Regierungsteam der SPD:Merkels Accessoire

Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier präsentiert heute sein "Regierungsteam". Doch das Schattenkabinett beeindruckt wenig und ändert nichts an den miserablen Wahlaussichten der SPD.

Dieter Degler

Es gibt derzeit zwei unterschiedlich große, mehr oder minder professionelle Meinungslager zur Bundestagswahl im September. Das kleinere vertritt SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, der nun mit der für den heutigen Donnerstag geplanten Bekanntgabe seines Kompetenzteams den Wahlkampf seiner Partei eröffnet. Mit dieser Truppe, pfeift er im Wald, sei die schwarz-gelbe Gesamtstimmungslage im Wahlvolk noch zu wenden.

Regierungsteam der SPD: Heute stellt er sein Wahlkampfteam vor: SPD-Kandidat Frank-Walter Steinmeier in Potsdam.

Heute stellt er sein Wahlkampfteam vor: SPD-Kandidat Frank-Walter Steinmeier in Potsdam.

(Foto: Foto: ddp)

Die andere Fraktion vertritt unter anderem der Mannheimer Politikprofessor Thomas Gschwend. Nach seiner Überzeugung - beruhend auf einem wissenschaftlichen Prognosemodell, das sich schon bei den vergangenen beiden Bundestagswahlen bewiesen habe - ist die Sache längst entschieden: Auf Schwarz-Gelb entfallen präzise 50,6 Prozent der Stimmen.

Kaum Anlass zu Optimismus

Hellseher sind weder Steinmeier noch Gschwend. Aber wer die ungezählten Wahlforschungstheorien abklopft, wird schwer eine finden, die den Optimismus des noch amtierenden Außenministers stützt. Die überkommenen Erklärungsmuster, welche die Wahlentscheidung langfristig von Herkunftsmilieus, kollektiven Ideenwelten oder gefestigter Parteienorientierung ableiten, sehen die Sozialdemokraten im Hintertreffen, weil die Gesellschaft sich im Eiltempo fraktalisiert, weil große verbindende Weltbilder, die der SPD helfen könnten, fehlen und die Bindung an politische Marken im freien Fall ist.

Auch neuere Ansätze wie der individualpsychologische, bei dem langfristige Bindungen mit kurzfristigen Faktoren wie aktuellen politischen Themen kombiniert werden, geben keinen Anlass zu sozialdemokratischem Optimismus. Und ebenfalls birgt das jüngste Erklärungsmuster kaum Hoffnung, das vom rationalen Wähler ausgeht. Demnach entscheide der Wahlbürger, so die Theorie, ob die SPD eine bessere Politik gemacht hätte als die Union, wenn sie denn in der vergangenen Periode hätte alleine regieren können - ein Vergleich, der für Union und Sozialdemokratie wenig hergibt. Beide haben bekanntlich gemeinsam regiert.

Selbst wenn man Faktoren wie Glaubwürdigkeit und persönliche Ausstrahlung von Kanzler- und Ministerkandidaten heranzieht, gewinnt die SPD in keinem der Modelle Schubkraft. Die Glaubwürdigkeit der Partei ist spätestens seit der Andrea-Ypsilanti-Frage schwer erschüttert.

Allerdings nicht, wie die Union propagiert, wegen des Kurses der Hessin, sondern wegen der Berliner Parteiführung, die sich mit ihrem Anti-Linke-Kurs aus taktischen Gründen von der Wahrheit verabschiedet hat, dass Sozialdemokratie, Linke und Grüne im Wesentlichen aus einem politischen Holz geschnitzt sind.

Dass Steinmeier in der medialen Vermittlung wie ein wohlhabender Gutsverwalter wirkt und nicht als Macher, ist in der Mediendemokratie ein weiteres Manko, an dem schon der Kandidat Hans-Jochen Vogel gescheitert ist. Und dass die Glaubwürdigkeit des Personals zusätzlich erschüttert wird von einer Ministerin, die im Wahlkampf allenfalls noch für Mietwagen-Reklame taugt, macht den Wahlkampfauftakt vollends zum Fehlstart.

Schatten alter Größe

Und was ist mit Steinmeiers Personaltableau? Das hätte vielleicht etwas geändert, wenn mehrheitsbewegende Namen dabei wären, sagen wir jemand der Popularitätsklasse Gottschalk oder wenigstens Guttenberg. Aber mit der mecklenburg-vorpommerschen Sozialministerin Manuela Schwesig und der Bundestagsabgeordneten und Verteidigungsausschussvorsitzenden Ulrike Merten dürfte die Partei kaum mehr Wähler an die Urnen treiben. Der Begriff "Schattenkabinett", den Steinmeier noch nicht ausspricht, beschreibt allerdings die Lage der Gesamt-SPD ziemlich gut: Zwar im Kabinett, aber nur noch ein Schatten alter Größe.

Kürzlich las ich in einer Biographie der großen Coco Chanel ein Aperçu aus der Modewelt, das ausgezeichnet auf das Verhältnis von Angela Merkel und Steinmeier, von Union und SPD nach dieser gemeinsamen Legislaturperiode passt: "Männer können anziehen was sie wollen - sie bleiben doch ein Accessoire der Damen."

Die SPD braucht einen politischen Erdrutsch. Oder ein Wunder.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: