Regimekritiker im Iran:Tod in Teheran - blutiges Fest

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Im Iran kämpften Polizisten mit Anhängern der Opposition. Es gab es in der Hauptstadt Teheran vier Tote, darunter der Neffe des Oppositionschefs.

Neue Dimension der Proteste im Iran: Bei heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern des erzkonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und Sicherheitskräften gab es in Teheran erstmals seit den Protesten im Juni Tote. Das wurde am Abend im staatlichen Fernsehen bestätigt.

In Teheran kam es während des schiitischen Aschura-Festes zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Regimegegnern. (Foto: Foto: Reuters)

Zwei weitere Menschen seien verletzt worden, nachdem die Polizei das Feuer auf Anhänger der Reformbewegung eröffnet hatte, berichtete die regierungskritische Internetseite Jaras. Zudem würden auch aus anderen iranischen Städten wie Isfahan und Nadschafabad Zusammenstöße zwischen Polizisten und Demonstranten gemeldet.

Bei den Protesten soll nach Angaben der Opposition der Neffe von Oppositionsführer Mir-Hossein Mussawi getötet worden. Das bestätigte Mussawis Berater Aliresa Beheschti der Internetseite Kaleme. Zehntausende Gegner von Staatschef Mahmud Ahmadinedschad waren zuvor in der iranischen Hauptstadt auf die Straßen gegangen.

In Teheran setzte die Polizei Tränengas gegen Anhänger der Reformbewegung ein, die eine traditionelle Trauerfeier zu Protesten gegen die erzkonservative Regierung von Präsident Mahmud Ahmadinedschad nutzten, wie Jaras berichtete. Dabei hätten die Demonstranten das Motorrad eines Polizisten in Brand gesteckt. Die Angaben der regierungskritischen Internetseite konnten nicht von unabhängiger Seite überprüft werden, weil die iranischen Behörden ausländischen Journalisten die Berichterstattung über Kundgebungen verboten haben.

"Einer dümmer als der andere"

Verbürgt ist dagegen ein erneuter Verbal-Ausfall des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad. Er hat europäische Politiker offiziell als "dumm" beschimpft. "Diese (europäischen) Politiker wissen weder etwas über Politik noch über Geschichte", zitierte ihn die Agentur Fars. Einer sei "dümmer als der andere", fügte Ahmadinedschad hinzu.

So würden die Politiker etwa denken, man könne mit dem Verbot von Minaretten dem islamischen Glauben Einhalt gebieten, doch dies sei nicht so. "Sie verstehen nicht, dass nicht die Minarette die Menschen zu Gläubigen machen, sondern der Glaube der Menschen die Minarette entstehen lässt." Ahmadinedschad bezog sich damit auf einen Volksentscheid in der Schweiz gegen den Bau weiterer Minarette.

Spannungen nach Tod von Ahmadinedschad-Gegner

Im Iran hatte die Reformbewegung ihre Anhänger trotz eines Verbots am Samstag per SMS aufgerufen, am Sonntag auf die Straße zu gehen und dem verstorbenen Großajatollah Hossein Ali Montaseri zu gedenken. Die Spannungen zwischen Opposition und Regierung hatten sich zuletzt wieder deutlich verschärft, nachdem am vergangenen Wochenende Montaseri im Alter von 87 Jahren gestorben war. Der Geistliche war eine Art Mentor der Reformbewegung und galt als einer der schärfsten Kritiker Ahmadinedschads.

Dort gingen Hunderte Anhänger der grünen Bewegung von Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi auf die Straße. Sie riefen Parolen gegen Präsident Ahmadinedschad, nachdem eine Rede des regimekritischen Ex-Präsidenten Mohammed Chatami von den Behörden abgesagt worden war. Augenzeugen berichteten, die Polizei habe die Demonstranten bis in Seitenstraßen verfolgt.

Viele Anwohner hätten daraufhin als Zeichen der Solidarität aus ihren Fenstern "Gott ist groß" gerufen, und Autofahrer hätten gehupt. Andere Autofahrer hätten angehalten und die von der Polizei fliehenden Demonstranten mitgenommen. In der Niavaran-Avenue inmitten eines belebten Wohnviertels wurden daraufhin nach Angaben der Augenzeugen Sondereinsatzkräfte der Polizei stationiert.

Trauerfeiern als Anlass für Demonstrationen

Die Opposition hatte bereits zuvor angekündigt, die schiitischen Feierlichkeiten zum Aschura-Fest für Demonstrationen nutzen zu wollen. Zuletzt hatten die Regimekritiker die Trauerfeierlichkeiten für den vor einer Woche gestorbenen Großajatollah Hussein Ali Montaseri für Demonstrationen in vielen Städten des Landes genutzt.

Nach dem Tod des 87 Jahre alten Geistlichen Montaseri war es mehrfach zu politischen Protesten gekommen, die zu Zusammenstößen mit der Polizei führten. Die Proteste im Iran richten sich gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad im Juni. Die Opposition wirft dem erzkonservativen Präsidenten Wahlbetrug vor. Montaseri hatte Ahmadineschad mehrfach beschuldigt, diktatorisch zu regieren.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/holz/jja/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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