Religiöse Minderheiten:In Sorge um das Miteinander

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Religionsvertreter kritisieren die Stimmungmache der AfD. Aber Vorwürfe werden auch gegen die etablierten Parteien laut.

Vertreter der Religionsgemeinschaften machen sich angesichts des erwarteten Einzugs der AfD in den Bundestag Sorgen um die Stimmung gegenüber Angehörigen religiöser Minderheiten in Deutschland. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, befürchtet, dass sich die AfD künftig vermehrt antisemitisch äußern könnte. "Es ist eine Partei, die gegen Minderheiten Stimmung macht", sagte Schuster in der Sonntags-Ausgabe des Tagesspiegels. Derzeit seien das vorwiegend Muslime. "Ich bin aber überzeugt: Wenn das Thema Muslime nicht mehr interessant sein sollte, und es wäre zudem politisch wie gesellschaftlich opportun, dann könnte es sehr wohl andere Minderheiten treffen. Dazu zähle ich auch Juden." Schuster sagte, er habe sich "vor vier, fünf Jahren nicht vorstellen können, dass einer rechtspopulistischen Partei in Deutschland ein zweistelliges Ergebnis vorausgesagt wird."

Der Vorsitzende des Islamrates, Burhan Kesici, erklärte, auch andere Parteien hätten populistisch gegen Muslime agiert. "Das Aufgreifen islamfeindlicher Parolen der AfD durch die etablierten Parteien hat dazu beigetragen, dass Islamfeindlichkeit inzwischen salonfähig geworden ist." Zudem habe sich keine der etablierten Parteien "ausdrücklich" für Sorgen und Interessen der Muslime eingesetzt. "In diesem Wahlkampf mussten wir mit ansehen, wie Muslime und der Islam zu Wahlkampfzwecken teils dämonisiert wurden", sagte Kesici. Gegen rechtsextremistisches Gedankengut könne man nur sinnvoll vorgehen, "wenn an der freiheitlich demokratischen Grundordnung weiter festgehalten wird und insbesondere religiöse Minderheiten und Schutzbedürftige wie Flüchtlinge nicht zur Projektionsfläche wahltaktischer Kalküle gemacht werden", so Kesici.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat vor allem die junge Generation in Deutschland vor der Bundestagswahl zum Einsatz für die Demokratie aufgerufen. "Ihr werdet erleben, dass es sehr viel Einsatz braucht, um das, was Demokratie wirklich bedeutet, was Menschenwürde bedeutet, Freiheit bedeutet, zu bewahren und zu schützen, weiterzubringen", sagte Marx. Die öffentliche Debatte über die Grundlagen des Zusammenlebens sei "eine große Herausforderung des 21. Jahrhunderts". Das Leitmotiv "Wir zuerst" führe in die falsche Richtung, stattdessen müsse es heißen "Wir zusammen".

© SZ vom 25.09.2017 / KNA - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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