen, bis der US-Botschafter mit ihnen über die "Ungerechtigkeiten gegen die christliche Minderheit" spreche. Die Kopten klagen seit langem über Diskriminierung.

Zuletzt waren Anfang März in Kairo bei Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Kopten 13 Menschen getötet und rund 100 weitere verletzt worden. Auslöser der Gewalt im Vorort Mokattam waren Proteste gegen die Zerstörung einer Kirche südlich der ägyptischen Hauptstadt.

Koptische Christen bilden in dem überwiegend von Muslimen bewohnten Ägypten einen Bevölkerungsanteil von schätzungsweise 10 bis 15 Prozent. Liebesbeziehungen gemischt-religiöser Paare sind in Ägypten immer wieder Auslöser von Gewalt. Frauen beider Religionen wird es zumeist nicht erlaubt, Männer anderen Glaubens zu heiraten.

© dpa/AFP/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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