Regierungswechsel in Polen:"Ihr habt jedes Recht, heute zu jubeln"

Die Opposition hat die Wahl in Polen gewonnen. Die liberale Bürgerplattform (PO) mit ihrem Spitzenkandidaten Donald Tusk kam auf 41,4 Prozent der Stimmen. Tusk rief das Land zur Versöhnung auf. Der bisherige Premier Jaroslaw Kaczynski gestand die Niederlage ein.

Polen steht vor einem Regierungswechsel. Die Opposition entschied die vorgezogene Wahl am Sonntag mit einem eindeutigen Sieg für sich. Nach Auszählung von 99 Prozent aller Stimmen konnte die Bürgerplattform (Platforma Obywatelska: PO) im Vergleich zu den letzten Wahlen um gut 17 Prozentpunkte zulegen und kommt nun auf einen Anteil von 41,4 Prozent.

Die Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość: PiS) von Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski kam nach dem am Montagmorgen veröffentlichten Auszählungsstand zwar auf ein Plus von etwa fünf Prozentpunkten, das Ergebnis von 32,2 Prozent ist für die PiS jedoch enttäuschend. Die Bauernpartei PSL (Polskie Stronnictwo Ludowe / Polnische Volkspartei), die mit der Bürgerplattform eine Koalition eingehen will, erhielt 8,9 Prozent - 1,9 Prozentpunkte mehr als bei den Wahlen 2005.

Damit entfallen auf die Bürgerplattform 209 der 460 Sitze im Parlament. Zusammen mit den 31 Sitzen der Bauernpartei ist eine neue Regierungsmehrheit möglich. Die PiS muss mit 166 Abgeordneten in die Opposition.

"Die Bürgerplattform hat die Absicht, dass sich die Polen künftig sehr viel wohler in ihrem eigenen Land fühlen als bisher", sagte der voraussichtlich künftige Ministerpräsident Donald Tusk vor jubelnden Anhängern. "Wir werden eine gewaltige Arbeit leisten und wir werden sie gut machen. Ihr habt jedes Recht, heute zu jubeln."

"Polen hat eine bessere Regierung verdient"

Tusk sagt in einer ersten Reaktion: "Wochenlang haben wir die Polen davon überzeugt, dass wir ein besseres Leben in Polen haben können, dass die Polen eine bessere Regierung verdienen."

Kaczynski räumte bereits nach den ersten eindeutigen Prognosen die Niederlage ein. Seine Partei habe es mit einer "beispiellosen breiten Angriffsfront" zu tun gehabt und deswegen die Wahl verloren, sagte Kaczynski, Zwillingsbruder von Staatspräsident Lech Kaczynski. Er kündigte einen harten Oppositionskurs an.

Der Vorsitzende der Bauernpartei, Waldemar Pawlak, sagte am Wahlabend der Nachrichtenagentur AP, er sei bereit, eine Koalition mit der Bürgerplattform zu bilden und werde auf ein Angebot von Tusk warten. "Es liegt nun alles bei der Bürgerplattform", sagte Pawlak. Tusk will der Wirtschaft mit Steuersenkungen neue Impulse geben und strebt ein besseres Verhältnis zur Europäischen Union an.

Das Mitte-links-Bündnis Linke und Demokraten (Lewica i Demokraci: LiD) des ehemaligen Präsidenten Aleksander Kwasniewski legte leicht zu und bekam nach bisherigem Auszählungsstand 13,2 Prozent der Stimmen. Die früheren Bündnispartner der PiS, die radikale Bauernpartei Samoobrona (Selbstverteidigung) und die rechtskonservative Liga polnischer Familien (LPR), verpassten mit Stimmenanteilen von 1,61 und 1,27 Prozent den Wiedereinzug ins Unterhaus deutlich. Bei den letzten Wahlen hatte Samoobrona noch 11,4 Prozent der Stimmen, die LPR 8,3 Prozent erringen können. Mindestens einen Sitz erhält die deutsche Minderheit, für die die 5-Prozent-Klausel nicht gilt.

Höhere Wahlbeteiligung

Wegen der mit 55 Prozent höchsten Wahlbeteiligung seit dem Ende des Kommunismus vor 18 Jahren wurde der Urnengang um knapp drei Stunden verlängert. Angaben der Wahlkommission zufolge gingen in einigen Bezirken in Warschau die Stimmzettel aus und mussten nachgeliefert werden. Die Hauptstadt gilt als Hochburg der Liberalen.

Die Bürgerplattform hat für den Fall eines Wahlsieges einen grundlegenden Kurswechsel angekündigt: Nach der sprunghaften Europa- und Nachbarschaftspolitik der Kaczynski-Zwillinge will sie die Beziehungen zur EU und besonders zu Deutschland wieder verbessern.

Anders als unter den National-Konservativen soll zudem der in Polen unpopuläre Irak-Einsatz an der Seite der USA zügig beendet werden. Die Liberalen haben auch beschleunigte Wirtschaftsreformen und eine schnelle Einführung des Euro angekündigt.

Das Reformprogramm war trotz des stärksten Wirtschaftswachstums seit einem Jahrzehnt von den Konservativen abgeschwächt worden.

Die rechts-nationale Koalition unter Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski war nach nicht einmal zweijähriger Regierungszeit und nach monatelangen Querelen vor etwa zwei Monaten an inneren Streitigkeiten zerbrochen.

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