Regierungsumbildung in Frankreich:Viele Bekannte und ein frisches Etikett

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Signal für den sozialdemokratischen Reformkurs: Frankreichs Präsident François Hollande (rechts) ernennt Emmanuel Macron zum Wirtschaftsminister.

(Foto: AFP)

Frankreichs Präsident François Hollande setzt mit der Ernennung seiner neuen Regierung ein Zeichen: Vor allem der neue Wirtschaftsminister Emmanuel Macron steht für einen sozialdemokratischen Reformkurs. Andere wichtige Minister behalten ihre Posten.

Von Christian Wernicke, Paris

Mit der Ernennung des früheren Geschäftsbankers Emmanuel Macron zum neuen Wirtschaftsminister hat Frankreichs Präsident François Hollande erneut ein Signal für seinen sozialdemokratischen Reformkurs gesetzt. Macron, der bis Juni dieses Jahres als wirtschaftspolitischer Berater im Élysée diente, gilt als Vordenker von Hollandes wirtschaftspolitischer Wende seit Jahresbeginn.

Seine überraschende Berufung am Dienstagabend wurde von Vertretern des linken Flügels der regierenden Sozialisten prompt mit Skepsis quittiert. Macron tritt die Nachfolge des wegen Unbotmäßigkeiten geschassten Arnaud Montebourg an. Hollande hatte am Dienstag erklärt, das künftige Kabinett solle "eine Regierung der Klarheit" sein.

"Die Regierung des Kampfes"

Die meisten ihrer Köpfe dienten schon in der vorherigen Mannschaft, die Premierminister Valls "die Regierung des Kampfes" getauft hatte: Außenminister Laurent Fabius und Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian behalten ebenso ihre Posten wie Michel Sapin, der Finanzminister. Auch Innenminister Bernard Cazeneuve und Umweltministerin Ségolène Royal dürfen ihre bisherige Arbeit fortführen.

Auf Unwillen aus konservativen und klerikalen Kreisen stieß die Ernennung der neuen Erziehungsministerin Najat Vallaud-Belkacem, die sich vehement für die Legalisierung der Homo-Ehe in Frankreich eingesetzt hatte. Den ganzen Tag lang hatten Hollande und sein Premierminister Manuel Valls nach einem neuen Gleichgewicht für die künftige Regierung gesucht. Vergeblich mühten sie sich, in ihre fortan mehr denn je sozialdemokratische, also rechtere Regierung auch prominente Vertreter der Linken einzubinden.

Als eine Geste bestätigten sie die durchaus umstrittene Justizministerin Christiane Taubira, die der kleinen, sozialliberal orientierten "Radikalen Linkspartei" angehört. Versuche, auch einen Vertreter des linken Flügels der Sozialistischen Partei (PS) an den Kabinettstisch zu locken, blieben hingegen erfolglos. So schlug der linke Abgeordnete François Lamy - ein Vertrauter von Hollandes innerparteilicher Gegenspielerin Martine Aubry - das Angebot eines Ministeramtes aus.

Gescheitert ist ebenso Hollandes Versuch, einen Vertreter der erst im April aus der Regierung ausgeschiedenen Grünen zurück an Bord zu holen. Die Entfremdung des Präsidenten von seiner eigenen Linken dürfte sich nun fortsetzen. Hollande, der noch im Wahlkampf 2012 die globale Finanzwelt als seinen "wahren Gegner" geziehen hatte, beruft nun einen erst 37 Jahre alten Finanzexperten ins Kabinett, der früher dem Bankhaus Rothschild diente.

Klarer Bruch mit dem Erbe der Vorgängerregierung

Macron, ein Absolvent der Elitehochschule ENA, vertrat schon als stellvertretender Generalsekretär des Élysée-Palastes einen strikt marktwirtschaftlichen Kurs und wollte Frankreichs chronisch überregulierte Wirtschaft schneller liberalisieren, als dies Hollande anfangs für nötig hielt. Hollandes früherer Berater genießt auch in Brüssel und bei seinen Gesprächspartner in Berlin Respekt. Macrons Ernennung ist ein klarer Bruch mit dem Erbe der vorherigen Regierung unter Premier Valls.

Deren Wirtschaftsminister Montebourg hatte die politische Krise in Paris übers Wochenende ausgelöst, als er am Sonntag ein Ende von Hollandes Sparpolitik und einen Bruch mit "den maßlosen Obsessionen von Deutschlands Konservativen" forderte. Auf Drängen von Valls wurde Montebourg gefeuert. Zwei weitere Linke - Bildungsminister Benoît Hamon und Kulturministerin Aurélie Filippetti - weigerten sich deshalb, weiterhin unter Valls zu dienen.

Eine Machtprobe droht der Regierung im Oktober

Mehr denn je dürfte der dem rechten Parteiflügel zugerechnete Finanzminister Sapin nun den wirtschaftspolitischen Kurs prägen. Zusammen mit dem gleichgesonnen Macron dürfte die Führung des riesigen Wirtschafts- und Finanzministeriums im Stadtteil Bercy reibungsloser als bisher gelingen. Allerdings musste Sapin Mitte August einräumen, dass Frankreich sein Defizitziel von 3,8 Prozent 2014 verfehlen wird.

Erwartet wird, dass Sapin wie auch Hollande und nun Macron persönlich von den EU-Partnern einen neuerlichen Aufschub bei der Sanierung der französischen Staatsfinanzen verlangen werden. Ungewiss bleibt, mit welchem Rückhalt Präsident und Premier künftig im Parlament rechnen können. Schon vor der aktuellen Regierungskrise hatte sich eine Gruppe linker PS-Abgeordneter bei Voten zum Sparhaushalt oder zu Hollandes Wirtschaftsreformen mehrmals enthalten.

Élysée-Berater deuteten am Dienstag an, Premier Valls werde nach seiner Regierungserklärung in der Nationalversammlung umgehend die Vertrauensfrage stellen, "um die eigenen Reihen zur Geschlossenheit zu zwingen". Valls bestätigte am Abend im Interview mit dem Fernsehsender France 2, "im September oder Oktober" das Vertrauensvotum wagen zu wollen. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Regierung die Widerstände in den eigenen Reihen überwinden werde: "Falls die Mehrheit nicht steht, wäre es vorbei. Dann könnten wir nicht weitermachen."

Eine Machtprobe droht der Regierung spätestens im Oktober. Dann muss das Parlament die Finanzplanung 2015 billigen, die Paris anschließend seinen EU-Partnern und der Brüsseler Kommission vorlegt. "Jedes Votum im Parlament wird künftig zum russischen Roulette", drohte der linke Abgeordnete Régis Juanico.

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