Eigentlich war alles ganz harmlos. Der IT-Experte Wolfram S. wollte doch nur nette Menschen in einem netten Dorf vernetzen. Eine "Dorfcafé-Plattform" schwebte ihm vor, wo "der Oma erklärt wird, wie sie was bei Amazon bestellt, und die Alleinerziehende quatschen kann". Dummerweise fand sich Wolfram S. dann aber in der Verschwörergruppe rund um den Frankfurter Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß wieder, die nicht nette Menschen, sondern kampfbereite Militärs zusammenbringen wollte, und die den Umsturz in Deutschland plante.
Selbst als ihm von der Gruppe eine Verschwiegenheitserklärung vorgelegt wurde, die nichts weniger vorsah als die Todesstrafe, wenn er etwas herumerzählen würde, da habe er nur gelacht. "Das ist ja wie beim 'Schuh des Manitu', wie Blutsbrüderschaft spielen, völlig absurd", sagt der freundliche Herr S. Er hat die Verpflichtung dann unterschrieben. "Sollen sie mich halt umbringen, dann haben sie auch keinen IT-ler mehr."
Der IT-Beauftragte Wolfram S. beruft sich auf sein Sicherheitsbedürfnis
So lustig war das also, was die Bundesanwaltschaft als Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und zum Teil auch als Hochverrat angeklagt hat. Seit 29. April läuft der erste von drei Mammutprozessen gegen die Verschwörer der Gruppe um Prinz Reuß vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, nun beginnen die ersten Angeklagten zu sprechen: Ralf Sch. will aussagen, der laut Bundesanwaltschaft jene Verschwiegenheitserklärung entworfen hat, die jedem, der die Verschwörer verrät, die Todesstrafe androhte. Doch nun ist erst mal Wolfram S. dran.
Wolfram S. war der Anklage zufolge der IT-Beauftragte des militärischen Stabs der Verschwörer. Er baute im Sommer 2022 eine eigene Datenbank für die Gruppe auf, unabhängig von den großen IT-Firmen. Quasi die Fortentwicklung seiner "Dorfcafé-Plattform" - so erzählt er es. Nur glaubt ihm der Vorsitzende Richter Joachim Holzhausen, 62, nicht recht.
Wolfram S., 55, Entwicklungsingenieur, Geheimratsecken, glatt rasiert, hat sich sehr gut vorbereitet auf seine Aussage. Sie ist akribisch, wenn es um ihn geht. "Ich war ein typisches Warum-Kind. Das hat mich sehr anstrengend gemacht", sagt er zum Beispiel. Und er habe ein ausgeprägtes Sicherheitsdenken. Deswegen habe er sich mit Leuten getroffen, die Vorräte anlegten und über Stromausfälle nachdachten.
Die Androhung der Todesstrafe für Verräter - nur ein Witz?
Aber dann, als es ans Konkrete geht, wird er wolkig. Eine Bekannte habe ihm gesagt, es gebe Menschen, die die Vorsorge für den Ernstfall "sortierter" angehen wollten. Sie habe auch über den Tag X gesprochen und eine "Allianz", die losschlagen werde. Aber das habe er nicht vertieft. Und als Wolfram S. dann sagt, er habe gelacht, als er die Verschwiegenheitserklärung unterschrieb, da sagt der sehr zugewandte Richter, das passe doch nicht zusammen: "Ihr ernsthafter Ansatz und der Witz-Impuls, als sie das Wort Todesstrafe lesen."
Was hinter dem Ganzen steckt: Die Verschwörer wollten abhörsichere Kommunikation aufbauen, vor allem für die direkten Befehle zwischen dem militärischen Stab und den 286 geplanten Heimatschutzkompanien, die den Widerstand der Demokraten gegen den Umsturz unterdrücken sollten.
Wolfram S. stellt sich vor Gericht als grundsätzlich unpolitischen Menschen dar, als "eher links-grün, als ich noch gewählt habe". Interessant ist dann allerdings, dass er sich von Steffen Hammer verteidigen lässt, der jahrelang der Leadsänger der Neonazi-Band Noie Werte war. Deren Songs nutzte die rechte Terrorbande NSU für ihre Bekennervideos. Aber vermutlich hat Wolfram S. auch das gar nicht gewusst.
Selbst als ihm seine Freunde das Muster für einen Wehrpass der "neuen deutschen Armee" vorgelegt haben, mit Adler, will er das nicht für verdächtig gehalten haben. Da sagt der Richter: "Was denkt sich der Herr S., der ein hochintelligenter Mann ist, ein Mensch, der immens nachdenkt - und ausgerechnet da nicht?" Der Richter legt den Kopf schief und sagt: "Das macht mir ein Problem."