"Reichsbürger":Polizei suchte Verdächtigen in Bayern vor Razzia auf

"Reichsbürger": Einsatzkräfte bei der groß angelegten "Reichsbürger"-Razzia: Die Polizei griff bundesweit zu.

Einsatzkräfte bei der groß angelegten "Reichsbürger"-Razzia: Die Polizei griff bundesweit zu.

(Foto: Paul Zinken/dpa)

Wenige Wochen vor der Großrazzia im "Reichsbürger"-Milieu besuchten Polizisten einen Verdächtigen. Wurde die Gruppe dadurch alarmiert? Das LKA verteidigt das Vorgehen.

Einen im Zuge der "Reichsbürger"-Razzia festgenommenen Ex-Offizier aus Bayern hatte die Polizei bereits wenige Wochen vor der Aktion für eine Gefährderansprache besucht. Der Staatsschutz der zuständigen Kripo in Niederbayern habe am 18. November versucht, mit dem Mann an seinem Wohnort zu sprechen, sagte ein Sprecher des bayerischen Landeskriminalamts (LKA) in München. Anlass sei ein Video gewesen, das der polizeibekannte Mann vorher über soziale Medien veröffentlicht hatte. "Das stand überhaupt nicht im Zusammenhang mit der Razzia", sagte der LKA-Sprecher. Zuvor hatte das Nachrichtenportal t-online darüber berichtet.

Die innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag, Martina Renner, hatte das Vorgehen der Polizei scharf kritisiert: "Es ist als Panne zu bezeichnen, wenn der Generalbundesanwalt ein Terrorverfahren mit umfangreichen verdeckten Maßnahmen führt und eine Landespolizei gleichzeitig gegen einen zentralen Beschuldigten eine Gefährderansprache durchführt", sagte Renner dem Nachrichtenportal. "So was birgt immer die Gefahr, dass Beweismittel beseitigt werden."

Der LKA-Sprecher betonte dagegen, man gehe nicht davon aus, dass die Gefährderansprache den vergangene Woche in Italien festgenommenen Mann aufgeschreckt haben könnte. "Es handelte sich für ihn um keinen ungewöhnlichen Vorgang." Der Verdächtige sei aber nicht zu Hause gewesen. Er habe sich später bei der örtlichen Polizei nach dem Grund des Besuchs erkundigt, habe dort aber keine näheren Auskünfte erhalten. Die Ermittler gehen davon aus, dass der frühere Oberst einer Spezialeinheit der Bundeswehr zu diesem Zeitpunkt schon in Italien war - wo er derzeit auf seine Auslieferung nach Deutschland wartet.

Die Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch vergangener Woche 25 Menschen festnehmen lassen, darunter auch frühere Offiziere und Polizeibeamte. 22 der Festgenommenen wirft sie vor, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollte. Drei Festgenommene gelten als Unterstützer. Die 23 in Deutschland festgenommenen Beschuldigten sind in Untersuchungshaft.

Die Bundesanwaltschaft sprach zudem von 27 weiteren Beschuldigten. Der 64-jährige Ex-Offizier soll eine zentrale Rolle gespielt haben unter den mutmaßlichen Verschwörern. Bei einem ersten Gerichtstermin im italienischen Perugia am Freitag war die Untersuchungshaft für den Mann aus Bayern bestätigt worden.

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