ExtremismusInnenminister Dobrindt verbietet Reichsbürger-Gruppe „Königreich Deutschland“

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„Königreich Deutschland“-Schriftzug auf einem Hemd: Die Vereinigung besteht nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden seit 2012.
„Königreich Deutschland“-Schriftzug auf einem Hemd: Die Vereinigung besteht nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden seit 2012. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Es ist die größte Gruppierung sogenannter Reichsbürger und Selbstverwalter in Deutschland. Die Bundesanwaltschaft ließ zudem vier mutmaßliche Anführer der Gruppe festnehmen, darunter den Gründer.

Wenige Tage nach seinem Amtsantritt hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die aktuell größte Gruppierung sogenannter Reichsbürger und Selbstverwalter verboten. Der Verein nennt sich „Königreich Deutschland“ und hat nach eigenen Angaben bundesweit etwa 6000 Anhänger. Die Sicherheitsbehörden gehen allerdings von lediglich rund 1000 Anhängern aus. Die Bundesanwaltschaft ließ zudem vier mutmaßliche Rädelsführer der verbotenen Gruppe festnehmen, darunter Gründer Peter Fitzek. Die vier Deutschen seien 37, 38, 46 und 59 Jahre alt, teilte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft mit. Einer der Männer befindet sich bereits in Untersuchungshaft. Die drei weiteren Festgenommenen, darunter Fitzek, sollten im weiteren Verlauf des Tages sowie am Mittwoch in Karlsruhe vorgeführt werden.

Zwei der Festnahmen erfolgten laut der Sprecherin im Landkreis Mittelsachsen, je eine weitere in den Landkreisen Oder-Spree in Brandenburg und Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz. Auch hätten Einsatzkräfte Räumlichkeiten durchsucht. Zudem habe es bei einem Verdächtigen im Kanton Solothurn in der Schweiz Durchsuchungen gegeben. Auch er soll deutscher Staatsbürger sein.

Die Ermittlungen laufen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Per se ist die Bundesanwaltschaft in solchen Fällen nicht automatisch zuständig. Mit Blick auf die mutmaßlichen Rädelsführer habe die oberste Anklagebehörde in Deutschland die Ermittlungen aber wegen der besonderen Bedeutung an sich gezogen, erklärte die Sprecherin. Fitzek werden demzufolge auch unerlaubte Einlagen- und Versicherungsgeschäfte vorgeworfen. Ein anderer der Beschuldigten soll ihm bei den Einlagengeschäften geholfen haben.

Nach Angaben des Innenministeriums durchsuchten an diesem Dienstag mehr als 800 Einsatzkräfte der Polizei in mehreren Bundesländern von dem Verein genutzte Gebäude sowie Wohnungen führender Mitglieder. Betroffen von Durchsuchungen und Festnahmen waren Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg. Auch Beamte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht waren beteiligt.

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„Die Mitglieder dieser Vereinigung haben einen ‚Gegenstaat‘ in unserem Land geschaffen und wirtschaftskriminelle Strukturen aufgebaut“, sagte Dobrindt laut Mitteilung. Ihren vermeintlichen Herrschaftsanspruch untermauerten die Mitglieder der Vereinigung durch antisemitische Verschwörungserzählungen. Dieses Verhalten könne ein Rechtsstaat nicht dulden.

Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an – und auch nicht demokratische und rechtsstaatliche Strukturen wie Parlament, Gesetze oder Gerichte. Steuern, Sozialabgaben oder Bußgelder wollen sie nicht zahlen. Die Szene besteht aus vielen, meist kleineren Gruppierungen. Manche Reichsbürger sehen sich als Staatsoberhäupter ihres eigenen kleinen Reiches. Viele von ihnen behaupten, das historische Deutsche Reich bestehe bis heute fort.

Vereinigung existiert seit 2012

Das „Königreich Deutschland“ wurde nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden 2012 in Wittenberg von Fitzek ausgerufen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene insgesamt im Jahr 2023 rund 25 000 Anhänger zu.

Der Gründer der Vereinigung, gebürtig aus Halle (Saale), hatte sich selbst zum Staatsoberhaupt erklärt. Er stand bereits mehrfach vor Gericht und wurde verurteilt. Vorgeworfen wurde ihm unter anderem, ohne Führerschein gefahren zu sein oder illegale Bankgeschäfte getätigt zu haben. Im März wurde ein Urteil des Amtsgerichts Wittenberg rechtskräftig, das Fitzek wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt hatte.

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